Ritter, Götter, Bleispuckrohre

Es ist nicht nötig Age of Empires vorzustellen. Ensembles großartige Strategieserie hat mindestens ebensoviele Fans wie Rebell.at und ist ein unumstrittenes Highlight der Spielegeschichte. Seit 4. November ist der dritte Teil im Handel, und wenn ihr brave Rebellen seid, habt ihr mit dem Kauf auf genau diesen Test gewartet. Den weltexklusiven "Rebell.at testet Age of Empires 3"-Test auf Rebell.at…

Kein Stein bleibt auf dem anderen

Man baut eine Stadt auf, rekrutiert Krieger, beschäftigt seine Dorfbewhoner und walzt dann einen Gegner nieder – so weit ist auch im dritten Teil der AoE-Serie alles gleich geblieben. Allerdings würde man keine Sekunde auf die Idee kommen, den famosen zweiten Part mit der neuesten Auflage zu verwechseln.

Die Änderungen beginnen schon bei der neuen 3D-Engine, die, angefangen mit traumhaften Wassereffekten über butterweiche Animationen bis hin zu gigantischen Explosionen, das Auge erfreut. Unter Kanonenbeschuss krachen einzelne Bäume um, brechen ganze Teile von Häusern ab und schleudern Einheiten meterweit über den Bildschirm. Ensemble zaubert ein Spektakel auf den Bildschirm, das schöner beim aktuellen Stand der Technik wohl kaum sein könnte (sofern es auch noch irgendjemand spielen können soll, der keine Mörderhardware besitzt versteht sich). Einen kleinen Mangel hat die Optik allerdings: Während man ins Geschehen zwar ganz weit hinein zoomen kann, ist die Zoomstufe nach oben hin zu knapp bemessen. Das ist zwar nur in wenigen Situationen wirklich störend, um wirklich jederzeit übersichtlich zu bleiben, hätte es noch einen etwas größeren Bildausschnitt gebraucht.

Die zweite große Neuerung ist das Szenario. Während man im zweiten Teil bis zum dunklen Mittelalter um seine Gebiete gefochten hat, beginnt Age of Empires 3 genau an dessen Ende und führt einen über den amerikanischen Kontinent beziehungsweise durch dessen Besiedelungs- und Eroberungsgeschichte.

Nationales

In dieser Zeit können wir natürlich nicht mehr mit Teutonen und Wikingern ums Eingemachte kämpfen. Deshalb sind nun keine Völker sondern Nationen gefragt. Mit Holländern, Osmanen, Deutschen, Franzosen, Briten, Spaniern, Portugiesen und Russen ziehen wir in die Schlacht.

Die unterscheiden sich auf den ersten Blick nur im Detail, tatsächlich bemerkt man aber drastische Differenzen (so gern ich mit ihnen spielen würde, die Holländer liegen mir einfach nicht). Dabei ist das Balancing noch nicht hunderprozentig ausgereift. Obwohl jede ihre Schwachstelle hat, manche Nationen erscheinen doch einen Tick zu stark.

Die Entdeckung und Eroberung Amerikas braucht natürlich auch Unterstützung aus den Heimatländern – hier kommt ein weiteres neues Feature zum Tragen. Im Laufe des Spiels könnt ihr eure Heimatstadt aufleveln, die euch regelmäßig per Knopfdruck mit verschiedensten Gütern vom Alten Kontinent versorgt. Dazu bekommt man bei jedem Upgrade der Heimatstadt neue Karten (etwa eine Lieferung von Truppen oder Rohstoffen) und kann diese während des Spiels einsetzen. Vor allem im Multiplayermodus kann ein ausgewogenes Deck, und der richtige Einsatz dessen, den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen.

Die Kampagne umfasst drei Akte zu je acht Missionen und erzählt die spannende Geschichte der fiktiven Familie Black. Alles beginnt in Malta, wo Ordensritter Morgan Black die Osmanen bekämpft, um sie hinterher nach Amerika zu verfolgen. Später kämpfen wir in den Indianerkriegen und befreien Südamerika. Dabei steigt während den überraschenden Storywendungen der Schwierigkeitsgrad mit der Zeit an.

