Mit Das Geheimnis der Druiden hat House of Tales vor einigen Jahren bereits Potential bewiesen, nach dem Aufschwung des Adventuregenres über die letzten Monate hinweg kommt nun genau zum richtigen Zeitpunkt der zweite Titel der deutschen Entwickler. The Moment of Silence wurde im Vorfeld als größte Adventure-Hoffnung des Jahres stilisiert. Auf unserem knallharten Prüfstand muss es sich nun beweisen…
Terror und Angst, Überwachungsgesetze und Untergrundorganisationen, persönliche Freiheit oder kollektive Sicherheit – nach den Ereignissen der letzten Jahre sind diese Themen schon heute brandaktuell. Für Peter Wright werden sie im Jahre 2044 zu einer Frage von Leben und Tod. Gerade eben hat der Ärmste seine Familie bei einem Terroranschlag auf ein Flugzeug verloren, da wird er in seiner Trauer von einem nächtlichen Polizeieinsatz geweckt. Aber nicht seine Tür, sondern die des Nachbarn wird von einem mysteriösen Sonderkommando gesprengt, und der nebenan wohnende Vater und Ehemann verschleppt. Die Polizei will davon auf Nachfrage aber gar nichts wissen. Im 23. Stock gerät Peter in ein gigantisches Verschwörungsepos.
Schnell findet er heraus, dass sein Nachbar Online-Journalist für große Zeitungen war, und will wissen woran er zuletzt gearbeitet hat. Auf seiner Suche durchquert er nicht nur eine Raumstation, ein SETI-Institut und eine Bohrinsel, sondern auch diverse Teile von New York City. Durch das Gettho der Lower East Side, ein Bürogebäude in Manhatten, eine idyllische Straße in Greenwich Village, den JFK-Flughafen und einige andere Lokalitäten wandert Peter dahin.
Trotz seiner vollkommen naiv-verblendeten Einstellung gegenüber der Absichten der Regierung (mittlerweile gibt es nur noch eine große Weltregierung) trifft er auf seiner Suche auf etwas verrückte Hacker, paranoid wirkende Opas, ein streitsüchtiges Paar Arbeitskollegen und andere mehr oder weniger gewöhnliche Menschen. House of Tales hat alles versucht um die Charaktere abwechslungsreich zu gestalten, konnte aber natürlich nicht auf vollkommen abgedrehte Gestalten zurückgreifen. The Moment of Silence soll immerhin authentisch wirken, und das gelingt auch über weite Strecken.
Dies liegt vor allem an der Art wie die deutschen Entwickler die ganze Welt des Spiels aufgezogen haben. Technologien und Entwicklungen, die schon heute absehbar oder im Gange sind, wurden weiter gedacht und zu einer glaubwürdigen Welt zusammengesetzt. 2044 lebt jeder scheinbar in einer freien Welt, was sich hinter den Kulissen abspielt weiß niemand. Wie in Nineteen-Eighty-Four, George Orwells ewigem Musterbeispiel für fiktive Faschisten-Utopien, hängen überall Bildschirme an den Wänden – Werbung und Propaganda gelangt so in Wohnungen, auf die Straßen und damit auch in die Köpfe der Leute. Auch Peter ist anfangs von den guten Absichten der Regierung überzeugt, als gerade die Kampagne für ein neues Sicherheitsgesetz anläuft…
Leider fehlen der linearen Geschichte von The Moment of Silence ein wenig die Überraschungen. Vieles ist zu vorhersehbar, zu selten nimmt der Lauf der Dinge eine unerwartete Wendung.
Rätsel sind in TMoS ein zweischneidiges Schwert. Meist nachvollziehbar aufgebaut, enttäuschen sie aber sehr oft durch einen unkreativen und langweiligen Aufbau. Ein Beispiel: An einer Stelle funktioniert eine Mikrowelle nicht. Wo andere Spiele nun anspruchsvolle Knobeleien oder gar witzige Lösungen anbieten, muss Peter einfach den Stecker in die dazugehörige Dose rammen und die Sicherung im entsprechenden Schaltkasten einschalten. Was Einsteigern vielleicht entgegen kommt, ist für Profis eindeutig zu banal. Andererseits fragt man sich bei anderen Puzzles wieder, wie auf die Lösung überhaupt irgendjemand von selbst kommen sollte. Frustrierend ist es auch, dass Peter sich gewisse Dinge merkt, und andere nicht. Wenn ihm beispielsweise ein Passwort mitgeteilt wird, muss man schnell Bleistift und Papier zur Hand haben, denn es könnte sein, dass er es nicht automatisch am passenden Ort einsetzen kann. Dann beginnt die ganze Prozedur wieder von vorne.
