Aktuelle Spiele für Nichtspieler?

Wie erschließt man neue Kundenschichten? Diese Frage stellt sich die Spieleindustrie seit Jahren, befindet sie sich doch trotz vorzeigbarer Umsätze gesellschaftlich in einer Nische: Während Film und TV zum Alltag gehören, ist es bei uns doch noch lange nicht normal, eine oder gar mehrere Konsolen unter dem Fernseher stehen zu haben, oder den PC für mehr als Internet und Word zu verwenden. Aber sind aktuelle Spiele überhaupt für Nichtspieler geeignet? Wir haben den Test gemacht.

Oblivion = Sims
„Nein, meine Suppe esse ich nicht“, sagt Bärbel, unsere 43-jährige Testperson – ihreszeichens Hausfrau und Mutter von zwei Kindern. Okay, eigentlich sagt sie das gar nicht, sondern „Nein, Spiele mit Schießen will ich nicht“, aber es klingt so ähnlich. Ego-Shooter fallen damit schon einmal raus, aber auf Strategiespiele möchte sie ebenso verzichten; Krieg ist auch nicht so ihr Fall. Also beginnen wir unser Experiment mit einem Rollenspiel: The Elder Scrolls 4: Oblivion. Das Intro gefällt, „sieht ja fast aus wie ein Film“, und auch die Erstellung eines Charakters geht erstaunlicherweise noch recht problemlos über die Bühne. „So ähnlich wie bei Sims“, erklärt Bärbel, das hat sie bei ihrer Tochter gesehen.

Doch als es dann im Dungeon zur Sache geht, ist es mit dem Spaß vorbei. Das Bewegen der Figur fällt ihr schwer, ihre Reaktionen sind viel zu langsam, um mit den Gegnern mithalten zu können. Schnell stirbt sie ihren ersten Tod und damit ist die Motivation beinahe schon weg. Mit meiner Unterstützung schafft sie es doch noch an die Oberfläche, wo Bärbel von der Größe der Welt erschlagen wird: „Und was soll ich jetzt tun?“ Tja, das müsste sie eigentlich selbst herausfinden – aber nach ein paar Minuten wirft Bärbel das Handtuch. Zu verwirrend.

Point & Click
Vielleicht also lieber etwas Beschaulicheres, denke ich und setze sie als nächstes vor ein Adventure: Black Mirror, damit kann man nichts falsch machen. Tatsächlich scheint es hier zunächst viel besser zu laufen; die Steuerung ist kein Problem und geduldig lauscht sie den Gesprächen. Doch dann, als nach rund einer halben Stunde die ersten schwierigeren Rätsel kommen, werde ich um Hilfe gerufen: „Wie geht’s denn jetzt weiter?“, fragt Bärbel mich. Ich will ihr aber nicht die Lösung verraten, sondern gebe allgemeine Tipps: „Guck dich in Ruhe überall um, rede noch einmal mit jedem, probier alle Gegenstände überall aus.“ „Wie, überall ausprobieren?“, lautet die Antwort. „Das geht?“ Zugegeben: Ein Blick ins Handbuch hätte ihr wahrscheinlich weitergeholfen. Aber wer liest das schon?

Phase 2
Bärbel verliert langsam aber sicher das Interesse, was mich dazu bringt, ihren Mann Andreas als neues Versuchskaninchen einzusetzen. Der ist zwei Jahre älter als sie, hat hin und wieder seinem Sohn beim Spielen über die Schulter zugeguckt und ist daher schon ein klein wenig besser mit der Materie vertraut. Er als Mann hat gegen ein bisschen Krieg selbstverständlich auch nichts einzuwenden, weshalb wir jetzt doch noch zu unserem Strategiespiel kommen: „Dieses Age of Empires 3 würde ich gerne ausprobieren.“ Gesagt, getan: Die Eroberung der Neuen Welt beginnt. Andreas findet dank genauer Erklärungen gut ins Spiel hinein, doch als das erste große Gefecht ansteht, macht er Fehler, die einem erfahrenen Spieler nie passieren würden: Er vergisst Upgrades, sammelt nicht genügend Ressourcen, agiert zu langsam. Als ich ihn auf den ersten Punkt anspreche, murmelt er etwas wie: „Achso, muss die Gebäude ja anwählen.“ Das hat er in der Hektik ganz vergessen. „Ist aber auch ein Rumgeklicke“, meint er.

Männerwelten
Ich habe den Eindruck, dass wir bei jedem Spiel auf die mehr oder weniger gleichen Probleme stoßen und schlage deshalb zum Abschluss noch etwas anderes vor. Weil ich auf die typischen Casual-Gamer-Titel wie Ab durch die Hecke oder so etwas verzichten will, bleibt fast nur noch ein Rennspiel. Unsere Wahl fällt auf Need for Speed: Most Wanted und wie ich Andreas beim Spielen beobachte, verstehe ich wirklich, warum EA solch einen Erfolg hat: Obwohl er mit der Tastatur fährt, feiert Andreas schnell die ersten Erfolg, ihm wird alles haargenau erklärt und allein mit der Auswahl seines Wagens verbringt er mehrere Minuten. Das wiederum erinnert mich nun an Die Sims, nur dass es hier nicht um die Farbe der Lippen sondern um die der Spoiler geht.

Die Stolpersteine
Nach einem langen Nachmittag kommen wir zu dem Ergebnis, dass ein absoluter Anfänger mit einem Großteil der Spiele nicht zurechtkommen kann, sofern er sich nicht wirklich über mehrere Stunden hinweg einarbeitet. Doch auch wenn sie das Spielprinzip durchblicken würde, glaubt Bärbel nicht, dass sie viel Spaß an beispielsweise einem Oblivion hätte: „Mir fehlt einfach die Reaktionsfähigkeit, die man sich in der Jugend inzwischen sicher antrainiert. Ohne die hat man bei vielen Spielen wohl keine Chance.“ Andreas sieht das ähnlich, obwohl er bei Most Wanted etliche Siege errungen hat: „Ist doch klar, Männer können halt perfekt Auto fahren“, meint er. „Aber bei Strategie habe ich ja auch versagt.“ Und ich schließlich bin überzeugt, dass es Spielen an Einsteigerfreundlichkeit mangelt. Das hat gar nicht so viel mit dem Schwierigkeitsgrad zu tun, als viel mehr mit der Komplexität: Der Sinn und die Dynamik eines Rennspiels sind schnell erfasst, aber in anderen Genres besteht weitaus mehr Erklärungsbedarf – und Neulinge vor dem Spielen erst einmal zur Handbuchlektüre zu raten, ist sicher nicht die beste Möglichkeit, neue Spieler zu gewinnen.

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