Magazinen, die sich mit der elektronischen Spielsucht ihrer Konsumenten beschäftigen, geht es schlecht – verdammt schlecht sogar. Allein im aktuellen Quartal büßte die Branche schon wieder zehn Prozent ihrer Auflagenstärke ein. Einstiege Flagschiffe wie die GameStar oder PC Games büßen sogar weitaus mehr an Auflage ein. Gerade die GameStar, früher konstant bei über 300.000 verkauften Exemplaren pro Heft und Monat, rutscht nun gefährlich an den unteren Rand der 200.000er-Grenze. Da, wo sich die PC Games übrigens schon seit mehr als einem Jahr befindet.
Wer ist also Schuld an dieser Misere? Der Kunde vielleicht? Kauft er nicht mehr genug ein? Mitnichten: der Markt für Unterhaltungselektronik und dazu zählen eben auch Videospiele wuchs laut einer Studie des GfK und der gfu im Jahr 2005 um satte 13,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.* Auch die Konjunktur kurbelt sich in diesem Jahr auf wahrscheinlich bis zu 2,0 Prozent hoch.** Am Konsumverhalten der Kunden kann es also kaum liegen, dass eben auch die Videospielmagazine konstant an Auflage verlieren. Oft wird hierbei übrigens der Generationswechsel weg von PS2, Xbox und Gamecube hin zur PS3, Xbox360 und dem Wii als Grund angegeben. Nur, warum verlieren dann alle großen Magazine seit über drei Jahren, also weit bevor sich der Generationswechsel abzeichnete, kontinuierlich an Auflage (siehe Diagramm rechts)?
Hat die komplette Branche vielleicht einfach nur einen Trend verpennt? Ein Trend, der sich, wie das Web 2.0, nur langsam, aber dafür immer deutlicher abzeichnete? Ich nenne ihn der Einfachheit halber an dieser Stelle nun Spielejournalismus 2.0. Eben diesen Journalismus zeichnet genau das aus, was mit kleinen, meist privaten Blogs wie d-frag, antigames und grindthatauthority begann, sich bei kleineren Magazinen wie Rebell oder working title entwickelte und sich langsam auch bei den größeren Online-Magazinen wie 4players bemerkbar macht. Denn wo unsere Printkollegen Spiele immer noch haarklein sezieren als wären sie Trockner, Haarwuchsmittel oder Sonnencreme, da wird auf der anderen Seite, zumindest bei den kleineren Vertretern, mehr auf den subjektiven Eindruck eingegangen. Wertungen werden sekundär: manchmal gibt es sie noch in einer groben Skalierung, meistens fallen sie aber ganz unter den Tisch. Was zählt ist der spielerische Eindruck, das Besondere eines Spiel, nicht etwa ob die Grafikengine nun wirklich über HDR-Effekte verfügt und die neuesten Pixel- und Vertex-Shader-Spielerein nutzt. Klar, unsere Printkollegen stecken hier in einem Dilemma. Jahrelang wurde dem Käufer vorgegaukelt man könne Spiele bis aufs kleinste Prozentpünktchen bewerten. Bestes Beispiel hierfür dürfte das viel gescholtene Bewertungssystem der GameStar sein (wo zehn irrelevante Einzelwertungen die Endnote ergeben). Es ist also schon durchaus löblich, wenn ein Mainstream-Magazin wie die PC PowerPlay hingeht, und zumindest subjetive Bewertungen zulässt. Dass dessen Quersumme dann zu einer angeblich objektiven Bewertung zusammengefasst werden, ist wohl der Kompromiss an den Mainstream.
Trotzdem hat auch die PC PowerPlay ein Problem: sie hat es, wie auch der Großteil der Branche, noch nie gewagt wirklich das zu machen, für was Journalisten eigentlich da sind. Kritische Fragen oder gut recherchierte Reportagen findet man im deutschen Spielejournalismus so gut wie gar nicht. Im Endeffekt unterscheiden sich die vielen PC- und Videospiele-Magazine also kaum voneinander. Weswegen dann also auch verschiedene Magazine kaufen?
Darüber hinaus wird auch gerne ignoriert, dass PC-Spieler älter geworden sind. Warum wird sich mit diesem Thema nicht mal beschäftigt? Warum gibt es keine Tipps, wie man PC- und Videospiele vielleicht zur Erziehung nutzen kann? Müssen das erst die Urgesteine der Branche mit weit weniger kompetenten Artikeln machen? Es ist sowieso ein Wunder, dass sich Magazine wie Spiegel, Stern und Co. mehr mit Randthemen im Videospielebereich beschäftigen, als es die wirklich kompetenten Leute von GameStar und Co. machen. Und damit meine ich nun nicht Reportagen vom Schlage eines „Warum ist in den Spielepackungen immer weniger drin?“. Die Branche macht z. B. seit Jahren einen riesigen Wandel durch. Hat über dieses Thema, genug Potential für einen Bericht ist ja da, überhaupt schon einmal ein Magazin berichtet? Die Antwort auf diese Frage könnte man sich schon fast schenken, denn es gab keinen Bericht darüber, höchstens mal einen Zehnzeiler, der als Kolumne durchgehen sollte.
Aber nun genug mit der Axt im Walde gewütet. Ein Blick in die Leserbriefseiten der aktuellen Ausgaben verrät uns auch, dass ein großer Anteil der Leser von PC Games und Co. eben noch genau diese Art von Jounalismus wünscht. Diesen Teil umzugewöhnen dürfte schwierig werden. Nur: die Gründer des Spielejournalismus 2.0 sind bei weitem alles, aber eben keinen Gelegenheitsspieler. Sie sind die erwachsen gewordenen Klientel, vielleicht auch einfach nur der Teil, der sich sehr viel mit Videospielen befasst. Und sie sind deswegen unzufrieden, weil sie sich einfach nicht mehr in den Magazinen wieder finden – sie ihre Tests auch woanders im Netz in fast der gleichen Qualität finden. Aber eben genau dieser Teil gehört zu den zehn Prozent, die dieses Quartal schon wieder nicht zu aktueller Spielelektüre gegriffen haben. Okay, einige von Ihnen kaufen die GEE, welche aktuelle sogar ein Auflagenplus verbucht, die anderen jedoch, suchen weiter im Web ihr Glück. Vielleicht könnte man sie wiedergewinnen, wenn man weg vom Waschmaschienen-Test und der Spieleverpackungs-Reportage, hin zu etwas mehr journalistischem Engagement geht. Im Endeffekt ist es – und das hat uns die Vergangenheit gelehrt – ja egal wodurch die verkaufte Auflage steigt, Hauptsache sie steigt. Nicht umsonst pappt heutzutage an jedem Magazin eine Vollversion – Mehrwert soll sich angeblich verkaufsfördernd auswirken. Ob das besserer Journalismus vielleicht auch tun würde?