Strategie-Altmeister Chris Taylor kehrt in diesem Jahr mit ’Supreme Commander’ zu seinen Wurzeln zurück und wir haben uns mit ihm über das neue Echtzeit-Strategiespiel unterhalten. Um was es sich bei den geheimnisvoll klingenden experimentellen Einheiten handelt, wer der Supreme Commander eigentlich ist und was für Probleme sich hinsichtlich des ehemals angepeilten Einheitenlimits ergeben haben, erfahrt ihr in diesem Interview.
Hallo Chris! Wie fühlst du dich nach deinem Ausflug in die Welt der Rollenspiele jetzt, in das Genre zurückzukehren, zu dessen Entwicklung du so viel beigetragen hast?
Es tut gut, wieder Echtzeit-Strategie zu machen und dort Möglichkeiten für Neuerungen zu finden. Das habe ich seit vielen Jahren vermisst.
Wie lange hattest du schon die Idee für ‘Supreme Commander’ im Sinn? Dein letztes Echtzeit-Strategiespiels (’Total Annihilation’) wurde ja vor acht Jahren veröffentlicht…
Angefangen mit den Überlegungen dazu hatte ich gleich nach der Gründung von Gas Powered Games. Tatsächlich aber habe ich jahrelang nichts aufgeschrieben. So ist halt meine Arbeitsweise. Meine Theorie ist, dass alle schlechten Ideen einfach in Vergessenheit geraten und nur die guten Ideen fortbestehen.
Du hast früher einmal erwähnt, dass ‘Supreme Commander’ kein typisches RTS-Game sein wird. Es soll nach deinen Worten eher so sein, dass die Spieler ein Spiel mit viel mehr echten strategischen Elementen als in vergleichbaren aktuellen Spielen zu Gesicht bekommen. Wie dürfen wir uns denn die Darstellung des Krieges in ’Supreme Commander’ vorstellen?
Mit vielen der Spielelemente von ‘Supreme Commander’ werden [die Spieler] aus gutem Grund vertraut sein. Trotzdem haben wir uns einige gravierende Änderungen in der Art, wie das Spiel betrachtet wird und wie mit ihm interagiert wird, überlegt, um ein strategisches Gameplay zu ermöglichen. Die größte Änderung bezeichnen wir als „Strategic View“, mit Hilfe derer der Spieler beliebig das Geschehen heran- und herauszoomen kann. Der nächste große Bereich sind Umfang und Ausmaße von Einheiten sowie der Map, was es uns erlaubt, Einheiten zu designen, die somit untereinander in den korrekten Proportionen stehen. Zum Beispiel kann ein Schlachtschiff so groß erscheinen, dass es zwei Bildschirme ausfüllen wird, sobald du soweit wie möglich auf das Schiff hineinzoomst.
Und wie sollen die Möglichkeiten des Hinein- und Hinauszoomens den Spielern helfen, nicht auf dem Schlachtfeld die Übersicht zu verlieren?
Den Überblick zu verlieren ist unmöglich: Sobald der Spieler hinauszoomt, bekommt er ein klares Bild von all dem, was passiert, präsentiert. Außerdem wird dabei jede Einheit nahtlos in ein klar sichtbares Icon übergehen. In dieser Ansicht steht alles genau an seinem Platz und macht das Spiel zu einem flüssigen und nahtlos übergehenden Erlebnis.
Bei ‘Supreme Commander’ handelt es sich ja nicht um das Sequel zu ‘Total Annihilation’. Trotzdem wird es oft mit dem Klassiker verglichen. Nervt dich das nicht manchmal?
Überhaupt nicht. Ich denke, das ist eine naheliegende Verbindung und ich kann ganz gut damit leben.
Einige Screenshots sehen auch wirklich so ähnlich wie ‚Total Annihilation‘ aus, oder?
Da gibt es einige, die dessen „Atmosphäre“ haben. Das war aber von uns aus nicht so beabsichtigt. Ich glaube aber, dass je näher das Spiel seiner Veröffentlichung kommt, man die Unterschiede klarer sehen werden kann. Die Sache ist ja die, dass ich beide Spiele entwickelt habe. Viele meiner Ansichten über Design sind heute die gleichen. Als ich 1996/97 ’TA’ entwickelte, konnte ich damals einfach nur noch nicht viele der Sachen machen, die heute möglich sind.
