Spielen macht schlecht.

„Mir wird schlecht beim Spielen“, erzählt uns Michael. Nicht aber im übertragenden Sinne, weil die Spiele so langweilig wären, sondern ganz real: Schwindel, Übelkeit, manchmal auch Kopfschmerzen, Desorientiertheit. Michael ist 24 Jahre alt, spielt seit Anfang der 90er Computer- und Videospiele und ist eigentlich vollkommen gesund – aber er leidet unter einem Phänomen, das immer mehr Spieler betrifft: Motion Sickness oder auch „Gaming Sickness“.

Auge gegen Ohr
Gaming Sickness, das ist eine ganz ähnliche Erfahrung, wie sie viele bei einer Schifffahrt machen, und auch die Ursache ist im Prinzip identisch. Während der Gleichgewichtssinn die Auf- und Abbewegung des Schiffes auf dem Wasser wahrnimmt, bekommt das Auge, sofern sich derjenige im Inneren des Schiffes befindet, nichts davon mit. Einen „Cue Conflict“ nennt man das: Der Körper kann die unterschiedlichen Eindrücke von Auge und Ohr nicht miteinander in Einklang bringen und reagiert darauf häufig mit den genannten Symptomen. Bei Spielen ist es natürlich andersherum: Während das Auge eine Bewegung meldet, sagt das Gleichgewicht, dass der Körper stillsitzt, und schon ist das Durcheinander perfekt.

„Ego-Shooter sind am Schlimmsten“
Michael erinnert sich noch genau an das erste Mal, als er Gaming Sickness bei sich beobachtet hat: „Das war bei ‚Duke Nukem 3D‘ damals. Ich war bei einem Freund, wollte spielen und nach ein paar Minuten hat sich bei mir alles gedreht. Ich hab’s dann irgendwie durchgestanden, weil es mir damals peinlich war, und immer wieder gegähnt, um unauffällig nach Luft zu schnappen. Aber von Shootern habe ich danach erst einmal die Finger gelassen.“

Gaming Sickness tritt tatsächlich am häufigsten bei Ego-Shootern auf, wo das Gefühl, sich selbst zu bewegen, durch die Ich-Perspektive naturgemäß am stärksten ist: „Je mehr es auf dem Bildschirm wackelt, desto schneller muss ich aufhören", fügt Michael an. "Ich spielte solche Spiele dann nur noch maximal eine halbe Stunde am Stück, weil ich sonst den ganzen Tag zu nichts mehr zu gebrauchen war. Manchmal ging es sogar noch länger, dass es sich mir selbst am nächsten Morgen noch drehte.“

Kein klares Muster
Was alles in das Auftreten der Symptome hineinspielt, ist noch weitgehend unerforscht. Man sagt, das Alter sowie die Erfahrung eines Spielers und nicht zuletzt der Realismus der Simulation hätten einen Einfluss darauf, wie stark oder ob überhaupt Gaming Sickness auftritt. In wie weit das stimmt, können wir nur abschätzen: Es gibt Spieler, die monatelang jeden Tag mehrere Stunden ‚Counter-Strike‘ oder ‚Unreal Tournament‘ ohne jegliche Probleme gespielt haben, gleichzeitig mit Titeln wie ‚NOLF‘ oder ‚SiN‘ nicht zurechtkamen, obwohl die optischen Unterschiede gering sind.

Michael glaubt, dass es irgendwie mit der Technik zusammenhängt, mit der verwendeten Engine vielleicht, denn in letzter Zeit wird ihm nicht mehr nur bei Ego-Shootern schlecht, sondern verstärkt auch bei Titeln, in denen aus der Third-Person-Perspektive gesteuert wird: „’Billy Hatcher and the Giant Egg‘ war so ein Beispiel. Das sieht auf den ersten Blick aus wie ein ganz gewöhnliches Jump’n’Run, aber nach ein paar Minuten hatte ich echt genug davon. Es spielt sich etwas schneller als die meisten anderen, aber ob’s allein daran liegen kann?“

Mangelndes Interesse
Schätzungen gehen davon aus, dass gut ein Drittel der Spieler von Gaming Sickness betroffen ist, möglicherweise sogar noch mehr. Und: Je mehr Gelegenheitsspieler es gibt, desto größer wird die Zahl zweifellos werden, weshalb es im Interesse von Entwicklern und Publishern liegen sollte, das Phänomen näher zu untersuchen: Wann tritt Gaming Sickness häufig auf, wann seltener, welche Engines sind verträglicher, welche weniger? Gibt es vielleicht einen Weg, das Auftreten ganz zu vermeiden? Leider scheint das Interesse an der Thematik aber noch nicht sonderlich groß zu sein; zumindest die drei wichtigsten und sonst so mitteilungsbedürftigen Hersteller von 3D-Engines wollten uns gegenüber keine Stellung zu dem Thema beziehen. „Wir sind uns eines solchen Problems nicht bewusst“, war das Beste, was wir einem entlocken konnten.

Schade, denn ohne Frage gibt es noch mehr Spieler wie Michael, die dann die einzig logische Konsequenz ziehen: „Ich spiele schon seit einer Weile fast keine Ego-Shooter mehr. Hier und da mal mit meinen Freunden noch eine Runde ‚Counter-Strike‘, bei dem mir auch heute noch nicht schlecht wird, aber nachdem ich bei ‚Far Cry‘ und ‚Half-Life 2‘ regelrecht verzweifelt bin, lasse ich von dem ganzen modernen Zeug lieber die Finger.“

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