In Italien werden auch Spiele gemacht – das wissen wir spätestens seit Tony Tough. Das Abenteuer des klugscheisserischen Privatdetektives scheint auch erfolgreich genug gewesen zu sein, um einen zweiten Teil zu rechtfertigen, denn ein solcher steht jetzt im Handel. Und eines vorweg: ein Klugscheisser ist Tony Tough noch immer.
Um genau zu sein ist er es "schon", denn Tony Tough 2 spielt vor den Geschehnissen des ersten Teils. Lange davor. Tony ist ein dreizehnjähriger Hosenscheisser der hofft, eines Tages ein großer Privatdetektiv zu werden. Er lebt im <s>vertäumten Örtchen</s> beschissenen Kaff Washington im US-Bundesstaat New Mexico der 50er-Jahre. Alles beginnt harmlos. Tony kommt zur spät zur Schule, muss nachsitzen, verschluckt etwas, das man auf keinen Fall verschlucken sollte und landet im Krankenhaus. Von dort nimmt eine verrückte Geschichte ihren Lauf, in der man sich an vage Hinweise halten muss um zu wissen, was man zu tun hat.
Das ist einerseits furchtbar frustrierend, andererseits aber ein ganz besonderes Feature des Spiels, das sich tatsächlich wie die groteske Welt eines Halbwüchsigen anfühlt. Die Erwachsenen hacken auf einem herum, man hat große Träume die keiner ernst nimmt und alles was man dem als Waffe entgegensetzen kann, sind freche Sprüchen und ein klarer Verstand. Soweit man von einem solchen bei Tony sprechen kann. Seine wirren und langatmigen Monologe sind ein steter Begleiter. Zu oft wirkt der Humor darin gezwungen und nicht komisch, aber nicht immer. Es sind die kleinen Perlen zwischendurch, für die man den nervigen kleinen Kerl doch irgendwie sehr lieb gewinnt.
Der junge Tough hat in seiner Welt nicht viele Freunde, wenige sind überhaupt nett zu ihm. Kann man auch irgendwie verstehen, denn ein vorlauter Naseweis wird halt nicht gern gesehen. Sein Hund Pantagruel und der Nachbarsjunge sind aber Ausnahmen. Andere Charaktere sind wie angedeutet nicht so sympathisch und sollen es auch gar nicht sein. Alle sind sie Charikaturen auf die Epoche in der die Geschichte angesiedelt sind. Etwa die strenge Mutter, die daheim das Ruder in der Hand hält und die, bei aller Liebe für ihren Sohn, einfach nicht in mein Herz geschlossen werden will. Wahrscheinlich auch nicht, weil sie im Gespräch schon mal den latenten Rassismus ihrer Zeit zum Vorschein kommen lässt. Der Humor des Spiels ist oft sehr eigen – politisch nicht immer korrekt, manchmal sehr schwarz. Aber er hat was.
Ähnliches gilt für die Präsentation. Der Stil ist trüb und verwaschen, unspektakulär und auf seine Weise fast künstlerisch. Das kann, wenn man es zulässt schon gefallen. Aber die Technik dazu stinkt nach verfaultem Fisch. Die Animationen sind nicht die schönsten, die Renderbilder nicht die detailreichsten. Viele der Hintgründe sind nutzlos und verlängern nur die Laufwege. Vielleicht ist das der "freien" Atmosphäre zuträglich, die das Spielprinzip versprüht, aber es nervt mit der Zeit genauso wie Tonys überall dazugegebener Senf.
Durch das ganze Spiel zieht sich gut gemeintes, aber eigenwilliges und nicht immer geglücktes oder fertiges Handwerk. Die Vertonung ist gut. Meist hört man zwar wenig bis nichts, aber das passt in einem Wüstendorf ja auch. Die Stimmen passen zu den Charakteren. Es haben sich aber mitunter seltsame Fehler eingeschlichen. Wie kann es passieren, dass Tonys Stimme in manchen Dialogen beide Figuren spricht? Ab und zu mutet auch die Tonlage seltsam an. Insgesamt sind die Stimmen kein Grund, vom Kauf abzuraten, aber nicht ganz das was man von ANACONDA gewohnt ist.
Während sich die Rätselkost als meist logisch, kreativ, abwechslungsreich und angemessen schwierig erweist, und lediglich am angesprochenen Hinweismangel krankt, ist die Steuerung keineswegs gänzlich positiv zu beurteilen. Eigentlich ist sie einfach gehalten. Die rechte Maustaste führt aus, was die linke auswählt – Gehen, Beobachten, Nehmen oder Benutzen. Die Icons irritieren dabei etwas: es dauert bis man sich dran gewöhnt, dass eine Tür nicht mit dem Hand-Symbol geöffnet wird, sondern mit einem Schraubenschlüssel benutzt. Das Inventar poppt auf, wenn man den oberen Bildschirmrand fährt. Das wäre gut gedacht, wenn man nicht durch die ständigen Kamerawechsel dazu verleitet wäre, eben nach oben zu fahren, und dadurch die vorher befohelnen Aktionen abbrechen würde. Durch Dialoge klickt man sich anhand von Symbolen. Oft hat man mehrere Antwortmöglichkeiten, ohne damit andere Effekte zu erzielen. Das ist recht nutzlos, aber doch irgendwie ganz nett.
Dass das Spiel unfertig ist, gefällt mir aber gar nicht. Bugs sorgen dafür, dass manche Rätsel zu Sackgassen führen können, wenn sie zu früh gelöst werden. Andere werfen beim Speichern auf den Desktop zurück (freilich ohne ein brauchbares Savegame zu erzeugen). Wenn die unheimlich seltsamen Rendervideos abgespielt werden, schaltet das Spiel kurzzeitig zu Windows zurück. Man wird aus dem Spiel gerissen. Warum seltsam? Wieder und wieder sieht man die gleichen, schlecht geschnittenen Szenen nach den sieben Kapiteln, und immer werden sie nur etwas erweitert oder gekürzt. Die Erzählform ist wie alles an Tony Tough 2. Man kann es mögen, muss es aber nicht. Aber etwas muss mir erstmal jemand erklären: wie zum Teufel flackernde Plakatwände in Rendervideos die Qualitätskontrolle passieren können.
Alles in Allem hätte Tony Tough 2 einfach noch eine Portion Feinschliff benötigt. Die Ansätze sind gut. Der Witz gefällt insgesamt doch und der ganze Stil ist einzigartig. Nichts davon wird aber auf hohem Niveau durchgehalten – kein Bereich bleibt ohne Tadel. Und so versinkt die liebliche Nervensäge zunehmend im Durchschnitt. Wer sich mit Adventures und schwarzem Humor immer anfreunden kann, sollte sich nicht vom Kauf abhalten lassen. Die Klasse eines Sam & Max erreicht Tony nicht und allzu lang ist er auch nicht unterwegs (5-6 Stunden), aber seine Daseinsberechtigung hat der zweite Teil durchaus. Ich wünsch mir einen dritten – und mehr Geduld bei dessen Entwicklung.