Ein Neuanfang fürs Genre?

An vollmundigen Versprechungen für das MMORPG Tabula Rasa hat es nicht gemangelt. Richard Garriot, seines Zeichens Pionier des Genres, wollte mit dem Spiel ein völlig neues Spielgefühl vermitteln und ein wenig frischen Wind ins eingetrocknete Genre bringen. Während der Entwicklung wurde das komplette Spielkonzept gekippt und man hat noch einmal fast von vorne angefangen. Kann Tabula Rasa nun überzeugen?

Nach anfänglicher Euphorie hinterlies schon die Beta bei mir einen eher faden Beigeschmack. Zu sehr erinnerte das Gameplay an klassische Genrevertreter wie eben World of Warcraft oder Guild Wars. Von den vollmundigen Versprechungen blieb eigentlich nicht viel mehr als ein nettes Online-Rollenspiel mit vielen Macken übrig. In der finalen Version hat sich nun doch noch einiges zum Guten gedreht und so bekommt man zwar sicherlich keinen Ferrari, aber immerhin eine C-Klasse auf die Festplatte. Freunde gepflogener Action werden sich ohnehin von Anfang an wohlfühlen. Schon im Tutorial wird man in Schusswechsel verwickelt, muss Barrieren aus dem Weg sprengen und einen Außenposten von der fiesen Alienbrut befreien. Denn in Tabula Rasa werden wir direkt vom Einstieg an mit dem Erzfeind der Menschheit, den Bane, vertraut gemacht und schlagen uns nicht erst mit Bären und Rehen herum. Die Bane haben die Menschheit von der Erde vertrieben und nun formiert sich ein Widerstand. Wir sind Gott sei Dank nicht alleine, sondern können auf die Unterstützung der außerirdischen Eloh bauen, die ebenfalls von den Bane angegriffen werden und uns nützliche Informationen hinterlassen haben, die wir, sobald gefunden, direkt abrufen und für die Nutzung von Skills verwenden können.

Das Salz in der Suppe eines jeden Rollenspiels ist natürlich der Levelaufstieg und die daraus resultierenden Spezialisierungsmöglichkeiten. In Tabula Rasa startet man quasi in einer Einheitsklasse, dem Rookie, und kann sich mit Level 5,15 und 30 weiter für einen der zahlreichen Klassen entscheiden. Der Grundlegendste Schritt steht bereits mit Level 5 an, denn dann entscheiden wir uns zwischen dem Weg des Kriegers oder des Supporters. Auf dem Schlachtfeld wird man also sowohl bis an die Zähne bewaffnete Krieger mit Panzerfäusten und Lasergeschützen-, als auch leicht geschütztzen Heilern und Biotechnikern begegnen.

Übrigens machen es einem die Bane nicht wirklich einfach. Auf jeder Karte gibt es zwei Festungen, die von den Bane unter Beschuss genommen werden können. Wenn der Angriff nicht abgewehrt wird, dann nisten sich die Aliens dort erst einmal ein und wir müssen unseren Einkaufsbummel und die Quests vertagen, bis wir die Monster wieder rausgeprügelt haben. In jede dieser Schlachten sollte man gut vorbereitet gehen. Gegen Maschinen nimmt man sich am besten EMP-Waffen zur Hand während Fußsoldaten am besten mit Schrotflinten und entsprechender Munition zu Fall gebracht werden können. Wem die Quests und Handlungen mal zu langweilig werden, der darf sich auch in eine der vielen instanzierten Dungeons wagen. Interessant ist, dass die Gegnerzahl variiert – je nachdem mit wie vielen Gruppenmitgliedern man eine Instanz betritt. In jeder Zone gibt es interessante Quests, die sich durch die Instanzen ziehen und mit besonders guten Belohnungen schmackhaft gemacht werden. Das hört sich bisher sicherlich alles ganz solide an, aber es gibt auch mehrere Dinge, die ich zu bemängeln habe. Zum Ersten ist da das Handwerkssystem, was grundsätzlich überhaupt keine Rolle im Spiel spielt. Der Handelschat ist verwaist und Spieler, die sich vorrangig aufs Handwerk konzentrieren wollen, werden sicherlich enttäuscht werden. Es gibt zwar viele verschiedene Handwerksrichtungen, entsprechende Rezepte droppen aber nur bei höherstufigen Gegnern. Bis dahin muss man sich mit langweiligen Aufwertungen diverser Attribute begnügen.

Auch das Interface hinterlässt einen durchwachsenen Eindruck. Wenn man eine Handelsanfrage oder Gruppeneinladung erhält, dann wird man nur durch ein kleines, blinkendes Icon darauf aufmerksam gemacht. Im Eifer des Gefechts kann das leicht übersehen werden. Schwer haben es außerdem Heiler oder Supporter im Allgemeinen. Wenn sich Mitspieler schnell bewegen ist das Anviesieren dieser nur sehr schwer möglich. In Instanzen bin ich schon oft Opfers dieser Fehlprogrammierung geworden.

Nicht sehr verwunderlich aber auch nicht wirklich erfreulich ist die Tatsache, dass ein richtiges PvP-System nicht ausgearbeitet wurde. Schließlich geht es in dem Spiel ja auch vorrangig darum, dass die Menschheit als Einheit den außerirdischen Gegner bekämpft. Spezielle Arenen oder Schlachtfelder für Spieler gegen Spieler Duelle wird es nicht geben. Es ist lediglich möglich einfache Duelle zwischen Gruppen oder Clans durchzuführen, die dann auf der Homepage vermerkt werden. Spezielle Belohnungen werden dafür jedoch nicht ausgesprochen.

Lobenswert möchte ich abschließend noch erwähnen, dass Destination Games ein erfreulich bugfreies Spiel abgeliefert hat. Viele kleine Fehler der Betaversion wurden behoben und inzwischen wurde auch ein zweiter europäischer Server angekündigt, der den teilweise hoffnungslos überfüllten ersten Kumpanen entlasten soll. Die große Euphorie möchte sich bei mir trotzdem nicht breitmachen. Dafür wurde das Spiel, nicht zuletzt auch von den Entwicklern, einfach zu sehr gehypt. Letztlich ist es eben ein Online-Rollenspiel in unverbrauchtem Szenario mit toller Schlachtfeldatmosphäre, gelungener Shooter-Rollenspiel-Mischung und abwechslungsreichen Instanzen und Quests. Spieler, die von Elfen, Orcs und dem immer selben Fantasyszenario genug haben, die sollten Tabula Rasa auf jeden Fall eine Chance geben. Spieler, die auf Crafting oder eine generelle Revolutionierung des Genres setzen, sollten vielleicht eher auf andere Titel warten.

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