Wir alle kennen Tutorials und ellenlangen Anleitungen. Jeder von uns hat sich schon einmal durch eine als Epilog getarnte Unterrichtslektion über die Spielmechanik eines Titels gequält. Ein Jeder weiß, solch eine Unterrichtung kann den Spieler sinnvoll unterstützen oder in einem langweiligen Desaster enden. Guten Spielen mag ich ein langweiliges Tutorial noch verzeihen, doch ein perfektes Spiel sollte fast gänzlich ohne auskommen.
The Legend of Zelda: Phatom Hourglass ist solch ein Titel und jede Erklärung seiner Spielmechanik ist obsolent. "Die Genialität einer Konstruktion liegt in ihrer Einfachheit. Kompliziert bauen kann jeder." Was Sergei Pawlowitsch Koroljow für den Bau von Rakten und Raumschiffen schon als Maxime an den Tag legte, sollte sich jeder Spieldesigner einmal auf der Zunge zergehen lassen. Wer möchte sich schon ewig damit abmühen, die grundlegenden Spielmechanismen zu verstehen, wenn diese logischen oder natürliche Vorgängen wiedersprechen. Ein gutes Spiel ist so nah an der Realität dran, wie es nunmal möglich ist, ohne das es an Leichtigkeit verliert und somit seinem eigentlichen Zweck, der Ablenkung vom Alltag, nicht mehr dienlich ist. Wir Spieler möchten uns nicht mit ellenlangen Beschreibungen, einer überkomplexen Steuerung oder Vorträgen über die Vorteile von gewissen Waffen aufhalten. Sobald das Spiel auf dem Bildschirm erscheint sollten wir versinken und nur noch das Erlebnis im Vordergrund stehen. Dabei muss so ein Spiel nicht minder komplex sein, es baut seine Komplexität nur anders auf. Das eigentliche Tutorial ist das Spiel selbst. Mit jeder neuen Fähigkeit, jedem neuen Spielabschnitt werden neue Elemente der Spielmechanik hinzugefügt, die wir spielerisch lernen. Darum geht es beim Spielen: auf leichte und interessante Art anspruchsvoll unerhalten zu werden. Man möchte neue Welten erkunden, Dinge tun, die man im wirklichen Leben niemals so erleben könnte. Laster wie ellenlange Anleitungen und nicht durchdachte Spielmechaniken gehören jedoch nicht dazu.
Phatnom Hourglass bedient sich genau dieser Mechaniken und macht deutlich, wie durchdacht man die Steuerung des Nintendo DS wirklich einsetzen kann. Der Abstraktionsgrad der Steuerung ist minimal, wo unser Held (Link) hingehen soll, das bestimmen wir einfach mit dem Zeichenstift. Soll unser Held einen Rundumschlag ausführen? Wir zeichnen einfach einen Kreis um ihn. Soll er Anlauf nehmen? Wir ziehen eine Linie vom Start zum Endpunkt. Es gibt nur selten Situation in denen die Steuerung versagt. Eine Rollattacke ist z.B. nur mit etwas Übung und Fingerspitzengefühl zu meistern.
Erlernen wir neue Fähgikeiten so werden uns diese genau zu diesem Zeitpunkt erklärt. Mit einer Leichtigkeit und ohne sich als Spieler dabei zu sehr an die Leine genommen zu fühlen verdichtet sich dabei die Hintergrundgeschichte und steigert sich der Schwierigkeitsgrad. Stehen wir vor einem neuen Problem, so ist die Lösung uns vorher, zwar unterschwellig aber durchaus präsent genug, erläutert worden. Wir brauchen nur noch die Zusammenhänge erkennen. Dabei kommen wir uns clever vor und erleben sogleich die Genugtuung, sollte sich das Rätsel gelöst haben. Klar, auch hier gibt es manchmal Stellen, wo etwas mehr gegrübelt werden muss, aber genau diese Stellen braucht es als Anreiz um im Spiel zu bleiben.
The Legend of Zelda: Phantom Hourglass lebt eindeutig von seiner pefekten Spielmechanik. Da verzeiht man es auch, dass die Hintergrundgeschichte keinen Mittelwert von Gut und Böse kennt. Link muss seine Freundin Tetra retten, die von einem Geisterschiff entführt worden ist. Die Seiten sind klar verteilt, der Spieler erlebt keine großen Handlungssprünge und wird auch nicht durch Rollenwechsel einzelner Charaktere zum Umdenken angespornt. Dennoch fallen die Charaktere nicht eindimensional aus. Links Welt ist voll von schrulligen Bewohnen, die jeweils ihre eigene Geschichte haben. Da gibt es euren feigen, aber großmäuligen Begleiter, eine Wittwe deren Mann sich auf der Suche nach der Romantik auf eine ferne Insel begeben hat, oder einen freundlichen Wächter, der den Heldenmut seines Bruders nacheifert, ohne ihn jedoch selbst zu haben. Wir bewegen uns also in einer lebendigen, fast schon realen Welt, die uns als Spieler trotzdem exotisch genug erscheint um uns aus den Alltag aussteigen zu lassen. Nicht zuletzt wird diese Eindruck von der aus The Wind Waker bekannten Cel-Shading-Optiik unterstützt.
