You are doomed!

Wir schreiben das Jahr 2004 und befinden uns auf einem stinknormalen Schulhof: die Erstklässler spielen Abfangen, der Direktor trinkt am Buffet seinen Kaffee und die Nerds in der Ecke links hinten tauschen wie gewohnt die neuesten Filme, Musikalben und Games aus. Gebrannt natürlich! Denn wer hat schon genug Geld und ist blöd genug, um sich "das ganze Zeug" zu kaufen? – So sieht die praxisnahe Schreckensvision der Industrie aus. Aber wo liegen die Gründe und wer sind die Verlierer? Wir begeben uns auf eine Suche durch den Dreck!

Musikbranche: Fehler der Wirtschaft

Was tut ein typischer Mensch des 21. Jahrhunderts, wenn mal etwas nicht so läuft, wie er es gerne hätte? Er gibt die Schuld einfach zur Gänze an jemand anderen weiter. Jahrelang hat die Musikindustrie es versäumt, einen legalen Musik-Handelsplatz über das Internet zu etablieren. Tauschbörsen wie Napster wurden verklagt, ihre Reputation vollkommen zerstört, und sie später plötzlich als kostenpflichtiger Dienst wiedereröffnet. Natürlich konnte das nicht den gewünschten Erfolg bringen, und so entschied man sich doch dazu, eine legale Alternative anzubieten. Im März dieses Jahres startete nach einer längeren Verzögerung wegen Streitigkeiten unter den größten Plattenlabels doch noch das deutsche Online-Portal „<a href="http://www.phonoline.de/" target=“_blank“>Phonoline</a>“.

Aber schon zu Beginn zeigen sich ettliche Schwierigkeiten: Das Angebot weist gravierende Lücken auf, die beispielsweise Der Spiegel Online <a href="http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,294084,00.html" target=“_blank“> aufdeckte</a> und rechtliche Schwierigkeiten gibt es zudem auch noch – weshalb übrigens der deutsche Bundeskanzler Schröder einen Rückzieher machte, als er offiziell den ersten Song herunterladen sollte. Außerdem sind die Preise der beiden einzigen deutschen Shops, die das Phonoline-System nutzen, mit 0,99 bis 1,49€ pro Titel alles andere als preiswert. Zwar dürften die Songs auf CD durchschnittlich immer noch leicht teurer sein, allerdings fallen beim Verkauf über das Internet ja auch die Kosten für Datenträger, Transport, sonstige Logistik und das Cover weg. Angesichts dieser etwas schiefen Relationen, ist es schon fast lustig, dass aus den USA bereits erste Töne erklingen, wonach man die Preise dort fast verdoppeln will. Was hilft es angesichts solcher Zustände, dass von der offiziellen Phonoline-Website der Satz „Legale Musikdownloads sind das Geschäftsmodell der Zukunft“ prangt?

Weil das alles nicht so toll funktioniert, wie es sich die Industrie vorgestellt hat, versucht man es anstatt mit einer Aufklärungs- oder Werbekampagne für Phonoline, also zusätzlich noch damit Panik unter den Tauschbörsenusern zu verbreiten. Kürzlich wurden unter enormen medialem Aufwand 68 deutsche Täter verklagt. Höhnisch lachen Kritiker über diese Aktion und meinen, die Industrie würde noch viel Spaß damit haben, jeden Benutzer von Kazaa & Co. zu verklagen.

Interessant auch zu sehen, dass es innerhalb der Branche immer wieder dazu kommt, dass Künstler und Plattenfirmen sich wiedersprechen. So haben Größen wie Robbie Williams öffentlich zum illegalen Download von Musik <a href="http://www.heise.de/newsticker/meldung/33792" target=“_blank“>aufgerufen</a>, andere Gruppen (z.B. Metallica) aber auch in die Klagewelle mit eingestimmt.