Hatten die zu erwartenden hohen Systemanforderungen einen Einfluss auf das Design der Einheiten? Wir können uns vorstellen, dass bei den zu erwartenden großen Schlachten tausende Einheiten unterwegs sind?
Potentiell ja und obwohl wir vorhatten, tausende Einheiten darzustellen, sieht es mittlerweile danach aus, dass wir eher bei 500 dargestellten Einheiten landen werden. Die Herausforderung besteht ja nicht darin, die Bedingungen für den Singleplayer-Modus zu schaffen, sondern vielmehr für das Multiplayerspiel, wo bis zu acht Spieler teilnehmen können. Wir müssen immer das Worst-Case-Szenario im Auge behalten, wenn wir das Einheitenlimit festlegen. Die Mod-Community kann übrigens das Einheitenlimit nach eigenem Belieben einstellen, wenn man bedenkt, dass sie sehr wahrscheinlich viel schnellere Rechner zur Verfügung haben werden als die üblichen Durchschnittscomputer.
Wie ungefähr wird ein typischer Kampf in ‘Supreme Commander’ aussehen?
Die Kämpfe werden vollständig simuliert, was bedeutet, dass ein sehr forderndes Gameplay entsteht, sobald ein Kampf ausbricht. Der springende Punkt dabei ist, dass viele Strategiespiele ein so genanntes „insta-hit“-System verwenden, welches noch vor dem Abfeuern einer Einheit bestimmt, ob ein Schuss ein Treffer oder ein Fehlschuss ist. In ’Supreme Commander’ wird alles ständig simuliert. Ein Schuss wird daher erst als ein Treffer registriert, wenn er mit dem Gegner tatsächlich kollidiert und ihn somit getroffen hat. Dem Spieler wird das Geschehen daher glaubwürdiger und realer vorkommen. Er erlebt im Spiel aufregende Momente, die manchmal zufällig, überraschend und manchmal sogar komisch sein können.
Lass uns ein bisschen über die RTS-Games im Allgemeinen sprechen. Das Gameplay in Echtzeit-Strategiespielen ist größtenteils doch vorhersehbar. Glaubst du, dass wir irgendwann noch einmal in der Zukunft andere Ansätze und Konzepte für Strategiespiele sehen werden?
Diese Frage kann ich jetzt nur aus meiner Perspektive beantworten und bejahen. Man wird von uns hier schon unterschiedliche Versuche sehen. Aber was in der Industrie passieren wird, kann ich wirklich nicht vorhersagen. Allgemein würde ich sagen, dass das Genre noch in den Kinderschuhen steckt und wir deswegen in den nächsten Jahren einige fantastische Dinge sehen werden.
Was glaubst du, erwartet sich ein Spieler von einem RTS-Titel in der Zukunft?
Die Spieler erwarten Innovation und Phantasie, die sie überraschen. Das glaube ich. Es ist einfach nicht genug, wenn sich nur die Technologie weiterentwickelt, man muss den Spielern mehr als nur schöne Grafiken bieten. Wir müssen weiterhin ein ausgeklügeltes Gameplay-Erlebnis in neue Dimensionen führen, und nicht einfach nur immer die alten Denkmuster erweitern.
Wird uns also dann ‘Supreme Commander’ mit besonderen neuen Gameplay-Features überraschen? Wie steht es um den Multiplayer-Modus?
Unbedingt. Das ist das Ziel und das Herzstück der Entwicklung dieses Spiels. Wir beginnen mit einer Betrachtung der Strategie, kommen zu den gewaltigen experimentellen Einheiten, Innovation im Kommando- und Steuerungssystem bis hin zu einem hoch entwickelten User Interface. Dieses ermöglicht es den Spielern, eine große Zahl an Einheiten gleichzeitig zu steuern. Ähnlich spielend einfach wie das koordinierte Angriffssystem. Der Multiplayer-Modus besitzt ebenso viele neue Ideen, die uns begeistern. Aber das Thema bleibt für’s erste noch ein Geheimnis.
Es gibt drei spielbare Völker in ‘Supreme Commander’: Die United Earth Federation, Aeons und Cybrans. Welche Technologien nutzen sie?
