The Walking Dead: Kleine Klicks, große Wirkung

The Walking Dead (E1)

Ich war zugegebenermaßen skeptisch, als ich erfuhr, dass Telltale Games für die Spielumsetzung von „The Walking Dead“ verantwortlich zeichnen würde. Als glühender Fan der Serie und jemand, der auch die Comicvorlage zum Teil kennt, hatte ich so meine Befürchtungen, zumal ich das Monkey-Island-Revival aus gleichem Hause nur bedingt empfehlenswert finde. Nichtsdestotrotz habe ich mich in die erste Episode des Zombie-Dramas gestürzt und ließ mich eines Besseren belehren.

„Action-Adventure“

Durchaus mit Wohlwollen nahm ich die Optik schon im Trailer zur Kenntnis. In der Tat ist diese angenehm weit entfernt vom quietschbunten Flair von Spielen wie Sam & Max oder den bereits genannten, neuen Abenteuern von Guybrush Threepwood. The Walking Dead präsentiert sich in einer gereiften, plastischen Version, die sich am marvell-ähnlichen Zeichenstil des Comic-Schöpfers Robert Kirkman orientiert und immer noch einen spürbaren Hauch Realismus versprüht.

Das Intro schmeißt mich in einen Polizeiwagen, das Dialogsystem erlerne ich beim Tratschen mit dem Fahrer, einem ältlichen Beamten. Und das Gespräch lässt sich in verschiedene Richtungen steuern. Vom Gefangenensitz geht es über einen Autounfall direkt in die Zombieapokalypse, durch eine Waldböschung und erste Actionsequenzen.

Der Begriff „Action“ ist dabei mit Vorsicht zu genießen. Die mitunter anspruchsvollste Aufgabe ist das Anvisieren von Zombieköpfen, garniert mit sporadischen Klick-Aktionen und Button-Mashing. Nichts was annährend überfordernd sein könnte, zumindest in technischer Hinsicht. In spielerischer Hinsicht zählen und wirken Entscheidungen, worin die große Stärke dieses Spiels liegt.

Charakterfragen

In Dialogen werden die emotionalen Bindungen zu anderen Charakteren geschmiedet und geprägt, die Handlung damit teilweise deutlich verändert. Mit Taten und Aussagen ändern sich Freund und Feind, die NPCs stehen nicht nur in Beziehung zum Spieler, sondern auch untereinander. Während die Comicvorlage genau in dieser Hinsicht eher oberflächlich bleibt, geht The Walking Dead in die Tiefe von privater Diplomatie, Gruppendynamik und die Ausarbeitung von Persönlichkeiten.

Es schafft dazu ein geniales Setting, das längst nicht nur aus der stets spürbaren Bedrohung durch Untote besteht. Man steht als Spieler immer vor Vertrauensfragen, vor Verantwortung, der man sich nur selten entziehen kann, unter Konfrontation mit der Vorgeschichte des eigenen Avatars und letztlich vor Entscheidungen, die langfristigen Impact auf das soziale Gefüge der Überlebenden haben und das eigene Ethikverständnis vor manchmal unlösbare Proben stellen. Rette ich nun diese, oder die andere Person?

Nicht nur dank der sehr gut gelungenen Sprachausgabe und allgemein hörenswerten Soundkulisse fällt kaum auf, dass sich das spielerische Element im Grunde auf einige Multiple-Choice-Dialoge, relativ simple Rätsel und die bereits erwähnten, leicht absolvierbaren Actionsequenzen beschränkt. Was daran liegt, dass dieses Konzept funktioniert. Ich habe selten ein Spiel gesehen, das mit einem solchen Minimum an Interaktionsmöglichkeiten eine so gelungene, erzählerische Performance abliefert und gleichzeitig so viele Wege offen lässt. Und eben so selten fühlte man sich verbunden mit und verantwortlich für eine Spielfigur, wie man sie hier mit dem kleinen Mädchen Clementine an die Seite gesetzt bekommt.

Fazit: Gelungen

Wer  auf ein Zombie-Szenario einlässt und dabei auf ein Ballerspektakel verzichten kann, ist bei diesem Spiel goldrichtig. Selbst Adventurefans, die mit der Weltherrschaft der Untoten sonst wenig anfangen können, sollten zugreifen. Fans von Comic oder TV-Serie machen mit der Telltale-Umsetzung erst recht nix verkehrt, obwohl sich deren Handlung nur sehr lose an Kirkmans Vorlage orientiert.

Ich kann den Release der nächsten Folge dieses Spieles nun ebensowenig erwarten, wie den Beginn der dritten Fernsehstaffel im kommenden Herbst.

Das Spiel gibt es für PC auf Steam oder über den Telltale-Onlineshop, über das PlayStation Network und am Xbox Live Marketplace. Der „Full Season Pass“ für alle fünf Teile kostet 25 Euro.

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