Ja, es gibt sie noch: EgoShooter, deren Handlung sich nicht auf die klassische Formel „verteidige die Welt gegen das Böse“ reduzieren lässt. UbiSofts neuer Titel Haze gehört zu dieser seltenen Spezies und dürfte uns nicht nur mit seiner Handlung einige Überraschungen spendieren.
Der Anfang beginnt jedoch erst einmal EgoShooter-typisch: in der Rolle des Frischlings Shane Carpenter kämpft ihr auf Seiten der Mantel Global Industries gegen einen Rebellenaufstand, der sich in Südamerika anbahnt. Die Mantel Global Industries stellt dabei nur eine der vielen Firmen dar, die im Auftrag von Regierungen in den Krieg ziehen. Im Jahr 2048 haben selbst Supermächte damit begonnen ihren teuren Kriegsapparat auszugliedern. Outsourcing macht eben vor keinem Industriezweig halt.
Shane bekommt während des Kampfes jedoch erste Zweifel an der Richtigkeit seines Auftrags. Um ihre Soldaten leistungsfähiger zu machen, setzt Mantel nicht nur neueste Waffen- und Panzerungstechniken ein, sondern steigert die körperliche Belastbarkeit indem sie ihren Untergebenen eine Droge verabreicht. Nectar, so der Name des Präparats, macht Shane dabei aber nicht nur resistenter, sondern auch abhängiger. Umso stärker seine Sucht wird, umso mehr Zweifel kommen ihm über den Sinn der Mission auf. Schließlich wechselt Shane auf die Seite der Rebellen und versucht nun, gemeinsam mit ihnen, die dortige Regierung zu stürzen und mit ihrem Anführer Gabriel Merino einen neuen Staatschef einzusetzen.
Ihr als Spieler erlebt diesen Krieg logischerweise aus beiden Perspektiven. Einmal auf der Seite von Mantel und dann nach Shanes Bruch mit Mantel auf der Seite der Rebellen. Wie eingangs schon erwähnt, könnt ihr dabei als Mantel Soldat auf ein umfangreiches Waffenrepertoire und die Droge Nectar als Energiequelle zurückgreifen. Als Rebell jedoch müsst ihr mit veralteten Waffen und schlechter Panzerung auskommen. Hier ist es viel mehr gefragt, die Waffen seiner Gegner für sich einzusetzen. Gerade dieser Punkt verleiht dem Gameplay in späteren Spielabschnitten einen ungeheuren Reiz: so müsst ihr euch mehrmals entscheiden, ob ihr nun lieber einen frontal Angriff startet und den Überraschungseffekt nutzt, oder doch erst einmal die gegnerische Basis infiltrieren wollt. Letzteres hat natürlich den Vorteil, dass ihr nicht mit ungeheuren Gegnermassen konfrontiert seid und somit langsam den Gegner schwächen könnt.
Allgemein macht das Schlachtgeschehen schon jetzt einen imposanten Eindruck. Neben euch explodieren Geschosse effektreich, während die schöne Vegetation einen fast schon perversen Kontrast zu der Gewalt auf dem Schlachtfeld darstellt. Die weiten Landschaften mit vielen Unterschlüpfen und Deckungsmöglichkeiten laden dabei ein, taktisch vorzugehen. Ihr selbst kämpft dabei die meiste Zeit in einer Dreierformation, wobei ihr euren Untergebenen keine direkten Befehle erteilen könnt. Dennoch müsst ihr geschickt vorgehen, schließlich unterstützt euch als Rebell keinerlei Hightech-Gerät. Jedoch können die Rebellen sich eine Nebenwirkung von Nectar zu Eigen machen. Sollte Nectar einmal überdosiert werden, so dreht die entsprechende Person durch und fängt an, sich oder andere zu attackieren egal ob es sich dabei um einen Freund oder Feind handelt. Präpariert einfach einen Handgranate mit Nectar und werft diese in eine Menge von Mental Soldaten und ihr werdet sehen, wie sich diese gegenseitig hinrichten. Diese makabere Nebenwirkung kann euch jedoch auch als Mantel-Soldat das Leben schwer machen.
Der Spagat zwischen klassischem Shooter-Gameplay als Mental-Soldat und taktischem, abwägendem Vorgehen als Rebell sorgt dabei für eine ganz neue Wahrnehmung des Kampfes. Wenn ihr zum Beispiel einen Ort nochmals besucht nachdem ihr auf der Seite von Mental gekämpft habt, dann kommt kurzzeitig so etwas wie Wehmut auf. Die Erinnerung daran, wie ihr genau hier für eine komplett andere Überzeugung gekämpft habt und dabei genauso versucht habt, euer Bestes zu geben, lässt euch schon bald erkennen: Krieg hat nichts mit Gut oder Böse, Schlecht oder Falsch zu tun, sondern eher damit, auf welcher Seite man steht und welche Überzeugung man hat. Ihr als Spieler solltet laut Entwickleraussagen eben gerade durch diese Ambivalenz erkennen, was Krieg wirklich bedeutet.
Haze könnte also mehr als ein EgoShooter mit zwei verschiedenen Handlungssträngen werden: der Spieler wird zwar nicht dazu aufgefordert, moralisch zu entscheiden, dennoch werden sich ihm Fragen aufdrängen. Hoffentlich auch ein paar mehr als mir, der nur eine gute halbe Stunde in das Universum von Kriegsfirmen und Rebellenaufständen eindringen konnte.
Haze wird im November 2007 exklusiv für die Playstation 3 erscheinen. Der umfangreiche Solopart wird zudem auch online kooperativ spielbar sein. Darüber hinaus gibt es verschiedene Multiplayermodi, die jeweils aus sicht beider Parteien gespielt werden können.