Ich mag düstere, futuristische Städte, deshalb bin ich zum Glück schon über die Screenshots auf Technobabylon aufmerksam geworden. Das Adventure im pixeligen Retro-Look entpuppte sich als weiterer Qualitätsbeweis von Wadjet Eye Games (Shiva, Blackwell-Serie, Gemini Rue) das seiner imposanten Ludographie eine weitere Genre-Perle hinzugefügt hat.
Eine künstliche Intelligenz bestimmt das Leben und die Sicherheit der Stadt Newton am Ende des 21. Jahrhunderts. Viele Organisationen und Gruppen würden einiges dafür geben, sie beeinflussen zu können. Menschen sind längst genetisch verändert, können praktisch direkt über ihr Hirn in eine Virtual-Reality-Form des Internets eindringen. Essen kommt aus dem proprietären 3D-Drucker, der in jeder Wohnung an der Wand hängt. Politiker lassen sich mentale Blockaden einsetzen, um nicht lügen zu können. Roboter sind zum Teil kaum noch von Menschen zu unterscheiden. Die Welt hat Nuklearkriege erlebt. Es ist ein faszinierendes Szenario für alle möglichen Geschichten rund um politische Intrigen, ethische Dilemma und natürlichwie immer: persönliche Konflikte.
Behutsam geschriebene Charaktere
Mittendrin schlüpfen wir abwechselnd in die Rolle von drei Protagonisten: Einen altmodischen Cop, seine tech-affine Partnerin und eine arbeitslose Online-Süchtige. Diese sind glaubwürdig geschriebene Charaktere, deren Motivation stets nachvollziehbar vermittelt wird. Allgemein haben die Entwickler die Narration ziemlich gut hingekriegt. Die geglückte Erzählstruktur aus aktueller Handlung und erklärenden Rückblenden fügt sich unaufdringlich zusammen und verwebt die Protagonisten immer weiter miteinander. Wendungen kommen überraschend, das Tempo ist hervorragend getaktet.
Zwischendurch gibt uns Technobabylon auch die gekonnte Illusion von bedeutsamen, moralischen Entsdcheidungen, die aber nur im Detail Auswirkung auf die Geschichte haben, ehe man ganz zum Schluss dann sogar mit zwei unterschiedlichen Enden belohnt wird (die dazugehörige Geschicht-Gabelung kommmt aber auch erst kurz vor dem Finale).
Abwechslungsreiche Puzzles
Die aktuellen Handlungsumgebungen sind nie allzu groß, sodass man sich seiner Aufgabe so gut wie immer klar bewusst ist und mit kurzen Wegen zu Rätsellösungen kommt.Die Rätsel sind großteils toll gemacht, logisch aber doch auch fordernd. Obwohl wir allerhand futuristische Technologie einsetzen müssen, schafft es Technobabylon scheinbar mühelos, auch deren Funktionsweise verständlich zu machen und sie in den Puzzles gekonnt einzusetzen. Man hat nach einem erknobelten Fortschritt oft das befriedigende Gefühl, etwas geschafft zu haben, statt wie so oft sonst nur ein Script abzuarbeiten. Erst ganz am Schluss, kurz vor dem großen Finale, ist den Entwicklern mit einem einzelnen, viel zu abwegigen Rätsel ein Ärgernis passiert.
Wer möchte, kann in den raffiniert geschriebenen Dialogen eine ganze Menge etwas mehr über die Welt und vor allem die von der Handlung betroffenen Personen erfahren. All das ist obendrein in guter Qualität vertont. Das geht so weit, dass ihr an einer Stelle sogar eine längere Kontaktliste von für die Story uninteressanten Personen durchtelefonieren könnt, die allesamt mit eigenen Stimmen versehen wurden. Grafisch gefällt mir der Retro-Look ziemlich gut, obwohl man mit einer 640x480er-Auflösung wahrscheinlich nur noch wenige Menschen begeistern kann. Hintergründe sind detailliert gezeichnet und ebenso wie die bewegten Charaktere ansprechend animiert.
Erwachsene Unterhaltung
Technobabylon versucht aktuelle ethisch-technische Fragen weiterzudenken und ist, wie ihr euch vorstellen könnt, nicht nur visuell sondern in seiner allgemeinen Tonalität düster. Es ist stellenweise brutal, auch die Protagonisten wenden Gewalt an und können an manchen Stellen sterben (Safegame-Orgien sind dennoch unnötig, man respawned meist unmittelbar vor der Entscheidung, die dazu geführt hat). Dass diese Brutalität nie nur als billiger Schockeffekt eingesetzt wird, sondern sich schlicht in ein stimmiges Gesamtbild fügt, zeichnet Technobabylon aus. Es ist ein sehr erwachsenes Spiel und Adventure-Fans sowie Freunden von guter Computerspiel-Narration sehr zu empfehlen.
Technobabylon ist vorerst nur für Windows-PCs erschienen und in allen möglichen Stores zum Preis von etwa 15 Euro oder weniger zu haben.