Der CEO von Runestone Game Development spricht über das dänische MMORPG ’Seed’, in dem es kein Kampfsystem und keine Standard-Quests geben wird. Funktioniert nicht? ’WoW’ & Co. sind die Speerspitze, dessen was an Innovationen möglich ist? Dann solltet ihr weiterlesen, was ’Seed’ möglicherweise dazu als durchaus sehr interessante Alternativen anzubieten hat – und für wen genau das Online-Rollenspiel geeignet sein könnte.
Hallo Lars! Auf eurer Website schreibt ihr, dass ihr seit 2001 an ‘Seed’ mehr oder weniger intensiv arbeitet. Wie konnte sich Runestone Game Development über diese lange Zeit finanziell über Wasser halten?
In der Entwicklung sind wir eigentlich seit dem Sommer 2003 und traten erst später im betreffenden Jahr als Firma auf. Wir werden durch Risikokapital und Investoren finanziert. Überlebt haben wir durch unsere schiere Dickköpfigkeit, vermute ich. (lacht) Doch als wir uns unseren Investoren präsentierten, war uns schon klar, dass dieses Projekt einige Zeit und Geld beanspruchen würde. Diese Überlegungen flossen dann in die Planung und die Budgets usw. ein. Bislang war es uns immer möglich, im Rahmen der Budgets zu bleiben. Hinsichtlich der Planung sind wir nur leicht im Verzug.
Warum habt ihr für den Hintergrund ein Science-Fiction-Setting verwendet?
Die Wahl für ein Science-Fiction-Setting kam, weil wir ein stark rollenspielorientiertes [MMORPG], aber kein MMO mit Kampfsystem wollten …
… trotz des offensichtlich sehr, sehr populären Fantasy-Genres inklusive Schwertern und Tolkien-Monstern?
Ohne ein Kampfsystem wird Fantasy bezeichnenderweise weniger interessant, während andererseits ein Spiel über Wissen, Handwerk und Forschung sich sehr gut in ein Science-Fiction-Setting einfügt.
Apropos Schwerter: Wie du gerade sagtest, verfügt ‘Seed’ über kein Kampfsystem. Also keine Elfen, Zwerge, Drachen – und keine Kämpfe. Was steckt hinter euren Überlegungen dazu. Oder seid ihr einfach nur verrückt?
Wir sind schon ziemlich verrückt. Das hilft einem in diesem Geschäft. Wir sind jedoch nicht so verrückt, um zu denken, dass wir Sony und Blizzard auf ihrem eigenen Schlachtfeld schlagen könnten. Deswegen haben wir uns dazu entschieden, dass wir ein Spiel wollen, welches sich primär an Rollenspieler und sekundär an Handwerker ausgerichtet ist. Außerdem ist es ein Spiel, das wir selbst unbedingt machen wollen. Würden wir ein Kampfsystem einbauen, würden wir riskieren, dass der Schwerpunkt weg von Rollenspiel und Handwerk gehen könnte.
Des Weiteren hoffen wir durch die Konzentration auf soviel Rollenspiel wie nur möglich, viele passionierte Rollenspieler anziehen zu können. Diese dürften zu einer rollenspielorientierten Community beitragen. Uns ist schon klar, dass wir möglicherweise niemals hunderttausende Spieler haben werden. Trotzdem brauchen wir das nicht, um im Geschäft zu bleiben. Wir würden von potentiellen 30-40.000 Spielern lieber zu 100 Prozent für alle diese ansprechend sein, als nur für die Hälfte von 200.000 Spielern.
Okay und welche anderen Aktivitäten außer Kämpfen bietet ihr denn nun den Spielern an? Ihr möchtet ja nicht einmal Standard-Quests einbauen.
Nun in ’Seed’ geht es darum, die Kolonie am Laufen zu halten, ein Teil dieser Kolonie zu sein und die Entwicklung der Spielwelt zu beeinflussen. Die Spieler können daran teilhaben, indem sie kaputte Sachen reparieren, Gegenstände und Komponenten herstellen, die andere Spieler oder NPCs benötigen, neue Dinge erforschen oder erfinden. Oder sie schlagen eine politische Karriere ein, um einen demokratischen Machtapparat zu errichten.
Den Spielern ist es also wirklich möglich, die Spielwelt zu verändern? Wie sieht das aus?
