Hillary Clinton versus Barack Obama! President Forever enthält in der aktuellen Fassung nun auch die Vorwahlen, und verspricht ein tiefgreifendes Spielerlebnis. Da lässt sich ein Politikjunkie selbstverständlich nicht lange bitten und knallt sich das nicht einmal 10 mb große Spiel auf die Platte. So oft gibt es wohl nicht die Gelegenheit, einen wahrhaft historischen US-Wahlkampf zu führen – schließlich könnte zum ersten Mal ein Afroamerikaner oder eine Frau zukünftig die Geschicke des wohl einflussreichsten Staates der Welt lenken. Und immerhin: President Forever verspricht die "tiefgründigste Wahlsimulation, die jemals geschaffen wurde" zu sein.
Was tu‘ ich hier eigentlich? Teil 1
Dieser Abschnitt sei eine kurze Einführung für alle, die mit dem US-Wahlsystem nicht so viel am Hut haben. Für jede Partei gibt es Kandidaten, die gerne ins Weiße Haus einziehen würden. Weil aber nur einer nominiert wird, führen die "Bewerber" einen internen Vorwahlkampf – die sogenannten Primaries. Nach Abschluss dieser steht entweder der Nominierte fest, oder er wird beim Parteikongress endgültig ermittelt. Im Laufe der Vorwahlen, nicht überall gleichzeitig stattfinden, kann ein Kandidat in "Primaries" und "Caucuses" (zwei Wahlmodi deren Differenzierung hier zu weit führen würde, schon alleine weil die Auszählverfahren mitunter kurios anmuten) Delegierte in jedem Staat gewinnen, die je nach Stimmenverhältnis aufgeteilt werden. Die Anzahl dieser Gesandten ist abhängig von der Einwohnerzahl, zudem gibt es "Super Delegates" – Delegierte die sich erst am Kongress frei für einen Kandidaten entscheiden. Wer schlussendlich insgesamt am meisten Delegiertenvoti hat, wird zum Präsidentschaftsanwärter gekürt.
Dort geht das Wahlspielchen von vorne los, und wieder gibt es für jeden Staat Delegierte zu gewinnen. Jedoch mit zwei wichtigen Unterschieden: Es gibt nur noch stimmengebundene Delegierte und es gilt das "The Winner takes it all"-System. Wer nach Auszählung auch nur eine Stimme mehr hat, erhält die Delegiertenstimmen des kompletten Staates. Das wiederum kann in ungünstigen Fällen dazu führen, dass der künftige Präsident weniger Wähler- aber mehr Delegiertenstimmen als sein Konkurrent hat. Feinheiten und Kritik am Wahlsystem sind jedoch ein anderes Kapitel und nicht weiter von Bedeutung in diesem Test.
Was tu‘ ich hier eigentlich? – Teil 2
Der informierte Wahlkampfneuling hat es nicht ganz einfach in "President Forever". Die angekündigte Tiefgründigkeit dieses Softwaremachwerks zu ergründen ist nämlich gar nicht so leicht. So sehr sich Entwickler TheorySpark möglicherweise mit der Umwandlung politischer Faktoren in Bits und Bytes beschäftigt haben, so wenig haben sie es offenbar mit dem Konzept ordentlicher Menüführung. Seine eigene Kampagne auf Kurs zu bringen scheitert zuerst weniger an der Komplexität des Spieles, sondern an jener der Navigation. Wobei das richtige Attribut nicht "komplex" sondern "kompliziert" oder "umständlich" wäre. Erschwerend kommen an manchen Stellen Icons hinzu, die sich nicht so recht mit ihrer Bedeutung identifizieren lassen. Bis man durchschaut hat wo sich was befindet, um sich nunmehr bevorzugt um die Spielmechanik zu kümmern, vergehen gut und gerne zwei bis drei Wahlkämpfe (circa anderthalb Stunden). Will man zudem nicht dauernd hin und her schalten, so ist es ratsam nebenbei eine Liste mit Delegiertenzahl und Wahltermin für alle Bundesstaaten bereit gelegt zu haben.
Angesichts dessen sowie der Tatsache, dass amerikanische Politik keine einfache Materie ist, würde man nun ein Tutorial erwarten, dass dem Spieler zumindest die Grundlagen beibringt. Bei TheorySpark scheint man das aber anders zu sehen und begnügt sich mit einer mäßig brauchbaren Hilfedatei – und reduziert damit den Spassfaktor für viele unbedarftere Spieler wohl enorm.
