Von Moorhuhn, Zuma und Sven.

Vollpreisspiele der herkömmlichen Art erreichen in der Regel einen Bekanntheitsgrad, der mittlerweile über das heimische Domizil eines Jugendlichen oder gereiften Spielers hinausgeht. Weitaus größere Dimensionen der Verbreitung und des Wiedererkennungswerts bleiben jedoch anderen Spielen vorbehalten: ’Moorhuhn’, ’Zuma’ oder ’Sven’ zum Beispiel. Dabei handelt es sich um sogenannte Casual Games, die im Gegensatz zu Vollpreisspielen besonders untypische Zielgruppen stark anzusprechen scheinen: Frauen und ältere Menschen.

Casual Games zeichnen Merkmale aus, die kein stärkerer Kontrast zur Core-Games-Verwandschaft sein könnten: Sie haben einen überschaubaren Umfang, ein einfach und schnell zu erreichendes Spielziel, Spielfortschritte sind selbst in Mittagspausen zu erreichen, sie sind entweder umsonst oder für unter 20 Euro zu haben und sie nötigen den PC-Spieler zu keiner Investition in High-End-Hardware. Viele dieser Punkte vergraulen einen verwöhnten Liebhaber von Vollpreisspielen. Und doch ziehen gerade Casual Games gegenüber den mit Awards verwöhnten Blockbustern von Publisher-Giganten wie Electronic Arts, Activision oder Ubisoft Massen von Menschen in ihren Bann. Ein Grund für die beachtliche Verbreitung dieser Spiele liegt, neben den eben erwähnten Merkmalen, schon in der plattformübergreifenden Anpassungsfähigkeit dieser Spiele begründet. Ist die Produktion von Multiplattformtiteln für PC und Konsolen oft nur mit hohem Aufwand zu erreichen, sieht man in der Regel ein Casual Game wie selbstverständlich gleich auf drei oder mehr Plattformen vertreten.

Frauen und Senioren mögen Gelegenheitsspiele
Die technische Weiterentwicklung trug zudem nicht unerheblich zur Popularität der Casual Games bei – denn inzwischen besitzt beinahe jedes Familienmitglied eine passende Plattform wie PC, Konsole, PDA oder Handy, auf denen die Spiele für zwischendurch zu finden sind.

Darüber hinaus werden aber noch ganz andere Zielgruppen angesprochen, wovon derzeit Publisher und Entwickler von „Normalspielen“ nur träumen können: Frauen und ältere Menschen. So sprechen „vor allem die großen Spieleportale hauptsächlich die weibliche Zielgruppe und auch ältere Menschen an, die bisher nur wenig mit Computern gemacht haben“, wie Jochen Heizmann von Entwickler Intermediaware (’Absolute Blue’, ’Dr. Germ’) bemerkt. Solche Portale wie beispielsweise Deutschland-spielt, RealNetworks in den USA oder Zylon im europäischen Raum, die Nachschub an Spielen liefern, sind dementsprechend ausgesprochen gut besucht.

Vertriebswege mit hoher Reichweite
Die unkomplizierten Vertriebswege von Casual Games machen es zudem interessierten Spielern sehr einfach, an diese zu kommen. Während große Publisher noch immer krampfhaft am Einzelhandelsmodell festhalten und Online-Vertriebswegen eher Steine in den Weg legen, gehört der Download dieser Kategorie von Spielen neben dem Erwerb im Geschäft zum Alltag: Große Portale und auch die Entwickler selber nutzen wie selbstverständlich diese Absatzmöglichkeit. Zu einer festen Einrichtung hat sich außerdem das zeitlich limitierte Ausprobieren eines Titels etabliert. So wird beispielsweise erst nach einer Stunde des Ausprobierens der Kaufpreis fällig. Eben dann, wenn der Spieler weiß, ob ihm dieses Spiel zusagt. Aber auch der Preis selbst bleibt nach einem ungeschriebenen Gesetz der Branche verbraucherfreundlich und mit unter 20 Euro erschwinglich.

Casual Gamer sind gar keine Spieler?
Gelegenheitsspiele wie ’Moorhuhn’ oder ’Zuma’ richten sich also vor allen an eine Zielgruppe, die sich nicht länger als 30 Minuten vom Alltag ablenken lassen möchten. Noch krasser wirkt jedoch der Umstand, dass sich gerade diese Menschen eben selbst nicht als Spieler bezeichnen würden. Ein Widerspruch?

Nach Meinung von Konstantin Nikulin, dem Betreiber von Deutschland-spielt, nicht unbedingt: „Casual Games werden hauptsächlich von Erwachsenen gespielt, die alles andere als Computerfreaks sind. Solche Nutzer wurden von der Games-Industrie immer sehr stark vernachlässigt.“ Verschenken hier die Publisher von Vollpreisspieler also ein riesiges Potential einer kaufkräftigen Gruppe? Dabei sind doch viele der gerade erwachsen gewordenen Menschen in ihrer Biographie mindestens schon einmal mit einem ’Tetris’ oder ’Pac-Man’ in Kontakt gekommen. Doch irgendwann scheinen sie auf ihrem Lebensweg von der Spiele-Industrie vergessen worden zu sein.

Gelegenheitsspiel + Vollpreisspiel = Das perfekte Spiel?
Die große Frage, die sich bei diesem Thema stellt, ist, ob beide Arten von Spielgattungen voneinander lernen können. Nicht selten klagen zum Beispiel Spieler, die sich eigentlich sehr gerne Vollpreistitel zulegen, darüber, vom Schwierigkeitsgrad überfordert zu sein. Derzeit jagt ein anspruchsloses Sequel einer erfolgreichen Serie das nächste. Klassische Online-Rollenspiele wiederum erwarten, dass sich die Teilnehmer von ihren realen Existenzen verabschieden, um endlich sichtbaren Erfolg im Spiel zu haben. Demgegenüber stehen die Casual Games mit ihren überschaubaren Spielwelten, die jedoch genau die Menschen abstoßen, die sich selbst als leidenschaftliche Spieler bezeichnen. Ein unlösbares Problem also? Man halte sich nur das Konzept von ’Sims’ vor Augen, dem erfolgreichsten PC-Spiel aller Zeiten. Hier scheint der Schöpfer Will Wright, ob beabsichtigt oder nicht, Gelegenheitsspieler wie Hardcore-Spieler gleichermaßen befriedigt zu haben. Würde also aus der Symbiose von Gelegenheitsspiel und Hardcore-Game endlich das perfekte Spiel herauskommen, nach dem wir alle suchen?

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