Neue Ideen, schlechte Umsetzung?

’Rise & Fall’ bedeutete buchstäblich die Nachzeichnung der Entwicklung der Stainless Steel Studios. Vom Aufstieg mit Spielen wie ’Empire Earth’ bis zum finalen Untergang, bedingt durch Midways Erlass zu Schließung des Entwicklerstudios. Zwar wurde das Echtzeitstrategie-Spiel mit dem ambitionierten Ansatz, Strategie mit Action zu verknüpfen, doch noch fertig produiert. Jedoch stellt sich ’Rise & Fall: Civilizations at War’ gerade damit selbst ein Bein und beleidigt mich als pingeligen Althistoriker zudem.

Geschichtsstunde
Die Erwartungen an ’Rise & Fall’ waren hoch, rekapituliert man an dieser Stelle noch einmal die Historie dieses Spiels: Die Stainless Steel Studios wurden im Jahre 1997 von Rick Goodman gegründet, der zuvor unter anderem an der Entwicklung von ‚Age of Empires‘ beteiligt war. Unter der Anleitung eines solchen Strategen durfte also Beeindruckendes erwartet werden. Tatsächlich entwickelte sich ’Empire Earth’, innovativ hin oder her, weltweit zu einem Verkaufserfolg. Nach einigen Rückschlägen sollte ’Rise & Fall’ endlich wieder ein Knaller Studios werden. Bekanntlich machte Publisher Midway dem mit der Schließung der Spieleschmiede einen Strich durch die Rechnung, drehte den Geldhahn zu, produzierte das Spiel trotzdem aber selbst fertig.

Kleopatra trug Doppel-D?
Was dabei rausgekommen ist, lässt sich schnell aufzählen: Ein insgesamt zwei Kampagnen umfassender Singleplayer-Modus, der zum einen den Feldzug des Makedonenkönigs Alexander des Großen behandelt und zum anderen die Landesverteidigung seiner später in Ägypten herrschenden Landsfrau Kleopatra. Übrigens ließen es sich die Entwickler bei der Gelegenheit nicht nehmen, den unzähligen Klischees über die gute Frau sogar noch ein weiteres hinzuzudichten: mit einer antiken operativen Brustvergrößerung. Ansonsten erwarten den Spieler die typischen Missionsszenarien und die ebenso typischen RTS-Aufbauelemente, zuzüglich des neuartigen Heldenmodus. Zwei weitere Völker bereichern die Schlachten gegen die KI oder menschliche Gegner. ’Rise & Fall’ legt offenbar keinen großen Wert darauf, im Mulitplayer-Modus gespielt zu werden. Wie hätte man sich sonst, mal wieder, für Gamespy entschieden? Schade eigentlich.

Action trifft RTS
Zurück zur Kampagne. Hier kommt der Heldenmodus als spektakulärstes neuartiges Gameplay-Feature unter anderem während des Verlaufs der Missionen hin und wieder zum Einsatz. Versetzt in die Ego-Perspektive steht man plötzlich in Person des jeweiligen Helden mitten auf dem Schlachtfeld. Endlich werden die Möglichkeiten für ein Strategiespiel, die sich aus dieser Sichtweise ergeben, zum Einsatz gebracht. Der Anblick ist denn auch wirklich beeindruckend, erblickt man so hautnah seine komplett aufgestellte Streitmacht. Der Testosteronpegel schwillt an, man brüllt den Marschbefehl und bekommt endlich mal den Hauch eines Eindrucks vermittelt, wie es sich früher in der Antike so gekämpft hat in der geschlossenen Schlachtenreihe. Mutig stampft man dem Gegner entgegen und erfreut sich mit Hilfe von Schwert und Bogen an den wohl ersten richtigen Action-Einlagen in einem Strategiespiel. Wenn da nicht die speziellen Heldenmissionen der Kampagne wären.

Feinschliff fehl am Platz?<br />
Zwingt eine Mission den Spieler, ausschließlich die Aufgaben im Heldenmodus zu meistern, ergibt sich zu oft eine Konsequenz daraus: Der Spieler wird durch Überforderung und Schwierigkeit zu oft frustriert. Darüber hinaus achtete man peinlichst genau darauf, dabei möglichst so viele Zwischenziele einzubauen, damit auch geübten Spielern möglichst viele Steine in den Weg gelegt werden. Nicht selten entsteht sogar das Gefühl, dass bei einigen dieser Missionen schlicht vergessen wurde, auf ein geregeltes Verhältnis zwischen Schwierigkeit und Machbarkeit zu überprüfen. Der fehlende finale Feinschliff macht sich dann auch bei weiteren Aspekten von ’Rise & Fall’ bemerkbar. Da wären die unglaublich lieblos und grob wirkende Menüs. Dann die furchtbar verpixelten Einheiten-Formationen, die es nahezu unmöglich machen, Truppengattungen auf Anhieb unterscheiden zu können. Ebenso wirkt das sehr wenig detaillierte Terrain auf Dauer langweilig, genauso die Zwischensequenzen in schlecht präsentierter Qualität.

Endlich richtige Seeschlachten!
Was bleibt einem da noch übrig, außer sich an den Massenaufmärschen mit unzähligen Einheiten zu ergötzen? Besonders die Seeschlachten, die in nahezu jedem Strategiespiel regelmäßig vernachlässigt oder gleich ganz weggelassen werden. Der Kampf zur See besitzt in ’Rise & Fall’ wegen der zahlreichen Details durchaus seinen Reiz. Matrosen können endlich während der Fahrt die durch Gefechte und von Holzwürmern durchbohrten verschimmelten Kähne auf See wieder flott machen. Das zu erleben, beinahe hätte ich es aufgegeben. Per Enterhaken werden feindliche Boote herangezogen, um sie zu entern oder sie in Stücke zu rammen. Schlussendlich lassen sich außerdem noch ganze Armeen per Schiff zu den Ufern des Feindes transportieren. Besonders die Altphilologen unter uns können so die Eroberung von Troja getreu der Ilias immer wieder nachspielen. Denn sogar der Truppennachschub bei einer Seeinvasion funktioniert direkt von den Landungsschiffen aus, da hier Soldaten nachproduziert werden können.

Starke Ansätze – Schlamperein in der Zielgeraden
Es ist ein Kreuz. Da traut sich ’Rise & Fall: Civilizations at War’ einerseits zu, tatsächlich spürbar neue Gameplay-Elemente, wie den Heldenmodus aus der Egoperspektive oder ausgefeilte Seegefechte in ein Echtzeitstrategie-Spiel, einzuführen. Die Seeschlachten waren meines Wissens nach bisher in keinem Titel mit so vielen Details und Möglichkeiten zu sehen. Andererseits merkt man dem Spiel die offensichtlich fehlende Arbeit hinsichtlich des Feintunings an. Möglicherweise entstanden hier die Defizite durch die unerwartete Schließung der Stainless Steels Studios. Zwar ist es beeindruckend, wenn unzählige Soldaten aufeinander prallen, durch fehlende Detailarbeit hat man jedoch so gut wie keinen Überblick über seine verschiedenen Truppenteile in der Schlacht. Und das nach einer langwierigen und harten Aufbauphase. Besonders in der Kampagne mutieren die Missionen, die im Heldenmodus zu absolvieren sind, aufgrund der Hektik und des hohen Schwierigkeitsgrads zu echten Spielspaßhemmern. So hat ’Rise & Fall’ sehr gute Ansätze für ein klassisches RTS, die aber durch fehlende Detailarbeit an einigen Stellen wieder zunichte gemacht wurden.

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