Nehmen wir mal an, ihr kommt zu einer neuen Schule, doch statt eines euphorischen Empfangs durch eure beste Freundin warten nur leere Klassenzimmer und Flure auf euch. Was würdet ihr in dieser Situation tun? Richtig, ihr freut euch den Ast ab und geht nach Hause und erzählt daheim, dass die Schule heute ausgefallen ist. Lydia indes wundert sich doch arg über diese Situation und geht den Dingen auf den Grund. Warum ihr Lydia dabei nicht unbedingt folgen solltet verrät unser ausführlicher Test.
Bevor ihr Lydia aufgrund ihrer Neugier jetzt jedoch sofort als dämlich und übereifrig abstempelt, sollte fairerweise erwähnt werden, dass es sich bei der besagten Schule nicht um ein Oberbayrisches Gymnasium samt Kruzifix-Invasion handelt, sondern um eine berühmte Magierschule. Celest, ihre beste Freundin, wohnt in dieser Schule zusammen mit ihrem Vater Natahniel, der nebenbei Direktor dieser Bildungseinrichtung ist. Lydia selbst wurde von Celest eingeladen, diese Schule zu besuchen und sich zur Magierin ausbilden zu lassen. Die beiden verbindet dabei eine enge Freundschaft, die schon in den Tagen heranreifte als Lydia und Celest selbst noch Kleinkinder waren. Deshalb kann die gute Lydia Celests Wunsch natürlich nicht ausweichen und freut sich schon wie ein Schnitzel auf ihre alte Freundin. So viel zur Hintergrundgeschichte von Keepsake. Wenden wir uns nun Lydias Ankunft an der Schule zu.
Kaum angekommen fällt Lydia auf, dass sie niemand begrüßt und auch sonst scheinen die großen Hallen der Schule verlassen zu sein. Verwunderung macht sich breit. Doch dann hört
Lydia – schwarze Haare, roter Umhang, einigermaßen geschmeidig animiert – merkwürdige Geräusche aus einer Ecke der komplett verlassenen Schule und geht diesen nach. Dabei befreit sie den angeblich in einen Hund verwandelten Drachen Zak – sabbernd, braunes Fell, hölzern animiert -, welcher sie fortan durch ihr Abenteuer begleitet. Dumm nur, dass die Akademie sehr verwinkelt und weitläufig ist, praktisch hingegen, dass die gute Lydia über die Lunge eines Elefanten verfügt und mal eben locker 1,5 km am Stück durch die Flure und Katakomben sprinten kann.
Das muss sie auch können, schließlich beschränken sich die Rätsel meist nicht auf einen Raum sondern erfordern es, von Punkt A am äußeren Rand der Akademie zu Punkt B am anderen Ende der Akademie zu sprinten. Die Zeit, die dabei vergeht, verbringt ihr zumeist damit, gelangweilt von einer malerisch gezeichneten Hintergrundkullisse zur Nächsten zu klicken, denn merke: Wer Keepsake ganz bis zum Ende durchspielen will, braucht einen sehr, sehr langen Geduldsfaden.
Dieser wird des Öfteren aufs Äußerste gespannt, da Keepsake zwei Sachen leider vollends fehlen: eine authenitsch erzählte Hintergrundgeschichte und interessante Dialoge. Zak, euer treuer Begleiter und die meiste Zeit eurer langen Reise einzige lebendige und sprechende Figur, plagt nicht nur sein mangelndes Selbstbewusstsein, sondern auch noch eine ausgeprägte Höhenangst. Oft kommt es deshalb zu sinnlosen und nervigen Gesprächen mit Lydia, die den Spielfluss genauso stören wie die an Kitschigkeit kaum mehr zu überbietenden Zwischensequen… äh Visionen Lydias. Auch hier fällt ein weiteres Manko von Keepsake auf. Animationen sucht man sowohl in den Zwischensequenzen als auch in der schön gezeichneten Schule samt ihrer Umgebung vergebens. Hier und da mal ein vorbeifließender Fluss ist dann auch schon das höchste der Gefühle.
Apropos Gefühle: Es ist niemals verkehrt, wenn Entwickler versuchen die Hintergrundgeschichte ihres Spiels durch die Gefühlswelten der einzelnen Charaktere anzureichern. Bei Keepsake gehen die Entwickler jedoch eindeutig zu weit. Lydia ist für jede Hilfe sehr, sehr, sehr dankbar. Ihre Sehnsucht nach Celest nimmt in jeder ihrer Vorrausdeutungen neue apokalyptische Ausmaße an. Schließlich entpuppt sich Zak auch noch als Verstoßener. Hier wird klar zu viel auf die Tränendrüse gedrückt. Ich habe schließlich ein Adventure gekauft und nicht den Trip in eine Nervenheilanstalt gebucht. Übrigens trägt die aufgesetzt wirkende Synchronisation Einiges dazu bei, selbst bessere Passagen auf GZSZ-Niveau zu halten.