Realismus und andere Gemeinheiten
Weil mir Clinton zu sehr nach Establishment riecht und ich Obama’s "Yes We Can" Kampagne verfallen bin, stürze ich mich selbstverständlich in seiner Person in die Schlacht. Damit stehe ich Anfangs vor einer geballten, blauen Wand, da locker drei Viertel der US Bundesstaaten deutlich auf Seiten Hillary’s stehen. Lediglich Ohio, Indiana und – mit Abstrichen – Illinois, gelten als pro Obama. Um der ehemaligen First Lady und anderen Kandidaten nun die Stimmen abspenstig zu machen, stehen mir verschiedene Mittel zur Verfügung…
Ganz konventionell lässt sich Werbung in TV, Radio oder Zeitungen schalten, in der ich mich entweder selbst mit thematischem Fokus bewerbe oder einen Gegner schlecht rede. Je nach Art der Werbung und Größe der damit beglückten Bundesstaaten kostet mich die Kampagne verschieden viel. Dann kann ich mich auch um Endorser kümmern, also Einzelpersonen oder Institutionen (wie Gewerkschaftsbände) die mich mit entsprechenden Boni zur Wahl empfehlen. Diesen kann ich nun "PIPs" zuschanzen oder im Wahlkampf mehr auf ihre Themen eingehen. Zudem kann ich mich bei jedem Thema für eine Position zwischen weit-links und weit-rechts entscheiden, die ich grundsätzlich vertrete. Zudem ist es möglich, verschiedene, meist populäre Leute zu engagieren, für mich die Werbetrommel zu rühren, oder Leute zum Campaigning oder Geld beschaffen auf die Strassen zu schicken. Weiters ist es sinnvoll "Crusaders" anzuheuern, wichtige Persönlichkeiten die für den Spieler fortan die Werbetrommel rühren. Abschliessend bleibt auch noch der Griff zum Schmutzkübel, mit dessen Hilfe ich vergangene Hoppalas meiner Mitstreiter zu Tage fördere und verbreite. Das alles will klug kombiniert werden, um am jeweiligen Wahltag auch den größten Anteil an der Wählergunst hinter sich zu haben.
chließlich darf man dem Alter Ego auch noch die Woche durchplanen: Dabei weist man jedem Tag eine Aktivität zu, und lässt ihn oder sie "barnstormen" (allgemein: "Stimmung machen"), eine Rede halten, aktuelle Themen studieren, sich auf Debatten vorbereiten, an der Kampagne feilen oder schlicht und einfach pausieren. Letzteres ist durchaus sinnvoll, denn jeder Teilnehmer hat eine Leiste für Energiepunkte, die durch Wahlkampfaktivitäten und Reisewege geleert wird. Sinkt diese unter den Nullpunkt, so haut es einen schonmal um. Und das gibt ganz und gar nicht positive Schlagzeilen. Wo wir gerade dabei sind: Neben einer minutiösen Auflistung über eingenommenes Geld oder Zehntelprozent die ein Promi für dich vom Pool der Unentschlossenen lukrieren konnte gibt es abschließend zur Woche eine Übersicht der täglichen Zeitungsheadlines samt Auswirkungen. "Obama wins debate!" dick und fett an erster Stelle über mehrere Tage hat da natürlich einen deutlich positiveren Effekt als wenn "Obama Scandal!" diesen Platz einnehmen würde. Genauso wie Wahlsiege respektive -niederlagen wirkt sich dies kurzfristig auf das oft beschworene "Momentum" aus.
Leider gibt es keinen wirklich "freien" Modus, in dem sich die Startbedingungen grundsätzlich ändern lassen würden, lediglich ein paar Einflüsse sowie einzelne Kandidaten lassen sich an- und ausschalten. Daneben sind die Wahlkampfszenarios von heute bis zurück ins Jahre 1992 vorhanden. Die fehlende Konfiguration verhindert leider einen ausgeglichenen Start, und somit hat man es beispielsweise bei den Demokraten als Hillary Clinton ungleich leichter als alle anderen, galt sie doch zu Beginn der Vorwahlen als haushohe Favoritin. Sie verfügt über mehr Geld, PIPs und Control Points (die beispielsweise für die Crusader gebraucht werden) und die größte Wählerschaft. Um eine echte Chance zu haben muss man also gleichzeitig ihr das Wasser langsam abgraben und die anderen Bewerber möglichst schnell zum Rückzug bringen. Dazu bietet sich neben den erwähnten Mitteln der gezielten Kampagne auch Verhandlungen an, die jedoch sehr oberflächlich gestaltet und unrealistisch sind, da sich selbst komplett chancenlose Kandidaten nur über exzessiven PIP-Einsatz zur Aufgabe bewegen lassen. Das ist mitunter frustrierend, wenn jemand ein solches Angebot abschlägt, aber kurz darauf ohne signifikanter Änderung des Status Quo von selbst das Handtuch wirft. Insgesamt ist es am mittleren der drei Schwierigkeitsstufen enorm schwer, wenigstens mit Hillary Clinton Schritt zu halten.
