Ein echter Molyneux mal ganz ohne Götter

In den ersten zwei Stunden ist ‚The Movies‘ ein großartiges Spiel: Ihr baut ein eigenes Filmstudio in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts auf, erforscht und errichtet Kulissen, stellt Schauspieler und Regisseure ein, kümmert euch um ihr Wohlergehen und dreht natürlich eigene Filme, mit deren Einnahmen ihr wiederum euer Studio erweitert. ‚The Movies‘ fühlt sich an wie ‚Theme Park‘, es sieht so aus wie ‚Theme Park‘ und es spielt sich auch fast wie ‚Theme Park‘, garniert mit einer kleinen Portion ‚Die Sims‘.

Doch dann, wenn die ersten zwei Stunden vorbei sind, ist ‚The Movies‘ auf einmal so gar nicht mehr wie Peter Molyneuxs Klassiker. Drehbuch schreiben lassen, Casting durchziehen, Dreharbeiten starten, warten – der Ablauf wiederholt sich im Minutentakt. Neues gibt es nicht, nur das viel zu umständliche Umsorgen von Stars und Sternchen beschäftigt noch, wenn man sich denn davon beschäftigen lassen will.

Regisseur oder Manager?
‚The Movies‘ wäre also ein ganz gewöhnliches Tycoon-Spiel, wie es sie so viele gibt, und mal ehrlich: Wäre es nicht von Peter Molyneux, hätte im Vorfeld wahrscheinlich sowieso kein Hahn danach gekräht. Warum schreibe ich hier also trotzdem über ‚The Movies‘? „Wegen des Filmeditors“, lautet die simple Antwort. Abseits der Aufbau- und Wirtschaftsparts enthält das Spiel nämlich einen komplexes und fast eigenständiges Programm, mit Hilfe dessen ihr eigene Drehbücher schreiben, Filme drehen, vertonen, schneiden und online stellen könnt. Denn während die Mühe allein für das Spiel selbst viel zu schade wäre, macht es richtig Spaß, seine Werke im Internet zu veröffentlichen und bewerten zu lassen. Lionhead hat dankenswerterweise auch gleich eine eigene Website dafür eingerichtet, wohl der Tatsache bewusst, dass der Filmeditor viel interessanter als das Spiel an sich ist.

Klassische Storys
Fast alles, das zum Dreh eines echten Films dazugehört, findet sich auch in ‚The Movies‘ wieder. Als erstes muss natürlich ein Screenplay geschrieben werden, in dem ihr den groben Ablauf der Ereignisse festlegt:

Liebesfilme beispielsweise beginnen traditionellerweise mit dem ersten Aufeinandertreffen des späteren Paares, sie lernen sich kennen und schätzen, doch dann folgt ein Konflikt, welcher die beiden auseinander bringt – überlicherweise ist der Mann schuld und dann heißt es: „Du meintest es gar nicht ernst mit mir, Du hast mich belogen, buhuhuhu!“ Dann jedoch kommt der rettende Einfall des Mannes, die Frau besinnt sich doch wieder ihrer Gefühle und letztlich wird doch etwas aus dem erwarteten Happy-End.

Wir spielen Uwe Boll
Genauso könnt ihr Filme auch in ‚The Movies‘ aufbauen: Ihr wählt Kulissen und Schauspieler aus, kleidet sie an und dürft natürlich auch die Drehorte nach euren Vorstellungen ausstatten. Danach geht es ins Detail: Auf zig Animationen wählt ihr eine für die Situation passende aus und beginnt mit dem Finetuning: Sollen sich die Widersacher in einem Actionfilm so richtig übel vermöbeln oder sind ein paar leichte Schubser als Reaktion vielleicht erstmal angebrachter? Muss es in einem Liebesfilm zwischen Männlein und Weiblein so richtig zur Sache gehen oder zerstört die Darstellung einer wilden Nacht nicht die Atmosphäre? Sind die Dreharbeiten abgeschlossen, könnt ihr euren Film noch zurechtschneiden und mit eigener Sprachausgabe versehen, so dass auch Außenstehende verstehen, worum es überhaupt geht. An Komplexität ist der Filmeditor für heutige Verhältnisse wirklich kaum zu überbieten, auch wenn der Arbeitsaufwand für einen wirklich guten 5-Minuten-Film mehrere Tage betragen kann.

Ein neues Sims?
‚The Movies‘ kommt eigentlich genau zum richtigen Zeitpunkt und sein kostenloses Onlineangebot zur Veröffentlichung und Bewertung von Filmen ist geradezu genial: Wenn man bedenkt, wieviel Aufwand viele Spieler darein gesteckt haben, mit ‚Counter-Strike‘, ‚Battlefield‘ oder ‚Quake‘ halbwegs ansprechende Filme zu drehen, kann man Lionhead und Peter Molyneux zu ihrer Weitsicht nur gratulieren. ‚The Movies‘ als eine neue Form der Kommunikation unter Spielern zu bezeichnen, wäre vielleicht ein wenig übertrieben, doch andererseits: In welchem anderen Spiel kann man schon so seine Kreativität ausleben und die Ergebnisse auch noch mit anderen teilen? Der Filmeditor, da bin ich mir sicher, wird uns noch lange beschäftigen und dafür sorgen, dass ‚The Movies‘ so schnell nicht in Vergessenheit gerät. Auch wenn das Spiel selbst nicht der Rede wert ist.

Cool? Dann erzähl doch anderen davon! Danke! :)