Filmbranche: Hart aber gerecht

Etwas schwieriger verhält es sich für die Filmindustrie. Eine legale Download-Alternative zu den Warez-Seiten zu schaffen, ist nicht nur technisch ungleich problematischer, sondern auch sonst eigentlich schwerer machbar. Oft tauchen Filme bereits Wochen vor den offiziellen Kinostarts in Tauschbörsen auf – und damit auch viele Monate vor deren Release auf DVD oder VHS, dem eigentlichen Hauptgeschäft der Branche. In den USA gibt es nun trotz der Schwierigkeiten konkrete Überlegungen, eine legale Downloadmöglichkeit zu schaffen, die sofort nach der Kinoverwertung der Movies zum Tragen kommen würde.

Hierzulande versucht die deutsche Branche mit einer sehr kontroversen Kampagne, die sie unter dem Titel „Hart aber Gerecht“ mit äußerst heiklen Werbespots im TV und provokativen Plakaten auf den Straßen führt, ein größeres Unrechtsbewusstsein zu schaffen. Auch eine schärfere Ausreizung der rechtlichen Möglichkeiten wurde angekündigt, was im Klartext wohl bedeutet, dass man auch in der Filmbranche die Panikmache als wichtiges Instrument benutzen will.

Zusätzlich versucht man auf <a href="http://derstandard.at/?id=1597774" target="_blank">politischem Wege die Reaktionsmöglichkeiten zu erhöhen</a>, indem man Gesetze fordert, die beispielsweise Internetprovider zur Herausgabe gewisser Daten zwingen. Bei der Strafverfolgung sollen zukünftig digitale Wasserzeichen dafür sorgen, dass eine Raubkopie leicht zurückverfolgt werden kann.

Spielebranche: Vielzahl an Faktoren

Vollkommen hilflos gegenüber dem Kopier-Problem wirkt die Software- bzw. im speziellen die Spieleindustrie. Nur zaghaft versuchen einzelne Entwickler wie Valve (scheitert bislang aber an der Technik und dem mangelnden Angebot) das Internet als Vertriebplattform einzusetzen, auch hier fehlt also eine legale und bequeme Altermative zu den illegalen Möglichkeiten. Außerdem treibt man durch fragwürdige Aktionen auch weiterhin ehrliche User zum falschen Weg, Games verstärkt zu kopieren. Seit Jahren klagen Spieler darüber, dass die Preise von Computerspielen ungerechtfertigt ansteigen, und beklagen die Entwicklung, dass der Service immer schlechter wird. So wissen wir alle, dass Bugs und vermeidbare Inkompatibilitätsprobleme in Verkaufsversionen keine Seltenheit mehr sind. Oftmals kommen sich die Käufer wie Betatester vor, und müssen manchmal erst auf Patches warten bis ganze Features nachgereicht werden, die auf Packung versprochen wurden. In manchen Fällen (wie z.B. Anno 1503) erfolgt der Release dieser Updates gar nie.

Höhere Preise, "schlechtere" Qualität – denkbar ungünstige Voraussetzungen für ein Eindämmen der Warez-Szene. Hinzu kommen aber noch andere Faktoren. So verlor ein Spiel für viele Käufer durch die Einführung der DVD-Box auch irgendwie seine Wertigkeit. Klar, die großen Papp-Schachtel waren unpraktisch und brauchten viel Platz, aber das Gefühl eine kleine, Hosentaschen-große Plastikbox um 45 bis 50 und mehr Euro zu erstehen, kommt immer dem nahe, dass man gerade sein Geld verschwendet hat. Unterbewusst spielt das womöglich eine Rolle. Vergleichbar mit dem Gefühl, dass man lieber ein großes als ein kleines Paket unter dem Christbaum liegen haben will – ungeachtet dessen ob der Inhalt sich unterscheidet. Das tut er allerdings ebenfalls wie das Fehlen ordentlicher Handbücher, zusätzlicher Nettigkeiten (Goodies etc.), das ständige Sinken der tatsächlichen Spielzeit und Kopierschutzprobleme zeigen.