Kein Charme
Auf akustische Untermalung abseits des Hauptmenüs verzichtet das Spiel gänzlich. Nebenbei eigene Musik laufen zu lassen ist jedoch kein Problem, denn President Forever läuft ausschließlich im 800×600 Fenstermodus. Damit ist es auf einem 1024×768 Laptopbildschirm durchaus spielbar, dürfte sich aber auf Monitoren mit 22-Zoll und aufwärts ausgesprochen als ausserordentlich fitzelig erweisen. Von den verwirrenden Icons abgesehen erinnert die Kreation von TheorySpark frappant an Spiele wie "Uplink" und Konsorten. Alles ist etwas futuristisch und im Star Trek – Stil gehalten, sieht aber alles andere als spektakulär aus. Eigentlich wirkt die Gesamtgestaltung beinahe lieblos und ist ein Paradebeispiel dafür, wie man es mit der Ernsthaftigkeit übertreiben kann.
Ähnliches gilt für das Spielprinzip: Eine Weile macht es Spaß, seinen Wahlkampf einigermassen durchzuplanen, die Wochenaufgaben festzulegen und seine Positionen zu adjustieren. Aufgrund der sich stetig ändernden Situation ist man auch zu einer gewissen Anpassung gezwungen, die besteht auf Dauer aber auch nicht mehr als "mehr Klicks da, dafür weniger hier". Durch das spielen der anderen Szenarios, eines anderen Politikers oder im Hot-Seat gegen menschliche Gegner kann man dieser konzeptbasierten Misere auch nur temporär entgehen, man wird immer wieder eingeholt von der Parallele zu vielen "Tycoon-Games".
Erschwerend kommen dann auch noch Bugs hinzu: Spielt man das Spiel nicht mit seinem Originalcharakter fertig, sondern nimmt das Angebot an, in der Haut des Vorwahlsiegers weiterzuspielen (logischerweise nur, wenn man sich selbst nicht durchsetzen kann), so treten unweigerlich Access Violations auf und machen es unmöglich das Spiel zu Ende zu bringen. Man verpasst jedoch nur mäßig viel, denn im Grunde ändert sich nichts, bis auf die Umstellung der Planung auf jeweils nur einen Tag und der Tatsache, dass man es nur noch mit einem Konkurrenten zu tun hat und einen "Running Mate" ins Rennen schicken darf, der ein paar der einstigen Wochentasks zusätzlich übernehmen kann.
Fazit
President Forever hat ein sehr ansprechendes Thema, aber verschenkt leider von vorne bis hinten eine ungeheure Menge Potential. Das beginnt bei der äusserst biederen Präsentation, reicht über die unglückliche Benutzerführung bis hin zum auf Dauer sehr repetitiven Spielkonzept und endet schließlich bei schweren, technischen Problemen beim Spielerwechsel nach der Vorwahl. Das ist selbst beim Anlegen eines niedrigeren Maßstabs für ein 20$-Indiegame einfach zuwenig. Das Spiel bietet leider nicht die Abwechslung, die bei der Umsetzung eines so breit gefächerten Themas wie den amerikanischen Wahlen möglich gewesen wäre. Einige gute Ansätze sind sicherlich da, ebenso wie ein paar Stunden Unterhaltung – wer aber langfristiges Entertainment sucht, ist hier beim falschen Game. Nach fünf bis sechs Antritten hat man alles gesehen, was TheorySpark’s Programm dem Spieler bieten kann und ist ab dann mangels brauchbarer Szenarioeinstellungen einfach nur mehr gelangweilt. Es war sicherlich nicht der allerschlechteste Anlauf, vom Erfüllen der eigenen, großen Versprechen ist President Forever jedoch – und leider – meilenweit entfernt.