Innovation und was man sonst noch in Bezug auf DEFCON hört – alles Lügen, Marketinggewäsch, oder Geschwätz von Leuten die keine Ahnung haben. Spiele die einen weltweiten Atomkrieg simulieren gabs schon ein paar, also wir haben es sicher nicht mit etwas Neuem zu tun. Eins ist allerdings Fakt: DEFCON setzt dieses Szenario erstmals vernünftig um. Und – so pervers es klingen mag – das Spiel hat einfach Charme.
Wer Warning Forever gespielt hat, wird sofort von der – optischen Aufmachung begeistert sein. Nach der Installation kann man sofort loslegen, sämtliche Einstellungen (sowohl die Auflösung als auch performancebezogene Konfigurationsmöglichkeiten) erledigen sich von selbst, nur der Lizenzschlüssel muss noch angegeben werden (diesen gibts übrigens bei Introvesion direkt als Download oder Box-Version sowie Steam).
Aber eigentlich will ich nicht lange um den heißen Brei herumreden – kommen wir zum Spiel: grundlegend sollte man, bevor man alles atomisiert, das Tutorial spielen. Dies erklärt die Spielmechanik – in etwa 15 bis 20 Minuten blickt jeder durch.
Das Spiel beschränkt sich auf wenige taktische und stategische Elemente: nur wenige Schiffe, Flugzeuge und Gebäude stehen zur Verfügung – die Liste ist somit schnell komplett: Radarstationen, Raketensilos und Flugplätze am Land, Jäger und Bomber in der Luft und Schlachtschiffe, Flugzeugträger und U-Booter im Wasser.
Mit Ausnahme der Radarstation verfügt jede Einheit über mehrere unterschiedliche Betriebsmodi bzw Funktionen – ein Flugzeugträger kann z.B. zur U-Boot Abwehr eingesetzt werden und Jäger oder Bomber starten. Das Wechseln zwischen den einzelen Betriebsmodi sowie das Ausführen einer entsprechenden Aktion in diesem Modus benötigt Zeit. Selbst das Starten von Bombern bzw das abfeuern von Nuklearwaffen benötigt Zeit – Zeit die man unter Umständen nicht hat.
Insbesondere das Raketensilo ist von dieser Eigenschaft in seinen taktischen Möglichkeiten sehr interessant. Der voreingestellte Betriebsmodus dient zur Rakten- und Flugabwehr, der zweite Modus hingegen dient zum Abfeuern von ICBM (also ballistische Interkontinentalrakten). Das Silo wird vom Radar erfasst und auf der Weltkarte entsprechend angezeigt, Silos welche nicht im Radareinzugsbereich liegen bleiben so lange unsichtbar, bis eine Atomrakete abgefeuert wird – durch diese Maßnahme wird die Position an alle anderen Mitspieler weitergegegeben – das Gleiche gilt übrigens für U-Boote, nicht aber für Bomber.
Wer bisher der Meinung war, das Spiel drehe sich nur um ein "alles muß raus"-Szenario, irrt also. Es lohnt also durchaus versteckt zu operieren und lange mit dem Abschuß der ersten boden- oder wassergestützen Kernwaffen zu warten. Wie man im Tutorial erfährt, ist das Abfeuern von Kernwaffen dann am Wirkungsvollsten, wenn der Gegner bereits feuert, da die Silos einerseits ihre Position preisgeben und andererseits keine Raketen abwehren können.
Insbesondere in Partien mit sechs Spielern (die maximale Spielerzahl) löst eine derartige Aktion oft einen Schneeballeffekt aus. Sobald der erste Spieler die Hosen runterläßt, also einen seiner Silos preisgibt, nutzt ein zweiter dies unter Verwendung mehrerer Abschußplattformen aus und über kurz oder lang werden auch die restlichen Spieler nicht untätig bleiben.
Nachdem das Abfeuern von Atomrakten alleine noch nicht wirklich spannend wäre, ist das Spiel in 5 Phasen (DEFCON 5 bis 1) eingeteilt. In den ersten beiden Phasen, also DEFCON 5 und 4, kann der Spieler Einheiten in seinem Territorium positionieren. Jede der 6 möglichen Landmassen (Nordamerika, Südamerika, Europa, Afrika sowie der nördliche und der südliche Teil Asiens) wird entweder zufällig vergeben oder kann von den Spielern gewählt werden. Natürlich verfügt jedes Gebiet auch über einen Teil der umliegenden Gewässer um dort seine Schiffe zu positionieren.
