Ein Kampf gegen Windmühlen.

Egal ob Action oder Strategie, ob Sport oder Rollenspiel: Online-Gaming hat einen gemeinsamen Feind. Der ist allerdings kein profilierungssüchtiger Politiker, nicht die USK, nicht die BPjM und ausnahmsweise auch nicht EA – sondern: Der Cheater.

Cheaten ist die Regel?
Immer dann, wenn es um den Wettbewerb zwischen mehreren Menschen geht, gibt es jemanden, der sich nicht an die Regeln hält. Manche drehen das Glück nur ein bisschen zu ihren Gunsten, manche legen die Regeln für sich neu aus und manche betrügen schlicht und ergreifend. Wer in letzter Zeit mal online gespielt hat, weiß, dass die letztgenannte Gruppe nicht nur immer größer sondern auch immer raffinierter wird. Allein für ‚Counter-Strike‘, noch immer der Liebling der Massen, gibt es gut ein dutzend Cheats, die mal mehr, mal weniger funktionieren – und den ehrlichen Spielern ihr Vergnügen kaputt machen.

Der 23-jährige Thorsten ist einer dieser Cheater. Angefangen mit dem Betrügen hat er, weil er damals glaubte, dass es fast alle so machen, erzählt er mir. „Als die GameStar ‚Counter-Strike‘ auch in Deutschland so richtig populär gemacht hat, haben die cheatenden Kiddies die Publics [öffentliche Server] überrannt. Da gab es Leute, die nur Headshots gelandet haben, die immer ganz genau wussten, wo du stehst … oder welche, die nicht einmal heimlich gecheatet haben, sondern den anderen nur das Spiel zerstören wollten. Die sind dann mit Speedhacks durch die Map gestürmt und haben einen schon erledigt, als man noch die Waffen kaufte.“

Von Aimbots und Wallhacks
Die Cheats, die Thorsten beschreibt, sind zugleich auch die beliebtesten: Aimbots sind kleine Programme, die das Zielen für den Spieler übernehmen und ihn damit eine höhere Trefferquote erreichen lassen. In der Anfangsphase musste man dafür etwa die Skins der Charaktere gegen einfarbige Versionen austauschen, damit das Programm erkannte, was eigentlich ein Gegner ist. Heute ist das komplexer, weiß Thorsten: „Bei den meisten Spielen kann man Skins nicht mehr so einfach gegen andere austauschen und außerdem fällt das automatische Gewackel auf. Aktuelle Aimbots unterstützen eher beim Zielen, so dass sie selbst für einen Beobachter kaum wahrnehmbar sind.“

Die zweite Methode, den Kontrahenten das Spielen zur Hölle zu machen, sind die erwähnten Wallhacks, welche den Cheater durch Wände sehen lassen – entweder, indem diese einfach durchsichtig gemacht oder die Gegner mit kleinen Kästen markiert werden. Der Zweck jedenfalls ist ein- und derselbe: Der Cheater weiß genau, wo ein Gegner auf ihn lauert und kann sich frühzeitig auf den Schuss vorbereiten, während sein Widersacher wahrscheinlich überrascht ist.

Bedrohung für den eSport?
Was auf den Public Servern „nur“ das Spiel kaputt machen kann, ist für den so genannten eSport zu einem echten Problem geworden. Ganze Clans stehen regelmäßig unter Cheat-Verdacht und doch gibt es nur selten Beweise: Das Einsenden von Screenshots und Demos gehört zwar mittlerweile zum normalen Prozedere, doch sogar Experten können nicht immer erkennen, ob ein Spieler nun cheatet oder nicht. Nicht nur ist die Software immer besser geworden, nein, auch das Training der Spieler mit den Cheats zahlt sich aus. Thorsten glaubt, dass sogar auf LAN-Partys hemmungslos gecheatet wird, obwohl jeder dem anderen über die Schulter gucken kann: „Mit ausreichend Übung ist das kein Problem“, sagt er lapidar.

Die Gegner der Cheater
Seit es Cheats gibt, existieren natürlich auch Bestrebungen von Seiten der Spielentwickler und eSports-Betreiber, ihnen entgegenzuwirken – was aber fast dem legendären Kampf gegen die Windmühlen gleichkommt. „Es ist wie bei den Viren“, beschreibt Thorsten die Situation. „Es ist ganz einfach ein kleiner Wettbewerb zwischen Cheat-Entwickler und Anti-Cheat-Entwickler. Die einen agieren, die anderen können nur reagieren. Den perfekten Schutz gegen Cheats gibt es deswegen nicht.“

Davon abgesehen fehlt auch der Konsenz; jeder dreht sein eigenes Ding. Bei ‚Counter-Strike‘ beispielsweise hatte sich ‚PunkBuster‘ gerade etabliert und konnte gute Erfolg vorweisen, als sich dessen Entwickler mit Valve zerstritten und die Unterstützung einstellten. Valve entwickelte lieber sein eigenes ‚VAC‘, das aber zu viele Lücken hatte und monatelang nicht aktualisiert wurde. Anderen Third-Party-Tools wie ‚Cheating Death‘ ging nach einer Weile die Motivation aus und dem eigens von der Online-Liga ESL entwickelten ‚Aequitas‘ hängt der Ruf an, es mit dem Datenschutz nicht so genau zu nehmen. Auf Public Servern kann es aber ohnehin nicht eingesetzt werden.

Cheater könnten draußen bleiben
Das alles hat es den Cheatern in der Vergangenheit sehr leicht gemacht, die Oberhand zu behalten. Dabei sind die Strafen, die Cheatern drohen im Vergleich zu früheren Tagen durchaus ärgerlich. Valve kann ganzen ‚Steam‘-Accounts das Onlinespielen verbieten, Blizzard sperrt alle paar Monate mehrere tausend battle.net-User – bei mehrmaligen, schweren Verstößen sogar auf Dauer, so dass der Kauf eines neuen Spiels bzw. CD-Keys erforderlich wird.

Aber das trifft höchstens ein paar Anfänger, glaubt Thorsten: „Die Profis kennen sich viel zu gut aus, um erwischt zu werden. Und wenn doch, dann zahlt man eben mal zehn Euro für einen neuen Key. Davon geht die Welt auch nicht unter.“ Ob er eine Möglichkeit sieht, den Cheats Herr zu werden, will ich wissen: „Naja,“ sagt er, „bei Konsolen geht es ja auch. Man braucht ein in sich geschlossenes System wie Xbox Live. Das geht dann aber sicher zu Lasten der Modifizierbarkeit … und das will sicher keiner.“ Ein Kampf gegen Windmühlen.

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