Dass die Musik für verschiedene Stile, Lebensweisen und Bewegungen in der Gesellschaft gesorgt hat, ist seit den 60er Jahren eine unbestrittene Tatsache. Jedoch eine besondere, genauso unbestrittene und fast revolutionäre Rolle bekam die Musik in der Filmindustrie, als sie dem Stummfilm einen Schritt weiter zur Kunst verhalf, und ihn zu einem audio-visuellen Erlebnis machte. Die Filmemacher hatten die Bedeutung der Musik erkannt und setzten sie bewusst ein, um eine Steigerung der Gefühle zu erzielen und einer Szene oder einem Geschehnis die gewollte Atmosphäre zu verleihen. Nun, diese Bedeutung der Musik als Verstärkung des Visuellen hat sich auch die Spiele-Industrie zu eigen gemacht. Vielleicht hat das Einsetzen der Musik in die Spiele eine weitere, feinere Bedeutung als in den Film, denn im Unterschied zum passiven Zuschauer ist der Spieler ein aktiver Mitgestalter des Geschehens. Die Musik ist in diesem Sinne diejenige, die sein Handeln untermalt, stimuliert, führt, warnt, und somit einen persönlicheren Bezug zum Geschehen erzeugt.
Unbemerkt aktiv
Wegen der interaktiven Funktion des Spiels ist die technische Seite des Einsetzens der Musik in ein Spiel komplizierter als in einen Film. Die Technik ermöglicht eben ein gezieltes Implementieren der Musik, die der Spieler für selbstverständlich hält und deswegen nicht sonderlich darauf achtet.
Zum Beispiel die zeitliche und situationsbezogene Änderung der Musik ist durch bestimmte Markierungen auf der Hauptmelodie möglich. Diese Markierungen erkennen die Punkte, wo eine Änderung der Musik sinnvoll wäre und unterstützen die Handlung des Spielers mit einem musikalischen Übergang. Es ist möglich, dass eine Änderung der Musik beim Kampf geschieht, oder dass dieselbe Änderung passiert, wenn der Spieler einfach weiter rennt. Die Sound Designer können aber für diese zwei Situationen auch zwei verschiedene Änderungen wählen, Hauptsache es ergibt einen Sinn. Am Ende ist es meistens gelungen, die komponierte Musik zur Geltung zu bringen und der interaktive Charakter des Spieles musikalisch zu unterstützen.
Film- vs. Spielmusik
Die Bedürfnisse und Erwartungen vom Spielerlebnis sind nicht mehr ohne Musik zu erfüllen, deswegen ist aus den ursprünglichen, nervigen (im Nachhinein kann man sie schon so nennen) Keyboardsounds nichts übrig geblieben, denn sie, wie auch die Klötzchengrafik, erfasst man im nostalgischen Begriff „Retro“. Und es ist gut so, denn mittlerweile sind wahre musikalische Kunstwerke entstanden, so dass man sagen kann, dass die Musik für Spiele den qualitativen Höhepunkt der Filmmusik erreicht hat.
Das ist auch kein Wunder, denn das Produzieren der Musik für die Spiele ist mit dem der Filmmusik vergleichbar: Für beide werden Komponisten, Orchester, Philharmonien und Bands engagiert, die ihre Kreativität für den späteren audio-visuellen Effekt entfalten. Es ist nicht überraschend, dass viele Musikmacher in beiden Branchen tätig sind (Jasper Kyd), dass die Filmmusik im gleichnamigen Spiel integriert wird (‚Herr der Ringe: Die zwei Türme‘), oder dass Größen der alternativen Musik sich kreativ und experimental in beiden einmischen dürfen (Trent Reznor von Nine Inch Nails).
Leistung wird belohnt
Das, was die Filmmusik schon längst hat, nämlich den Soundtrack, der in jedem CD-Shop erhältlich ist, erreicht langsam ebenso die Spielmusik. Auch die Verleihung der Preise für die Musikmacher, Audio- und Soundexperten, die wir von Oscar, Golden Globe und Co. kennen, gibt es auch für die Kreativen in der Spielebranche. Am 9.02. verleiht die Academy of Interactive Arts and Sciences (AIAS) zum neunten Mal die Jahrespreise für besondere interaktive Leistung. Dass es nach oben geht, bestätigt die Ankündigung der Präsenz von Prominenten sowie des roten Teppichs, der zum ersten Mal bei dieser Veranstaltung aufgerollt wird. Unter anderem <a class="gross" href="http://www.music4games.net/n_aias_2006.html" target="_blank">nominiert</a> für die originelle Musikkomposition sind ’God of War’ und ’Jade Empire’.
Eine junge non-profit Organisation, The Game-Audio Network Guild (G.A.N.G.), unterstützt die interaktive Audioentwicklung und verleiht dementsprechend Preise für die Leistungen der Spielmusik in vielen Kategorien. 2005 ging der Preis für Audio des Jahres an ’Halo 2’ und seinen Audio-Director Marty O’Donnell. Für den besten Original Soundtrack an ’Myst IV: Revelation’ und seinen Komponisten und Produzenten Jack Wall.
Audio-visuelle Sensation
Die Live Acts der Filmmusik mit Philharmonien und Künstlern sind ein fester Bestandteil der Musikkultur geworden und die Spielmusik folgt eben diesem Trend. Berühmte und beliebte Musikpassagen werden in speziellen Konzerten aufgeführt, so zum Beispiel die ‚Final Fantasy‘-Konzerte mit der Musik des japanischen Komponisten Nobuo Uematsu. Oder das Konzert zur Eröffnung der Games Convention 2005 in Leipzig, wo die FILMharmonic Orchestra Prague unter Leitung von Andy Brick eine andere Dimension der Spielmusik präsentierte.
Wegen des interaktiven Charakters des Spiels und des persönlicheren Bezugs zum Geschehen hat die Spielmusik einen Vorteil gegenüber dem Film: Die intensive Erinnerung kann man leichter durch Bilder, Musik, Licht- und Lasereffekte, Masken und Sounds hervorrufen. Damit gelingt auch die Intensivierung der Gefühle und das Versetzen in eine andere (multimediale) Welt. Die Komponisten Tommy Tallarico und Jack Wall wollten nun diese Erkenntnis in Tat umsetzen und engagierten sich für ihr Projekt Video Games Live. Eine erfolgreiche audio-visuelle Sensation haben sie in Los Angeles und Seattle, U.S.A, und Vancouver, Kanada, schon realisiert und arbeiten weiter daran, die komplexe Show auf weitere Bühnen zu bringen. Die große Show ist schon beeindruckend (siehe den Trailer auf <a class="gross" href="http://www.videogameslive.com" target="_blank">www.videogameslive.com</a>). Aber ob sie es schafft, die Beziehung der Spieler und Nicht-Spieler zur Spielmusik zu ändern, wie sich die Organisatoren und Kenner versprechen, wird sich zeigen müssen. Auf jeden Fall ist Video Games Live ein weiteres kommerzielles Wunder der Spieleindustrie.
Kein gutes Spiel ohne gute Musik
Die Spiele sind eine der wichtigsten Unterhaltungsarten geworden, und dementsprechend erreicht ihre Entwicklung ein enormes Niveau. So ist die Musik als Bestandteil der Spiele für den Spieler etwas Selbstverständliches. Aber vielleicht sollten sie ihr ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken und ihre Rolle und Bedeutung anerkennen. Denn die Zeiten, in denen man nur die gute Grafik pries, sind vorbei – und es gibt kein gutes Spiel ohne gute Musik, oder?