Es ist kalt und regnerisch an diesem Dienstagabend. Aber man ist es ja gewohnt als Aushilfsösi im hohen Norden. Etwa 150 Kilometer weiter südlich dürfte es nicht gerade viel besser aussehen. Dort sitzt Heiko Gogolin, seines Zeichens Chefredakteur der GEE und erwartet sehnsüchtig meinen Anruf. Pünktlich klingelt bei ihm das Telefon, was ihn hörbar freut: "Man ist ja fast schon ein bisschen Unpünktlichkeit gewohnt. Ich komme teilweise absichtlich zehn Minuten zu spät weil es einfach so üblich ist. Wir waren vor einiger Zeit zu einer Vorstellung vom Nintendo DS, da war ein Pressemeeting angesetzt. Sämtliche deutsche Journalisten waren auch da, nur die Kollegen und sogar die Pressebetreuerin kamen mit bis zu einer halben Stunde Verspätung. Wir konnten kaum fassen dass wir unser eigenes Klischee erfüllt hatten."
Sympathischer, redseeliger und nicht gerade blöder Mensch. Das weiß man schon nach einigen Sekunden. Heiko ist mit gerademal 33 Jahren noch ein junger Hund in der Branche. Die Karriere des studierten Kulturwissenschaftlers (in angewandter Kulturwissenschaft) bei der GEE geht nun knapp drei Jahre. Seit ca. elf Monaten besetzt er den Stuhl des Chefmännchens.
Während des Studiums arbeitet er für ein kleines Berliner Techno-Digital-Kultur-Magazin. Vom tristen Studentendasein hat er sich inzwischen natürlich verabschiedet. Von Universitäten aber nicht. Derzeit erfüllt er einen Lehrauftrag an der Universität Hildesheim. Nicht das erste Mal. So kennt man ihn an der Uni Lüneburg ebenfalls als einen kompetenten (Anmk. d. Verf.: das ist natürlich nur eine Vermutung) Lehrer. Er unterrichtet die Geschichte des Computerspiels und bringt heranwachsenden Journalisten, die sich für das Thema interessieren, bei, über jene zu schreiben.
Aber erstmal zum Anfang. Was ist überhaupt die GEE? GEE steht für Games, Entertainment und Education, also Spiele, Unterhaltung und Lernen – Moment, lernen? "Education sollte nicht lernen und lehren heißen, sondern eher, dass man beim durchblättern noch etwas mitnehmen kann. Und lernen und lehren finden halt ziemlich viele Leute unsexy und haben da nicht soviel Bock drauf. Dementsprechend ist der alte Claim dem neuen "Love for Games" gewichen, der halt doch eindeutiger und emotionaler ist."
Achtmal im Jahr stemmen die vier fest angestellten Redakteure das Heft, das mehr sein will als ein einfaches Re- und Preview-Blättchen. Es geht um Lifestyle mit einem Fokus aufs Spielen. Aber auch Filme, Musik und Gadgets werden geboten. Klingt nach Nerd? Ein bisschen vielleicht, mit dem aktuellen Layout will man aber von diesem Image weg. "Die erste Phase war eine minimalistischere Phase, viele Weißflächen, lange Strecken, viel Raum zum atmen. Dann gabs die richtig krasse Pop-Phase, eher japanisch und knallig bunt und jetzt halt die Lifestyle orientiertere Phase her, auch von der Optik." Man solle das Heft auch mal im Wohnzimmer auf dem Tisch liegen haben können, einfach um ein bisschen darin zu schmökern. Genauso siehts auch aus. Irgendwie edel mutet das Cover fast immer an. Wenig Text, viel Cover, keine Spielszenen wie in der Branche sonst üblich.
Es ist kein Geheimnis, dass die schreibende Gamesbranche ein klein wenig in der Krise steckt. Fast alle namentlichen Magazine mussten über die Jahre große Leserzahleneinbußen hinnehmen. Mit Ausnahme der GEE. Die ihrerseits legte enorm zu. Satte 21% bei den Einzelverkäufen, wahnwitzige 114% bei den Abonennten. Natürlich muss man bedenken, dass es bei relativ geringen Leserzahlen immer leichter ist große Zuwächse zu verzeichnen, dennoch beeindruckende Zahlen: "Ich denke unser Geheimrezept ist das, dass wir Inhalte bieten, die man nicht einfach so aus dem Netz herunterladen kann. Es ist immer schwierig sich mit anderen zu vergleichen und das möchte ich auch nicht so ausführlich tun, wir gucken auch nicht so genau auf die Anderen und das was sie machen, wir schauen eher auf uns und Magazine die weniger mit Spielen zu tun haben. Das große Geheimrezept ist aber eigentlich auch gar keines, denn was wir machen sind ganz einfache, ganz klassische journalistische Formen, die es seit einem Jahrhundert gibt: Die Reportage, das Portrait, lange Interviews in denen es eben NICHT nur um das neue Produkt geht sondern auch um den Menschen dahinter. Es geht eben nicht so sehr darum, ob es für die PS3 zusätzlichen herunterladbaren Content gibt oder ob eine XBox360-Version geplant ist, sondern die Frage, was einen Spieleschöpfer überhaupt noch motiviert wenn er schon drei Hits gelandet hat, ob Liebe in seinem Werk eine Rolle spielt und so weiter und sofort… Wenn man einen Peter Molyneux vor sich hat gibt es so viel Interessanteres zu erfahren als bloß die Grafikauflösung." Ja der Mann schweift bei dem Thema ab, es bewegt ihn, trotzdem kommt er wieder auf die eigentliche Frage zurück: "Wir haben außerdem lange Fotostrecken, was ja auch ganz klassisch für andere Magazine ist, für Spiele-Hefte aber eben nicht."