Grundsätzlich sind die Szenarion sehr gut gemacht. Die Kampagne spielt sich flüssig und motiviert immer wieder zum Weiterspielen. Mal gilt es ein Dorf zu verteidigen, dann soll man wiederum eine Piratin durch erfolgreich absolvierte Sub-Missionen beeindrucken oder einen Jungbrunnen in einem gut befestigten See zerstören. Ensemble hat sich schon einiges einfallen lassen.

Mehr Spielspaß für mehr Spieler

Das Hauptaugenmerk von Age of Empires 3 liegt jedoch abermals auf dem Skirmish- bzw. dem Multiplayermodus. Während sich die KI für fortgeschrittene Strategen aber als Kanonenfutter erweist – Teamkameraden sind wenig hilfreich und Gegner agieren zwar anspruchsvoll aber keinesfalls unschlagbar – sind die Mehrspielerschlachten erneut ein Genuss.

Dabei fällt auf, dass sich auf den Online-Servern (zu denen wir gleich noch einmal kurz kommen) sehr viele Rush-Taktiken durchgesetzt haben. Das hat mehrere Gründe. Zum Einen sind die Verteidigungsanlangen sehr viel schwächer als noch im zweiten Teil. Die mächtigen Artillerien des Spiels zerstören selbst ganze Forts in Sekundenschnelle. Das mühevolle Ausbauen einer Stadt führt also nicht zwangsläufig auch zum Sieg. Vielmehr muss man aufpassen, auch wirklich immer eine gut ausgewogene Konterarmee zur Verfügung zu haben, die vor allem auch am neuesten Stand der Technik zu sein hat. Wenn der Feind mit Kanonen kommt, sollte die Kavallerie bereit stehen, ansonsten ist das halbe Dorf weggebombt bevor man reagieren kann. In solchen Fällen kann man eigentlich bereits auf den "Aufgeben"-Button drücken. Kurz: Age of Empires 3 ist für Defensiv-Spieler eine kleine Enttäuschung. Ensemble legt ganz deutlich Wert auf kurze, knackige Partien. Nach einigen Angriffen gewinnt der, der seine Ressourcen am klügsten eingesetzt hat.

Physik vs. Realismus

So fantastisch umstürzende Bäume und zusammenkrachende Gebäude auch aussehen, von den versprochenen Gameplay-Einflüssen, dass etwa ein herabstürzender Kirchturm zu nahe stehende Einheiten zerquetscht, ist nichts geblieben. Dass so ein Feature viel Dynamik ins Spiel bringen könnte, weil ein ungeschickter Kommandeur selbst eine größere Übermacht verschleissen könnte, ist lediglich eine Anregung, die man Ensemble für ein Addon oder eine Fortsetzung geben kann. Kanonen, die durch Stadtmauern schießen, führen das Bauen solcher ziemlich ad absurdum. Mauern haben lediglich noch die Alarmfunktion, dass der Feind nun anrückt, behindern aber eventuell sogar die eigenen Nahkampfeinheiten dabei, den von draußen meuchelnden Gegner zu attackieren, wenn man zu wenig Tore errichtet hat.

Bescheuert gesteuert

Formations-Fans werden sich schnell in den Arsch beissen – es gibt nämlich irgendwie keine Formationen mehr. Wichtige oder teure Einheiten lassen sich nicht beschützen, sondern reihen sich in den hinteren Reihen ein, können also über die Flanken leicht attackiert werden. Vermutlich würde alles andere das Balancing über den Haufen werfen, weil eine kleine Anzahl gut beschützter Kanonen schnell mal eine große Armee dezimiert. Eine optimale Lösung dieses Problems sieht aber anders aus.

