Nun, Tim Schafer galt bei vielen Adventure-Fans als Genie: Nach seiner Mitarbeit an The Secret of Monkey Island und Indiana Jones and the Fate of Atlantis hatte er mit Day of the Tentacle und Full Throttle zwei großartige Spiele hervorgebracht, bis ihm 1998 mit Grim Fandango sein Meisterwerk gelang. Doch dann tauchte Schafer plötzlich ab: Wie Monkey Island-Schöpfer Ron Gilbert, der mit dem Ende der goldenen Adventure-Ära in ein tiefes Loch fiel, ließ sich auch Tim Schafer zunächst einmal Zeit. Im Juli 2000 gründete er mit Double Fine Productions zwar seine eigene Spieleschmiede, doch ein erstes Resultat, ‚Psychonauts‘, sollte erst gut fünf Jahre später das Licht der Welt erblicken.
Holprige Entwicklung
Die Entwicklung von Psychonauts war mit zahlreichen Problemen beladen: Einst von Microsoft als Vorzeigetitel für die Xbox präsentiert, stieß das Unternehmen das Projekt mitten in der Entwicklung urplötzlich ab. Über die Gründe wurde viel spekuliert; es hieß, Microsoft sei mit der Qualität unzufrieden, habe etwas anderes erwartet und ohnehin sei Double Fine viel zu langsam vorangekommen, als dass Psychonauts der Xbox noch großartig hätte helfen können. Es rumorte, schon wurde das Ende von Double Fine beschrien, bevor die Geschichte überhaupt richtig angefangen hatte. Doch glücklicherweise fand sich mit Majesco doch noch ein mutiger Publisher und Geldgeber, so dass Psychonauts im vergangenen Jahr dann endlich erscheinen konnte.
Ein großer Erfolg – aber warum?
Überraschenderweise schlug es ein wie eine Bombe – nur ohne die zerstörerische Wirkung natürlich. Mehrfach als Spiel des Jahres ausgezeichnet und mit höchsten Wertungen bedacht, avancierte Psychonauts zu einem echten Hit, zumindest solange man die Verkaufszahlen nicht zu genau betrachtet. Was aber war nun so besonders, so außergewöhnlich an Psychonauts? Nun, von der Spielmechanik her auf den ersten Blick nicht viel: Vor allem zu Beginn ist Psychonauts ein klassisches Action-Adventure. Held Raz bahnt sich laufend und springend seinen Weg durch unwegsame Welten, kämpft gegen garstige Monster und sammelt verschiedenste Gegenstände auf, um Belohnungen freizuschalten oder seine Fähigkeiten zu verbessern.
Ideen für mindestens drei Spiele
Dieser – zugegeben – verhaltene Beginn könnte einer der Gründe sein, warum Psychonauts nicht die große Spielerzahl erreicht hat, die es eigentlich verdient hätte. Denn nach den ersten ein, zwei eher mittelmäßigen Spielstunden geht es auf einmal richtig zur Sache und Tim Schafers einstige Genialität blitzt wieder auf: Von Level zu Level heller und stärker. Held Raz, der als so genannte Psychonaut in die Köpfe der Menschen eindringen kann, ist plötzlich keine gewöhnliche Jump’n’Run-Figur mehr, sondern kämpft wie in alten Rundenstrategiespielen, läuft durch Welten, die kein oben und unten kennen, spielt Godzilla und, und, und. Andere Entwickler hätten aus all diesen Ideen vielleicht wirklich mehrere Spiele gemacht.
Die kleinen Dinge
Doch Psychonauts ist mehr als eine Ansammlung verschiedener Spielideen und -stile: Tim Schafers eigenwilliger Humor und die hochgradige Liebe zum Detail bei der Gestaltung der Charaktere machen mindestens ebenso viel Spaß wie das abwechslungsreiche Gameplay. Sogar Adventure-Fans, die Reaktionsschnelligkeit und Geschick erfordernden Spielen in der Regel sehr skeptisch gegenüberstehen, hatten ihre Freude an Tim Schafers neuestem Werk – und das will schon etwas heißen.
Inzwischen ist Psychonauts dank THQ auch in Deutschland für PC, PlayStation 2 und Xbox erhältlich, so dass es keinen Grund mehr gibt, „the excellent game Psychonauts“, wie Tim Schafer immer so schön schreibt, nicht zu spielen. Wir haben versucht, in einem Interview noch ein bisschen mehr aus dem genialen Schöpfer herauszukitzeln: Wie er selbst die Verkaufszahlen von Psychonauts sieht, wie der europäische Launch verlaufen ist und welche Hoffnungen er für die Zukunft hegt. Seine Antworten können unserem Interview entnommen werden.