Dabei ist der Spannungsbogen von Lydias Aufklärungsversuch sehr solide und geschickt aufgebaut. Selbst bis zum Ende tappt ihr noch vollends im Dunkeln und habt nur wage Anhaltspunkte, was euch im göttlichen Raum erwartet. Bis dahin motiviert die Frage, was mit den verschwunden Schülern geschehen ist ungemein. Auch nimmt die Geschichte noch ein paar interessante Wendungen. Oder glaubt ihr wirklich, dass ein Drache, egal in welches Tier er nun verwandelt wurde, wirklich unter Höhenangst leiden kann?
Trotzdem solltet ihr eure beschwerliche Reise fortsetzen. Schließlich gehören zu einem ordentlichen Adventure auch Rätsel. Und hier greift Keepsake meistens zu Aufgaben der Güteklasse 1 mit Sternchen. Am Anfang gilt es noch recht simple Verschiebe-Puzzles zu lösen, doch gerade gegen Spielende verwandeln sich die Rätsel in wahre Kopfnüsse. Zum Glück haben es die Entwickler nicht versäumt, eine Hilfefunktion einzubauen die – wenn nötig – sogar das Rätsel auflöst.
Keepsake kann sogar durchaus Spaß machen. So durchstreift ihr mit Lydia die idyllischen Landschaften und die pompösen Räume der Akademie und lässt euch von der Fantasy-Atmosphäre umgarnen. Noch vollkommen von der Schönheit der Umgebung berauscht habt ihr schon wieder mit dem nächsten Puzzle zu kämpfen. Hier bedarf es eurer ganzen Kombinationsgabe, um z.B. heraus zu finden, dass gewisse Blumen nur durch die Veränderung der Jahreszeit im Gewächshaus wachsen.
Gerade im letzten Teil kann Keepsake seine Trümpfe klar ausspielen. Die enorme Rätseldichte und die dank des Teleportersystems verkürzten Laufwege lassen richtig Rätselfreude aufkommen. Dumm nur, dass Keepsake komplett linear verläuft. So ist es zum Beispiel nicht möglich, Werkzeuge mitzunehmen, die zur Reperatur einer Spieluhr benötigt werden, da wir sie im Moment nicht brauchen. Ein paar Minuten später dürfen wir jedoch vom anderen Ende der Akademie wieder zurück zur Werkstatt gondeln nur um dort endlich die notwendigen Werkzeuge mitzunehmen. Bis dahin hätten wir dies schon zwei Mal machen können.
Wer es von euch dann trotz dieser Widrigkeiten bis zum Ende durchhält, darf dann – Überraschung – mit der Auflösung des plötzlichen Verschwindens aller Studenten rechnen. Das diese dann wieder in endlose Gefühlsduseleien ausartet und somit letztendlich ins Lächerliche gezogen wird, dürfte klar sein
Es tut mir eigentlich weh, Keepsake stellenweise so in der Luft zu zerreißen, aber jede Soap-Opera bekommt es besser hin, die Schicksale ihrer einzelnen Figuren realistischer und glaubwürdiger dem Zuschauer zu vermitteln. Klar, der Spannungsbogen ist gut gezogen und würde Lydia nicht andauernd zu Gefühlsausbrüchen und Übertreibungen neigen, man könnte die Hintergrundgeschichte als durchaus gelungen betrachten. Aber eben der andauernde Druck auf die Tränendrüse macht die Zwischensequenzen und die wenigen längeren Dialoge zur Qual.
Da ist es schon schade, dass die Landschaften und gerade die Gemäuer der Schule handwerklich perfekt umgesetzt wurden und durch ihre Pracht begeistern können. Auch die Rätsel sind stehts fordernd, manchmal sogar bockschwer, und können durch ihren Einfallsreichtum begeistern.
Es ist also schon ärgerlich, dass die Entwickler so viele Detailfehler begangen haben. Das fängt bei den unerhört langen Laufwegen an, findet seine Zuspitzung in der kitschigen Hintergrundgeschichte und schwächt bei der nicht mehr ganz tauffrischen Technik nur langsam wieder ab.
Wäre Keepsake eine bloße Zusammenstellung von verschiedenen Rätsel, ich würde glatt eine gute 70er Wertung raushauen, als Adventure ist Keepsake leider nur unteres Mittelmaß.