Erst ab DEFCON 3 geht es zur Sache: Jäger und Atombomber können verschickt werden und die ersten Kämpfe werden ausgetragen. Es empfiehlt sich, in dieser Phase den Gegner nach Möglichkeit blind zu machen Primärziele sollten Radarstationen sein, eventuell auch Flugfelder und Raketenbasen. Die Radarstationen sind insofern wichtig, da sie auch anfliegende Atomraketen entdecken können – und was man nicht sieht, kann man nicht abwehren. Mit DEFCON 1 wird schließlich der Ausnahmezustand ausgerufen – U-Boote und Raketensilos dürfen ab diesem Zeitpunkt ihre Waffen abfeuern. Bei einer Partie mit zwei Spielern beginnt hier die Eskalation. Interessant wird es wie gesagt aber erst mit mehreren Spielern, denn hier ist Taktik gefragt. Zu diesem Zweck kann man sich auch mit anderen Spielern verbünden (und noch schöner: Bündnisse brechen) oder auch nur einen kleinen Waffenstillstand aushandeln.
Insbesondere im Spielmodus "Diplomacy" ist dies ein extrem interessanter Aspekt – am Anfang befinden sich alle Spieler in der selben Allianz – da dadurch aber keiner einen Sieg erringen kann, zerbröckelt diese früher oder später – entweder verlässt jemand das Bündnis, feuert auf die eigenen Mitspieler oder jemand wird aus der Allianz ausgeschlossen (eine Abstimmung hierzu kann jeder einleiten).
Ob sich zwei oder mehr Fraktionen bilden ist von der jeweiligen taktischen Situation abhängig – es kann natürlich auch passieren, dass zwei Gegner sich plötzlich verbünden und den anderen Spielern zu schaffen machen. Es bleibt in jedem Fall spannend bis zum Ende. Weil wir grade dabei sind: wie gewinnt man eigentlich? Üblicherweise wohnen in jeder Landmasse 100 Millionen Menschen, jede verlorene Million bringt einen Minuspunkt, jede verdampfte Million bringt zwei Punkte. Im besten Fall beendet man das Spiel also bei einer 2-Spieler-Partie mit 200 Punken, im schlechtesten steigt man mit -100 aus. Je nach Einstellung werden nur Minuspunkte, Pluspunkte oder beides gezählt.
Taktisch besonders interessant ist übrigens der Office-Mode – hierbei läuft das Spiel in Echtzeit über maximal 6 Stunden – die DEFCON-Phasen 5 bis 1 laufen in unserer Pre-Release-Version allerdings in der schnellsten Geschwindigkeit ab – also gibts nach etwa 30 Minuten bereits massiven Atomwaffeneinsatz – das dürfte noch ein schnell behebbarer Bug sein.
Neben den bisherigen Lobeshymnen gibt es allerdings auch einige Kritikpunkte: insbesondere das Spielziel wird auf Dauer etwas langweilig. Alles atomisieren und selbst so wenig wie möglich atomisiert zu werden ist in der Tat etwas eintönig – da helfen auch die taktischen Möglichkeiten nicht sonderlich viel – ein bisschen mehr hätte ich mir schon erwartet. Insbesondere eine Art Missionsbestimmung wie im Brettspiel Risiko wäre fein – zb "vernichte Spieler X", "verteidige Stadt Y um jeden Preis", "vernichte Stadt Z vollständig" oder "setze als letzter Spieler Kernwaffen ein" – auch mehr verschiedene Landmassen und eine höhere Spieleranzahl wären wesentlich interessanter, taktische Bündnisse und Allianzen wären so weitaus wichtiger. Ideen für ein Addon oder DEFCON 2.
Wer schon immer mal einen Atomkrieg anzetteln wollte, sollte zugreifen – das Spiel ist spottbillig (14 Euro) und bietet eine Menge Spielspass. Die angesprochenen Ecken und Kanten könnte man möglicherweise nachträglich einbauen – kein Spiel ist perfekt, auch DEFCON nicht. Aber an Vieles wurde gedacht. So lassen sich z.B. alle Farben im Spiel verändern – jeder einzelne Farbwert ist variierbar – wem das selbst zu viel Arbeit ist, der kann einen der vorgefertigten Styles verwenden.