Über Kollateralschäden

Seit "Erfurt" war es nicht mehr so aktuell in Politik und Medien über Computerspiele herzuziehen wie es derzeit wieder der Fall ist. Schon vor zwei Jahren war das Problem an der Kontroverse, dass eine echte, konstruktive Debatte über die ganze Problematik mit Gewaltdarstellung und auch asozialen Aspekten des Gamings durch die primitive Polemik von Volksvertretern und Fremd-Medien verhindert wurde. Auch wenn wir Gamer aufklären wollten, wir wurden nicht gelassen. Wie sieht es nun heute aus?

Erst kürzlich strahlte der öffentlich-rechtliche deutsche Sender ZDF einen Beitrag zum Thema Videogemetzel im Kinderzimmer in der Sendung Frontal 21 aus. Einschlägige Foren, also jene in denen sich Computerspieler böserweise tummeln, reagierten empört. Unser Hobby würde kriminalisiert werden, der Bericht wäre nicht objektiv, nein gar verhetzend. Autor Rainer Fromm wurde von vielen Seiten ins Kreuzverhör genommen und versuchte sich mit teilweise lächerlichen Argumenten zu rechtfertigen.

Wenn er sich in einem Satz gegenüber Krawall.de soweit hinaus lehnt Spieler mit Sektenmitgliedern zu vergleichen, die Gaming-Kultur als destruktiv zu bezeichnen, und im selben Atemzug versucht zu differenzieren, dass dies selbstverständlich nur für eine Minderheit der angesprochenen Gruppe gelte, kann er nicht erwarten, dass er nur gemäßigte Reaktionen erhält. Im Gegenteil, durch diese Vorgehensweise verhindern die Massenmedien seit Jahren eine durchaus wichtige Erkenntnisgewinnung bei uns Spielern. Sie treffen mit ihrer polemisch-hetzerischen Berichterstattung sogar die falschen Leute, was die Diskussionen noch kurioser macht.

Wenn man in einem Fernsehbericht hört, die Gewaltdarstellung in Spielen wie Doom3 sei gefährlich für uns Zocker, nimmt man an, der Autor würde vorrangig jene Leute ansprechen, die sich sehr viel mit solchen Titeln auseinander setzen. Hardcore-Gamer fühlen sich missverstanden und isolieren sich gegenüber dem in ihren Augen nutzlosen Diskurs ab. Nicht jeder hat dann eine anständige Diskussionskultur mit auf den Weg bekommen, wilde Wortmeldungen werden dann erspäht, die teils völlig überzogen sind und wirklich zu denken geben. An dieser Stelle kritisierte ich schon vor einiger Zeit, dass man unser Hobby nicht zur Religion hochstilisieren sollte (was manche sicher tun, siehe Kolumne: "Spielen: Eine Religion?"), es soll doch einfach nur Spaß machen.

Jetzt kommt das Erschreckendste: Vermutlich haben die Medien und Politiker sogar Recht wenn sie Bedenken gegen gewisse Arten von Spielen äußern. Manches ist nicht harmlos, und gehört definitiv nicht in die Hände von unter 16- oder 18-jährigen. Problematischerweise fühlen sich aber die Falschen zu potentiellen Amokläufern abgestempelt. Wer sich seit Jahren auf Doom 3 gefreut hat, wollte das Spiel nicht wegen der Metzeleien. Im Gegenteil, jene Fans die sich von id schon im Vorfeld interessieren ließen (also auf die ein oder andere Art so gut wie jeder engagierte Spieler), waren vom Gameplay zumeist ziemlich enttäuscht. Da hilft auch das schön inszenierte Kettensägen-Massaker gegen die Höllenkreaturen nichts – es lässt einen echten Zocker einfach kalt, genauso wie er in GTA höchstens kurz wild ballernd durch die Stadt rennt und recht schnell das richtige Spiel beginnen wird.

Anders allerdings die Gelegenheits-Zocker, die sich mit dem Thema nicht beschäftigen. Jene die von Spielen im Vorfeld nur wissen, dass sie ihre Raubkopie in die PlayStation legen müssen und dannach die Bewohnerschaft von Vice City ausradieren dürfen. Es stößt sogar mir (als Spieler seit fast 15-Jahren) mulmig auf, wenn ich einen 14-jährigen sehe der "Geil" schreit weil eine Blutfontäne aus dem Kopf eines Passanten spritzt (wie bedenklich es wirklich ist, ist ein anderes Thema). Diese Leute interessiert die Diskussion die Frontal 21 losgetreten hat nicht, sie denken, dass die nerdigen Hardcore-Spieler gemeint sind und zucken obendrein vielleicht noch mit den Schultern, weil es ja wahr sein könnte was der Typ im Fernsehen sagt.

Die Inkompetenz der Medien und Politik eine sicherlich berechtigte Debatte so zu starten, dass die betroffene Gruppe sich nicht schon ab der ersten Sekunde in der Verteidigung wieder findet, verhindert adäquate Lösungen, schafft einen Graben zwischen den schon harten Fronten der beteiligten Parteien. Wir die wir wissen, dass unser Hobby uns nicht schadet, müssen aber auch erkennen, dass es nicht bewiesen ist, dass andere davon unbeeinflusst in ihrer Entwicklung bleiben (sowie auch das Gegenteil nicht sicher ist). Wir müssen den Diskurs zulassen und unsere Standpunkte sachlich erklären, anstatt uns von Hetz-Reportagen zu überzogenen Emotionen, Beleidigungen oder nutzlosem Schweigen hinreissen zu lassen, die an unserer Glaubwürdigkeit kratzen. Wir müssen besser sein als die polemischen Redensführer der "Gegenseite". Wir können vielleicht einen weltfremd erscheinenden Politiker namens Beckstein mit durchdachten Argumenten nicht überzeugen, wohl aber unser soziales Umfeld. Und das (und teilweise auch wir selbst) wählt schlussendlich jene Leute und konsumiert jene Medien, die für den Jugendschutz und das Image unseres Hobbies verantwortlich sind. Ein überzeugender Leserbrief in einer Zeitung erreicht mehr als man denken würde, das Posting in einem Forum das nur Spieler lesen hingegen kann uns bestenfalls vorgehalten werden, falls es über die Stränge schlägt. Die Gegenseite scheint für eine intelligente Diskussion nicht reif genug, machen wir den ersten Schritt und zwingen wir sie genau dazu…

Cool? Dann erzähl doch anderen davon! Danke! :)