Jede Fraktion greift auf eine Technologie zurück, die sie ihrer der Geschichte verbindet. Die United Earth Federation (UEF) ist von den dreien die traditionellste und benutzt Waffen, die dem Spieler wohl am meisten vertraut sind. Die Aeon repräsentieren das andere Extrem und nutzen Waffen, die am weitesten hergeholt erscheinen, vielmehr nach Science-Fiction klingen. Die Cybrans liegen irgendwo dazwischen. Die meisten Unterschiede zeigen sich aber in der Art ihrer konzipierten Funktionsweise. Unser Ziel war es, Fraktionen zu erschaffen, die unterschiedlich aussehen, im Kern unterschiedlichen Philosophien folgen, und außerdem, diese Unterschiede in das Aussehen und Feeling der verschiedenen Waffensysteme zu übertragen.
Erkläre uns bitte diese Unterschiede bezüglich der Spielweise der drei Fraktionen noch ein bisschen genauer.
Jede Fraktion benutzt dieselbe Kern-Gameplay-Mechanik. Sobald der Spieler sich aber durch den Tech-Tree hocharbeitet, werden die Einheiten verschiedenartiger hinsichtlich ihrer Funktionsweise. Wenn der Spieler den höchsten Tech-Level, oder wie wir sagen experimentellen“ [Level], erreicht hat, werden die Einheiten vollkommen einzigartig.
Welche Rolle spielen denn diese experimentellen Einheiten?
Die experimentellen Einheiten dienen verschiedenen Zwecken. Zum einen bringen sie hinsichtlich Größe, Ausmaß und Feuerkraft etwas völlig Einzigartiges in das Spiel. Sie sind nicht nur sehr teuer, sondern richten auch eine Menge Zerstörung an. Deswegen spielen sie außerdem die Rolle als eine Art Spielbeendiger. In einem Spiel wie ’Supreme Commander’ sowie wegen der großen Maps und der Einheitenzahl ist es wichtig, dass diese Einheiten dem Tech-Tree noch eins oben draufsetzen.
Und um was handelt es sich beim so genannten Supreme Commander?
Der Supreme Commander ist die Einheit des Spielers. Ich hatte schon lange das Gefühl, dass es wichtig ist, den Spieler im Spiel zu repräsentieren. Der Supreme Commander ist die perfekte Einheit, um diese Repräsentation zu erschaffen. Er knüpft darüber hinaus wunderbar an die Story und die Kampagne an. Der Supreme Commander ist jedoch nicht nur ein Avatar des Spielers. Vielmehr ist er eine sehr anpassbare Einheit, die entweder offensiv oder defensiv eingestzt werden kann. Jede Supreme Commander-Einheit verfügt über eine lange Liste an Upgrades, die den Commander an die jeweiligen Bedürfnisse des Spielers anpassen. Dieses System setzt außerdem an dem an, was wir die Sub Commander nennen, weitere Spezial-Einheiten, die der Spieler auch bauen kann.
Ich weiß, dass die Story eines Spiels ein wichtiger Teil für dich ist. Worum geht es beim Hintergrund des Konflikts der drei Völker in ’Supreme Commander’?
Die Story beginnt mit der Kolonisation der Galaxie durch unsere Regierung auf der Erde in der Gegenwart, was bedeutet, dass die Geschichte ungefähr 2006 beginnt. Die Kolonien breiten sich in der Galaxis aus und, wegen einer Reihe von Ereignissen, zerfallen in einem galaktischen Bürgerkrieg. Daraus bilden sich drei Fraktionen als die stärksten Konkurrenten um die Kontrolle der Galaxis. Bedingt durch den technologischen Fortschritt auf allen Seiten, gibt es aber keine eindeutigen Gewinner, sondern nur einen nicht enden wollenden Krieg. Dieser Krieg wütet seit gut 1000 Jahren, bevor der Spieler mit der Hintergrundstory in Berührung kommt. Sobald der Spieler das Spiel betreten hat, besteht das Ziel darin, den Krieg zu beenden.
Abschließend: Wie geht derzeit die Entwicklung von ‘Supreme Commander’ voran?
Die Entwicklung verläuft großartig und wir freuen uns schon sehr darauf, das Spiel auf der diesjährigen E3 zu zeigen!
Chris, vielen Dank für das Gespräch.