So bleibt die Möglichkeit, die Infanterie weiter verstreut aufzustellen, damit sie gegen Artilleriebeschuss nicht ganz so anfällig ist und ein paar weitere Kleinigkeiten ohne großen Einfluss. Nervig ist die Tatsache, dass eine Armee sich immer so schnell bewegt wie ihre langsamsten Mitglieder. Während Bogenschützen und Kanonen uns unter markerschütternden Soundeffekten aus der Entfernung beharken, trottet die Kavallerie nur langsam auf sie zu, wenn ihr der Befehl zum Angriff zum Beispiel zusammen mit einem Geschütz gegeben wurde, anstatt loszustürmen und die wehrlosen Pseudo-Robin Hoods zusammenzutrampeln. Unverzeihlich ist auch die Unmöglichkeit, die Armeen ordentlich ausrichten zu können.

Geforscht wird wie gewohnt jeweils in den passenden Gebäuden. Häufig kommt dieser Part (abseits von Grundlegendem bei Militär und Wirtschaft) aber zu kurz, da Technologie teuer ist. Manche Forschungen sind aber unglücklich platziert. Es stellt sich zum Beispiel die Frage, warum man eine Kirche erstellen muss, um dort dort ein Upgrade für Holzpalisaden zu Steinmauern zu erforschen. Noch wirrer wird es, wenn die Steinmauern dann immer noch nur Holz kosten (die Ressource Stein gibt es ja nicht mehr).

Immer Ärger mit ESO

Ein wenig dürfte Ensemble vom großen Ansturm auf die Server überrascht sein. Die grundsätzlich sehr feine Online-Plattform (ESO) ist nämlich immer noch regelmäßig dabei, Zicken zu machen. Mittlerweile bessert sich die Lage zwar, dennoch ist es unverständlich, warum es nicht optional eine Möglichkeit gibt einfache IP zu IP Spiele zu bestreiten. Wer auf detaillierte Ranglisten, aufgerüstete Heimatstädte, Clans, Chats und Freundeslisten verzichten möchte (oder mal wieder einfach nicht auf die Server kommt), sollte das auch tun können. Neben Verbindungsproblemen gibt es auch noch Bugs, die erspielte Erfahrungspunkte einfach wieder vergessen, weil man nach einer Partie vom Server fliegt – nervig. Beim Erscheinen dieses Tests wurde die Plattform gerade neu gestartet. Ob sich die Umstände verbessern, erzählen wir euch in den nächsten Tagen in unseren Newsmeldungen.

Als alter Fan der Serie bin ich über „Age 3“ zwiegespalten. Die Kampagne ist gut, die Multiplayermatches machen süchtig, die neuen Features passen perfekt ins Spielgeschehen und grafisch hat man nicht nur eine fantastische Kulisse geschaffen, sondern irgendwie sogar den alten Stil in die dritte Dimension gerettet. Andererseits gehen mir die Defensivmöglichkeiten ab, gefallen mir die Einschränkungen bei den Formationen nicht und scheint mir insgesamt alles noch etwas unausgereift. Wo sind die massiven Physik-Auswirkungen? Warum kann man durch massive Steinmauern schießen? Warum darf ich meine Kanonen nicht beschützen? Warum kann ich meinen Truppen nicht einfacher sagen, in welche Richtung sie sehen müssen? Wer gerne kurze Multiplayerschlachten (Dauer: etwa zwischen einer halben Stunde und einer Stunde) spielt und eine nette Story-Kampagne schätzt, liegt mit Age of Empires 3 nicht falsch. Wer aber stundenlange Matches aus dem Vorgänger gewohnt ist, und sich epische Schlachten in einem offenen Schlagabtausch erwartet, der geht aber baden. Die Matches sind nach den ersten zwei, drei Attacken entschieden, eine einmal angeschlagene Infrastruktur baut sich nicht so schnell wieder auf. Kurz: Age of Empires 3 ist ein sehr gutes Spiel für sich, das sich so spielt wie sich ein Strategiespiel im betroffenen Zeitalter wohl spielen muss, stellt als Teil der AoE-Serie aber einen gewissen Stilbruch dar, der nicht jedem gefallen dürfte.

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