Der Konflikt, den es zu lösen gilt, zeichnet sich dabei ganz nach klassischer Erzählweise sofort am Anfang ab. Unsere Aufgabe ist es nunmehr, das Geisterschiff zu finden. Dafür müssen wir drei Lichtgeister befreien und dann deren Kräfte wieder erwecken. Jeder Lichtgeist wird in einem Tempel gefangen gehalten. Diesen gilt es aber erst einmal zu finden. Seekarten helfen uns dabei. Die finden wir in Tempeln und erschließen somit neue Meere, die es zu erkunden gilt.
All dies klingt sehr linear und das wäre es auch, würden sich nicht bei unserer Suche immer neue Probleme und Gefahren auftun. Wie in einem guten Drama stolpert Link von einem Problem zum Nächsten. Wirbelstürme, Seeungeheuer, fast unbesiegbare Gegner und an den unzugänglichsten Orten verstecke Schlüssel stellen uns vor immer wieder neue Herausforderungen. Neue Hilfswerkzeuge, wie ein Boomerang, Bomben oder eine Schaufel, lassen uns dabei aber auch die größten Hürden überwinden. Meist ist es dann auch der Spieler selbst, der durch simple logische Schlussfolgerungen den Lösungsansatz findet.
Recht schnell bekommt man ein Gefühl dafür, wie man ein Hindernis am besten aus dem Weg räumt. Vor uns türmt sich eine Feuerbarriere auf. Wir schauen uns also ein wenig um, und sehen hinter einem Abgrund genau diesen Schalter. In diesem Moment erinnern wir uns schon daran, dass wir per Boomerang diesen Abgrund überwinden und den Schalter aktivieren können. Und genau diese Momente verdeutlichen uns als Spieler, wie einfach aber genial die komplette Spielwelt von Phantom Hourglass aufgebaut ist. Wir müssen nicht lange darüber nachgrübeln, wie wir ein Problem zu lösen haben. Das Spiel hat uns vorher die Lösung beigebracht.
Später im Spiel müssen wir einmal den Schlüssel für einen Tempel aus der Tiefsee bergen, fünf Minuten vorher können wir dafür den Bergungsarm erwerben. Woher wir das wissen? Der Postbote hat uns eine Eilpost von Erbauer des Bergungsarms gebracht. Liebe Entwickler, um es noch einmal zu sagen: so sieht perfektes Spieldesign aus.
Unterstützt wird diese Perfektion durch die sehr intiutive Steuerung: Wir sehen einen wichtigen Punkt vor uns liegen, können ihn zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht erreichen. Um ihn jedoch nicht zu vergessen können wir uns diese Stelle einfach auf der Karte markieren. Noch einfacher: wir stehen vor zwei brennenden Fackeln und der Eingang wird erst freigegeben wenn diese aus sind. Unser natürlicher Reflex sagt uns, wir sollen diese Fackeln doch einfach ausblasen. Zwei Sekunden ins Mikrophon vom DS gepustet und schon ist der Eingang frei.
Ohne Zweifel lässt sich sagen, dass The Legend of Zelda: Phantom Hourglass das Videospiel in Sachen Interaktion, Spielbarkeit und Spielwitz auf eine neue Ebene befördert hat. Erst jetzt wird wirklich deutlich, wie genial sich das Konzept des Nintendo DS in einem Spiel umsetzen lässt. Der Spieler hat stehts das Gefühl mitten im Spiel zu sein, ohne dabei durch ein zu hohes Abstraktionsniveau oder undurchdachtes Spieldesign daran erinnert zu werden, nur an einem Spiel teilzunehmen.
Was Phantom Hourglass aber dennoch ein wenig den Eintritt in den höchsten Spieleolymp verwehrt ist der hohe Recyclinggrad den gerade die Handlung sowie die grafische Gestaltung der Spielumgebung als auch des Leveldesigns erfahren. All dies hat man schon in der 2003er Episode The Wind Waker gesehen. Hier hätten ein paar frische Ideen Phantom Hourglass denselben Status eines Super Mario Galaxy einbringen können.