Dieses "Immer wieder dasselbe tun"-Problem beschäftigt The Moment of Silence-Spieler häufiger im Spielverlauf. Nicht nur, dass man zahllose Male über die gleichen, gerenderten Hintergründe rennt, das Programm erspart einem auch Routine-Aktionen nicht. So muss man beim Betreten und Verlassen seines Hauses jedes Mal dem Lift zusehen wie er aus dem Ergeschoss in den 23. Stock fährt, sich immer wieder identifizieren wenn man ein Gebäude betritt oder immer wieder anrufen, wenn man in einen (geöffneten) Laden mit verschlossenen Türen möchte.
Wie bereits kurz angeschnitten sind die Laufwege von Peter leider nicht zu kurz ausgefallen, was die ansonsten recht ordentliche Spielzeit in einem anderen Licht erscheinen lässt. Zwischen 15 und 20 Stunden dürfte diese immerhin schwanken, von den im Vorfeld versprochenen 40 Stunden kann aber keine Rede sein.
Während man lange Spaziergänge aber noch aus anderen Adventures gewöhnt sein könnte, stört die Steuerung teilweise wirklich. Zwar hat die neben einer Lauf- auch eine praktische Hilfe-Funktion in der Trickkiste (mehr dazu gleich), leider vereiteln die ständigen Kamerawechsel in unglückliche Positionen aber gehörig das unbeschwerte Lenken. So weiß man oft nicht wohin man klicken muss, um zum nächsten Bildschirm zu gelangen, fuchtelt mit der Maus wie mit einem Staubwedel rum und irrt so sinnlos umher. Auch die von den Entwicklern vorgedachten Wege sind nicht immer nachvollziehbar. So steht man mitten auf einer Wiese und will links aus dem Bild. Dazu rennt Peter aber erst ans rechte hintere Eck um dannach in die gewünschte Richtung abzubiegen.
Jetzt noch einmal zur Hilfe-Funktion. Per Druck auf die H-Taste eurer Tastatur könnt ihr alle Ausgänge aus einem Bild einblenden lassen. Wenn man 3 Sekunden auf der Taste bleibt, werden außerdem alle brauch- bzw. nutzbaren Gegenstände der Szenerie eingeblendet. Eine sehr praktische Errungenschaft von House of Tales, die aber leider nicht bei jedem problemlos funktioniert, was ein Blick ins offizielle Forum sowie auch unsere eigenen Erfahrungen zeigen. Leider ist die Funktion aber sehr wichtig für das Spiel, da unter anderem manche Gegenstände recht klein sind. Insgesamt muss man die Steuerung trotz guter Ansätze als vermurkst bezeichnen, auch weil man es verabsäumt hat eine Übersichtskarte einzubauen mit der man schnell an gewisse Orte gelangt, anstatt immer wieder genervt minutenlang herumzulaufen.
Gelungen ist dafür die optische Umsetzung. Zwar sind die gerenderten Hintergründe nur spärlich animiert, dafür aber sehr liebevoll gestaltet. Alle Menschen werden als 3D-Figuren dargestellt, was ebenfalls recht gut gelöst erscheint. Störend ist nur, dass die Örtlichkeiten sehr unbelebt wirken. Auch wenn House of Tales zuletzt noch massenhaft Statisten eingebaut hat, eine belebte Großstadt des 21. Jahrhunderts sieht einfach anders aus. Menschen stehen nicht einfach nur herum, liebe Entwickler.
Während die Optik wegen diesen kleinen Macken "nur" gut ist, kann man beim Sound kaum meckern. Die musikalische Untermalung ist dem was auf dem Bildschirm passiert sehr überzeugend angepasst und qualitativ hochwertig ausgefallen. Wie von dtp mittlerweile fast schon gewohnt ist die Synchronisation von prominenten Sprecher (Bruce Willis, Julia Roberts, George Stobbard) nahezu perfekt umgesetzt worden, wodurch die etwas längeren (aber oft interessanten oder humoristisch angehauchten) Dialoge nicht stören.
Es gibt gewisse Dinge im Leben die mich nerven. Eines davon ist, wenn Spiele an dummen Fehlern scheitern. Und genau das ist bei The Moment of Silence der Fall (auch wenn es trotz allem ein gutes Spiel ist). Auch in der Verkaufsversion sind noch Fehler enthalten die wir schon vor Monaten an der Previewversion kritisierten, und die eigentlich jedem Playtester übel auffallen müssten. Hätte das Spiel nicht eine atmosphärische und spannende Story im Angebot würde es aufgrund der angesprochenen und durchaus vermeidbaren Schwächen im bitteren Durchschnitt versinken. Wer also bei einem Adventure hauptsächlich Wert auf perfekte Präsentation oder superbes Rätseldesign legt, sollte lieber warten was die kommenden Genrevertreter wie Clever & Smart oder Sherlock Holmes (Preview folgt bald) diesbezüglich bringen. Wenn jemand allerdings durch gute Geschichten immer wieder zum Weiterspielen angeregt werden kann, darf ich ihm The Moment of Silence gerne ans Herz legen.