Dabei ist es nicht ganz einfach immer neue Ideen für "außergewöhnliche" Artikel zu finden. Das bedeutet knallharte und zeitintensive Arbeit: "Man muss halt einfach sehen was gerade so aktuell ist, man muss schauen wo sich Linien ziehen lassen usw. Das ist ein wesentlicher Teil unserer Arbeit. Wir sitzen teilweise Wochenlang an diesen Ideen. Auch die News vorne im Heft sollen nach Möglichkeit keine Sachen sein die man schon vor Wochen im Netz gelesen hat. Wir müssen sehen, dass wir interessante Interviewpartner kriegen usw. Das ist schon ein ziemlicher Aufwand, d.h. uns fliegen die Sachen nicht zu, streckenweise muss man dann einfach den Laptop zuklappen und nicht mehr in diversen Blogs surfen und sich irgendwelche Spiele angucken, sondern sich überlegen was momentan eigentlich geht."
Die GEE geht einfach Wege abseits der Norm, abseits des üblichen News/Previews/Reviews/Tipps-Schemas, und erntet damit einiges an Lob. Allerdings auch Kritik. Die GEE-Redakteure seien etwa arrogante Schnösel, ein Vorwurf den man so schwer glauben kann, spricht man mit einem von ihnen persönlich. Trotzdem, gerade wegen der Education im Namen und den teilweise arg persönlich geschrieben Themen erweckt der ein oder andere Artikel den Eindruck, die Redakteure wüssten es besser. Es sind Meinungen die kund getan werden, es wäre furchtbar wenn damit alle Welt einverstanden wäre. Mit Kritik kann man bei der GEE zum Glück umgehen, wenn sie konstruktiv und sinnvoll ist versucht man sie ins Heft einfließen zu lassen.
Eine Internetpräsenz ist übrigens auch vorhanden in Form eines Podcasts, eines GEE.TV und dem noch relativ neuen GEE.Display einem E-Paper der etwas anderen Art. In Zeiten von Web 2.0 kann man ohne weiteres von einem Heft 2.0 sprechen: "Natürlich wollen wir, dass der Name GEE mehr zirkuliert, denn es ist ja so dass wir nur acht mal im Jahr erscheinen, was relativ wenig ist. Dementsprechend haben wir uns überlegt was man um die GEE noch herummachen könnte. Wir haben keine Webseite wie sie die anderen haben was schlichtweg an der fehlenden Manpower. Außerdem machen schon genug Leute gute Websites. Die Sachen [Podcast, TV, Display] kommen auch nicht wirklich häufig, aber sie zirkulieren immer so um das Heft herum und kommen immer dann wenn das Heft nicht erscheint."
Rundum gesagt, es läuft derzeit gut für die GEE und das soll auch so bleiben: "Ich hoffe dass wir uns noch ein bisschen Steigern können was die Auflage anbelangt. Mitlerweile muss man ja schon zufrieden sein, wenn man seine Auflage hält."
Für alle diejenigen unter Euch die dabei behilflich seien wollen, sei gesagt, dass die neue GEE vor wenigen Tagen erschienen ist und für den üblichen Preis von 3,90€ erworben werden kann. Ein näheren Blick ist sie auf jeden Fall wert, gerade für Spieler die gern ein wenig über den Tellerrand blicken (Hey, ihr besucht gerade Rebell.at, genau das versuchen wir auch) und Spiele aus einer etwas anderen Betrachtung erleben wollen, sind hier gut beraten. Ich jedenfalls bin regelmäßiger Leser.
Jetzt seid ihr dran: Habt ihr die GEE schon einmal gelesen? GEEfällt der Artikel? Wollt Ihr mehr davon? Bei den Kommentaren ist genug Platz für alle, also hop!
Vielen Dank an Heiko Gogolin für das Interview
<a href="http://geemag.de/" target="_blank">Link: GEEmag.de</a>