Spieler können die Welt auf vielen Ebenen verändern. Ein vernachlässigtes Reparaturproblem kann sich zum Beispiel verschlimmern und Verschmutzungen verursachen, die von Spielern kontrollierte Maschinen zerstören können. Dies kann weitere Verunreinigungen nach sich ziehen, die wiederum weiteren Maschinen schaden kann. Dieses Schneeballsystem wurden exakt in die grundlegende Dynamik der Welt eingebaut, um den Leuten es zu ermöglichen, Einfluss auf die Spielwelt zu nehmen. Wenn sie kaputte Dinge auf ein Minimum reduzieren, wird das eine Auswirkung auf ihre gesamte Produktivität haben.
Ein anderes Beispiel sind die Verwalter: Diese werden für die Dauer von einer Woche gewählt. Während sie in ihrem „Büro“ sind, hat der Verwalter Zugriff auf einige Maschinen, die von der gesamten Community benutzt werden. Der Verwalter kann diese Maschinen auch anpassen, was für jeden einzelnen Benutzer einen dauerhaften Effekt hat. Eine größere Auswirkung haben Projekte, an denen sich die Spieler beteiligen können, und die Eigenschaften aller Maschinen in einer Zone verändern können. Zum Beispiel, um sie mit mehr Energie für eine höhere Kapazität für die Müllbeseitigung zu versorgen.
Auf einer noch höheren Ebene können Produktionsprojekte neue Gebiete erschließen, wenn dafür nicht benutzter Platz im Colony-Tower reklamiert wird. Je größer der Effekt eines Projekts ist, desto mehr Leute und Anstrengungen sind dafür natürlich vonnöten. Einige Projekte zwingen die Beteiligten außerdem dazu, politische Unterstützung für das Projekt zu gewinnen.
Lass uns noch einmal auf den Hintergrund von ‘Seed’ zurückkommen. Wir hörten etwas von interaktiven Storys. Was ist denn so interaktiv an ihnen?
Storys beeinflussen die Spielwelt und werden durch die Spielwelt beeinflusst. So könnte zum Beispiel ein NPC-Forscher Blutproben benötigen, die ihm dabei helfen können, ein Heilmittel für eine Krankheit zu entwickeln. Der Forscher wird nur nach diesen Blutproblem fragen, solange kein Heilmittel für diese Krankheit gefunden wurde. Sobald der NPC ausreichend Blutproben gesammelt hat und bestimmte andere Storys außerdem abgeschlossen wurden, kann die Krankheit möglicherweise ausgerottet werden. Der NPC wird dann in diesem Fall an etwas anderem interessiert sein.
Was würdest du einem unentschlossenen Spieler sagen, warum er gerade ‘Seed’ spielen sollte und nicht ‘World of WarCraft’, ‘EverQuest 2’ oder die anderen Mainstream-MMORPGs?
Das hängt davon ab, warum er unentschlossen ist. (lacht) Ich würde ’Seed’ nicht einem Hardcore-PVP-Fantasy-Kampfsystem-Enthusiasten empfehlen, der nicht auf Rollenspiel steht. Genauso wenig würde ich ’Seed’ einem FPS-Spieler nahe legen. Wenn du Kämpfe oder Schinderei magst (was ich übrigens gelegentlich selbst mache), dann spiel ’WoW’ oder ’EverQuest’. Wenn du jedoch auf Rollenspiel, Science-Fiction und überzeugende Stories stehst, dann gib ’Seed’ eine Chance. Ich glaube, wir machen einige Dinge ganz anderes als bei anderen MMOs. Wer weiß, vielleicht entspricht ’Seed’ deinem Geschmack.
Habt ihr eigentlich vor, ‘Seed’ auch außerhalb von Europa zu veröffentlichen?
’Seed’ wird zunächst in Nordamerika und Europa [im April] veröffentlicht. Abhängig vom Erfolg und einer Million andere Dinge, könnten wir [das Spiel] ebenso in anderen Ländern herausbringen.
Und in welchen Sprachen wird es lokalisiert werden?
Anfangs wird der Client nicht lokalisiert, die offizielle Sprache wird deshalb Englisch sein. Da unser Ansatz nur einen Spielserver vorsieht, macht eine Übersetzung des Clients nicht soviel Sinn. Aber abhängig vom Erfolg und wenn wir in andere Sprachgebiete vorstoßen wollen, könnten wir lokalisierte Clients in deutscher, französischer oder spanischer Sprache hinzufügen. Gerade haben wir unsere Community-Site auf französisch und deutsch lokalisiert.
Lars, danke für das Gespräch!