Schwierigkeitsgrade: Flexibel wie Beton.

Der dritte Level kostet mich Nerven. Mindestens zwanzig Minuten springe ich schon von Vorsprung zu Vorsprung, hangele mich zitternd an Klippen entlang, räume einen Gegner nach dem anderen aus dem Weg. Und dann das: Die Lebensenergieanzeige beginnt, bedrohlich rot zu blinken, weil ich eine Falle im Boden übersehen habe. Mein Held schleppt sich nur noch mit schweren Schritten voran. Der Ausgang ist nicht mehr fern, doch plötzlich stellt sich mir ein weiterer Feind in den Weg und landet den entscheidenden Treffer. Game over, ich muss von vorne beginnen. Frustriert werfe ich das Gamepad auf den Tisch und schalte die Konsole erst einmal aus. So schnell werde ich das nicht wieder versuchen.

Kein Herz für Anfänger
Situationen wie diese sind keine Ausnahme mehr: Immer häufiger verzweifle ich schon an den ersten Missionen, sterbe zig Tode, wiederhole etliche Passagen ein dutzend Mal. Und dabei halte ich mich mit meinen rund siebzehn Jahren Erfahrung eigentlich für keinen besonders schlechten Spieler. Wie muss es da erst einem Neuling gehen, der noch nicht so geübt, mit den gängigen Spielmechaniken noch nicht so vertraut ist? Denn selbst auf „Easy“, sofern diese Option überhaupt angeboten wird, arten viele Spiele heutzutage in Arbeit aus. Das mag früher nicht ganz anders gewesen sein, aber da war der typische Spieler auch ein anderer; Gelegenheitsspieler gab es kaum. Inzwischen aber versuchen viele Unternehmen gerade diese Gruppe zu erreichen – wäre es da nicht an der Zeit, dem Spieler mehr entgegegen zu kommen?

Flexibel wie Beton
So wenig die Spiele von heute mit den Klassikern von gestern gemein haben, so sehr ähnelt sich die Gestaltung des Schwierigkeitsgrads: Bei Actionspielen lässt sich die Treffsicherheit und Konstitution der Gegner normalerweise in drei bis fünf Stufen variieren, bei Sporttiteln das Geschick der Kontrahenten rauf- und runterschrauben, im Strategiegenre die Aggressivität des feindlichen Befehlshabers verändern. Um das etwaige Versagen des Spielers aufzufangen, gibt es Lebensenergie, Bonus-Leben und entweder Speicherpunkte oder die Möglichkeit des freien Speicherns. Alles keine besonders durchdachten Lösungen: Ständiges Speichern und Laden zerstört den Spielfluss, das manuelle Senken des Schwierigkeitsgrads kommt einer Demütigung gleich. Noch schlimmer sieht es aber bei Adventures aus: Wer da an einem Rätsel hängenbleibt, kann in der Regel nur auf eine Komplettlösung zurückgreifen, wenn er das Spiel nicht vorzeitig in den Schrank stellen oder bei eBay versteigern will. Das ist doch absurd.

Das Ganze gleich nochmal…
Die geringe Einflussnahme des Spielers auf den Schwierigkeitsgrad ist ein Problem, welches den Entwicklern vielmals aber nicht ganz ungelegen kommt: „Künstliche Spielzeitverlängerung“ wird das in Tests meistens genannt, wenn freies Speichern nicht möglich ist und Speicherpunkte geizig verteilt wurden. Indiana Jones und die Legende der Kaisergruft war so ein Fall: Die Arbeit einer halben Stunde konnte in Sekundenschnell bei dem kleinsten Fehler verlorengehen. Aber nicht nur dann, sondern auch wenn dem Spieler irgendwann im Laufe eines Levels die Lust oder Zeit ausging und er es vorzeitig beenden musste. Auf der anderen Seite stehen Beispiele wie Far Cry, bei dem Entwickler Crytek zu Beginn bewusst auf die Shooter-typische Quicksave-Funktion verzichtete, um die Spannung zu erhöhen und vorsichtiges Vorgehen zu fördern. Der Aufschrei der Spieler war so groß, dass schnell ein Patch nachgeschoben wurde, der Quicksave mit sich brachte.

Alternativen
Welche Möglichkeiten gäbe es also, den Schwierigkeitsgrad flexibler zu gestalten? Nun, das ist natürlich vom Genre abhängig. Bei Adventures etwa ist der vom Spieler gesteuerte Hauptcharakter doch sehr selten auf sich allein gestellt. Warum ist es dann nicht möglich, bei einem schwierigen Rätsel einen Begleiter persönlich oder etwa per Handy um Hilfe zu bitten? Oder zusätzliche Hinweise auf die Lösung einzubauen, welche den Spieler vielleicht den ein oder anderen Umweg kosten, ihm dafür aber letztendlich das Gefühl geben, es selbst geschafft zu haben? Verzweifelt man bei einem Action-Adventure oder Jump’n’Run immer wieder an ein und derselben Stelle, warum merkt das Programm das nicht und bietet für diesen Punkt seine Hilfe an? Ist es nicht auch möglich, festzustellen, wie „geschickt“ sich ein Spieler bewegt und unter Umständen zum Beispiel bei knappen Sprüngen ein Auge zuzudrücken, wenn er einen Fehler macht?

Wäre es bei einem Ego-Shooter nicht viel schöner, wenn sich die Gegner auf den Spieler einstellen würden und unterschiedlich agieren könnten? Wenn es nicht mehr „Easy“, „Normal“ und „Hard“ gäbe, sondern „wenig fordernd“, „fordernd“ sowie „sehr fordernd“ und der Grad der Herausforderung von dem Spieler abhinge? Ja, das wäre toll – und es würde Spiele so viel mehr voranbringen als sterbenslangweilige Physik-Effekte oder die x-te Pixel-Shader-Version.

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