Über Dates in Online-Rollenspielen

Kristin und Stefan sind sich an einem verschneiten Tag im Wald über den Weg gelaufen. Kristin brauchte Stefans Hilfe und wie ein Gentleman hat der natürlich alles getan, um der damals noch schwächlichen Frau unter die Arme zu greifen. Sie tauschten erste Worte aus, trafen sich später erneut, um etwas trinken zu gehen und verliebten sich schließlich unsterblich ineinander. Seit knapp acht Monaten sind sie ein Paar. Eine ganz gewöhnliche Geschichte? Nur fast. Denn Kristin war seinerzeit eine Nachtelfe, Stefan ein Zwerg und der zauberhafte Wald, in dem sich die beiden erstmals begegneten, befindet sich auf einem der zahlreichen Server des MMORPGs ‚World of WarCraft‘.

Von heute auf morgen
„Das Spiel hat mein Leben komplett auf den Kopf gestellt“, sagt Kristin deshalb heute. Stephan stimmt ihr zu: „Von einen Tag auf den anderen war das mehr als ein Spiel für mich. Ich wusste, dass ich dieses Mädchen, mit dem ich da Stunde um Stunde verbrachte, auf jeden Fall mal in der Realität kennenlernen wollte.“ Davor galt es allerdings eine Reihe von Hindernissen zu bewältigen: Stefan wohnte in Wien und befand sich gerade mitten in der Ausbildung, Kristin hingegen in Berlin und wollte im Herbst eigentlich ihr Studium beginnen. Keine idealen Voraussetzungen. Das größte Hemmnis war jedoch ein anderes: „Ich hatte einfach Angst, dass er in echt ein komischer Typ ist“, erzählt Kristin lachend.

Dass sich Menschen kennenlernen und miteinander spielen, ist der Grundgedanke von MMOGs: Alleine würden die meisten Spiele, ob ‚World of WarCraft‘, ‚Dark Age of Camelot‘ oder ‚City of Heroes‘, schnell langweilig – da sind sich die meisten Spieler einig. Zu eintönig werden die Quests nach einer Weile; immer wieder gilt es, die nahezu gleichen Aufgaben zu erledigen. Ohne Mitspieler, mit denen man sich versteht, ist der Spaß nur halb so groß. „Für manche Spieler ist ein Online-Rollenspiel einfach nur ein größerer Chatroom“, meint auch Stefan. „Es ist halt ein bisschen lebendiger: Man versteckt sich nicht hinter einem Nickname, sondern verkörpert eine Figur und kann sie ein wenig nach sich selbst gestalten. Oder so wie man vielleicht gerne sein würde.“

Hochzeiten und Flirten aus Prinzip
Seit es MMORPGs gibt, feiert man daher auch immer wieder Hochzeiten zwischen zwei Charakteren: Große, spektakuläre Events, welche die Spieler zusammen und den Server häufig an den Rand eines Zusammensturzes bringen. In den seltensten Fällen sind die virtuell heirateten Spieler dann aber auch in der Realität ein Paar. Kristin hat vor ‚World of WarCraft‘ vor allem ‚Ultima Online‘ gespielt und dort auch geheiratet – mehrfach sogar. Ernst war das aber nie: „Klar habe ich mich mit den Leuten gut verstanden, man albert ein bisschen rum und so. Aber ich war nie der Typ, der das Internet so ernst nehmen würde, um dort einen Freund zu finden.“ Was dann an ‚World of WarCraft‘ anders ist, will ich wissen. Kristin zögert. „Vielleicht ist es realer geworden, weil so viele Leute es spielen. Als es letztes Jahr losging, hat fast jeder in meinem Umfeld darüber geredet. Das war wie so wie Kino oder Musik.“

Was Stefan und Kristin zufällig passiert ist, macht Martin mit Prinzip. Der 25-jährige Jurastudent nutzt ‚World of WarCraft‘ vor allem zum Flirten. Er hat verschiedene Charaktere und grast damit die Server ab, auf der Suche nach Spielerinnen in seinem Alter. Das ist gar nicht so einfach, gesteht er ein: „So viele Typen spielen weibliche Charaktere, dass man da schon gewaltig auf die Schnauze fliegen kann. Ich würde schätzen, dass drei Viertel der Frauen im Spiel eigentlich Männer sind. Meistens kann man das aber mit ein paar Fragen schnell herausfinden.“ Welche Fragen das sind? „Nun, zum Beispiel frage ich nach dem Alter und den Interessen. Frauen reagieren darauf anders als Typen. Oft merkt man dann schon, dass es nur Fakes sind, die es auf sowas anlegen.“

Gute Quote
Auf immerhin sieben Blind Dates ist Martin im letzten Jahr gekommen, einmal hat es sogar gefunkt. Zumindest anfangs. „Oft standen wir im Spiel nur irgendwo rum und haben und unterhalten, anstatt richtig zu spielen. Da spürte ich schon, dass es mehr werden könnte. Wir haben uns dann getroffen, ganz harmlos in einem Café – aber sie war absolut nicht mein Typ und ich ihrer wohl auch nicht. Jedenfalls habe ich sie danach mit dem Charakter kaum noch online gesehen. Naja, kommt vor.“ Für Martin ist ‚World of WarCraft‘ eine Art Experiment: Nachdem er bei echten Dates zu oft enttäuscht wurde, versucht er es eben erstmal online. Da ist die es nicht so schlimm, einen Korb zu kriegen, und man lernt sich vor einem richtigen Treffen schon ein bisschen kennen, achtet nicht mehr so stark auf Äußerlichkeiten. „Der Eindruck zählt doch immer am meisten, sagt man. Nun, im Spiel kann man sich diesen Eindruck machen, ohne auf die Figur, das Gesicht oder die Haarfarbe zu achten. Ist doch viel besser.“

Kristin und Stefan wiederum finden Spieler wie Martin merkwürdig. „Bei uns war das einfach Zufall und so wunderbar romantisch“, erzählt Stefan. „Wenn man das ständig macht, merkt eine Frau das außerdem“, fügt Kristin hinzu. ‚World of WarCraft‘ spielen die beiden übrigens immer noch – laut Stefan aber weniger als früher: „Jetzt kenne ich den liebsten Spieler ja schon. Klingt irgendwie kitschig, oder? Streich das raus!“ Nö, das bleibt.

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