Auch das Angebot an Spielen wird immer größer: Zeitgleich erscheinen zahlreiche Top-Seller wie Black Mirror, The Westerner, Splinter Cell 2, Unreal Tournament 2004 oder Battlefield Vietnam und viele mehr. Das Geld für das alles KANN gar niemand haben, zumal ja auch die Hardwareanforderungen immer schneller steigen und das Aufrüsten der Rechner ebenfalls viel Geld verschlingt. Natürlich sollte ein Spieler dann einfach auf den Kauf verzichten, oder ihn zumindest so lange aufschieben, bis er genug gespart hat, aber das würde die Verkäufe der Industrie im Endeffekt auch nicht ankurbeln. Zusätzlich herrscht nunmal ein Mangel an Unrechtsbewusstsein unter den Benutzern. Die Chance erwischt zu werden ist klein, Opfer scheint es für viele gar nicht zu geben – die wenigsten Kopierer wissen um den finanziellen Aufwand, den die Entwicklung und Vermarktung eines Spiels mit sich bringt. Hier müsste die Branche aufklären.

Problem User: Viele faule Ausreden

In allen drei Problembereichen der Unterhaltungsindustrie ist es sehr einfach der jeweiligen Branche den schwarzen Peter zuzuschieben, aber das wäre unzulässig. Denn ein gewichtiger Teil des Problems liegt bei den Usern selbst. Sie merken oft gar nicht welchen Schaden sie anrichten, aber wir wissen, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt. Außerdem werden in den meisten Fällen faule Ausreden benutzt: "Ich habe nicht das Geld um mir alles zu kaufen.", "Die Musik-CDs sind viel zu teuer", "Das Spiel ist es mir nicht wert, dass ich Geld ausgebe." – in Diskussionen mit Kopierern wird man so etwas immer wieder hören. Nur sind diese Aussagen einfach billige Versuche, sich aus der Affäre zu ziehen. In all diesen und sämtlichen anderen Fällen muss man ganz einfach auf den Konsum der Ware verzichten. Ich als gut-verdienender Rebell-Chefredakteur kann mir auch keinen Mercedes klauen, nur weil ich nicht die Kohle habe, mir einen als Zweitauto neben meinem Porsche zu kaufen.

Die Verlierer

Raubkopieren ist und bleibt Diebstahl, das muss jedem klar sein, der Filme oder Musik aus dem Internet lädt, und seine Spiele mal eben beim Kumpel ausleiht und auf einen CD-Rohling heizt. Es gibt Opfer, und das sind nicht nur reichen Vorstandsmitglieder, bei denen es einem schon von Natur aus nicht so leid tun würde. Es sind auch Musiker, Spieleentwickler, Schauspieler, Kameraleute, Kinobetreiber und viele, viele andere Berufssparten in denen ganz "normale" Menschen ihr tägliches Brot verdienen. Aber es sind auch die Konsumenten: Die ehrlichen Käufer müssen die Preiserhöhungen durch den Umsatzrückgang tragen oder die Konsequenzen niedrigerer Entwicklungsbudgets erdulden (geringere Qualität und Quantität).

Ich selbst befürworte die Klagewellen der Industrie keineswegs, halte Panikmache sogar für eine äußerst miese Vorgehensweise. Aber man darf auch nicht außer Acht lassen, dass das ebenfalls ein Zeichen der Ohnmacht gegenüber einem scheinbar längst aus allen Fugen geratenen Problem ist – noch dazu ist das alles völlig legitim und rechtlich meistens gesichert. Aber nur wenn die Branchen bequeme, preislich angemessene und ernstzunehmende Alternativen zu den kostenlosen aber illegalen Internet-Tauschbörsen und sonstigen Warez-Umschlagplätzen schaffen, und gleichzeitig das Bewusstsein der Menschen für die Auswirkungen fördern können, wird es langfristig zu einer Lösung kommen.

Andererseits dürfen sich aber auch die User nicht einfach von aller Schuld reinwaschen, über die "böse" Industrie schimpfen und eifrig weiterkopieren. Wenn ein Produkt – egal ob CD, Spiel, Software oder Film – euer Verlangen, es zu haben, weckt, dann kauft es oder lasst es schweren Herzens liegen. Sollte die Industrie dann noch über schwächelnde Absatzzahlen meckert, muss sie den Fehler wenigstens bei sich selbst suchen, Grund genug hätte sie auf alle Fälle auch jetzt schon dazu.

<li><a href="http://forum.rebell.at/viewtopic.php?t=1696" target="_blank">Diskussion im Rebell-Forum</a></li>

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