Enorme Produktionskosten, ein riesiger Werbeaufwand, große Versprechungen, Verwebung mit Matrix: Reloaded – insgesamt also ein Actionspiel der Superlative. So wird Enter the Matrix zumindest von Atari angepriesen. In unserem ausführlichen Testbericht sagen wir euch nun ob die Vorschusslorbeeren für das Spiel gerechtfertigt waren.
Wir sind keine Spoiler-Schweine, darum werden wir uns ausnahmsweise mit der Beschreibung der Story von Enter the Matrix zurückhalten, auch um euch nicht zuviel über den derzeit in den Kinos laufenden Film Reloaded zu verraten (ein Review dazu folgt übrigens noch).
In Enter the Matrix schlüpft ihr entweder in die Rolle von Schiffskapitän Niobe oder in die Haut ihres ersten Handlangers Ghost. Die Entscheidung, welchen der beiden Charaktere ihr wählt, hat Auswirkungen auf die folgenden Missionen. Je nachdem wen ihr steuert verlaufen die Einsätze ein wenig anders. Allerdings hebt sich das Spielgeschehen nicht immer frappierend voneinander ab. So ist es beispielsweise während den nervenden Autofahr-Einlagen so, dass Niobe als beste Fahrerin in der Matrix steuert und Ghost derweilen aus dem Fenster ballert. Dass das Auto dabei oft von der Straße abkommt, liegt nicht am alten Vorurteil von wegen "Frau am Steuer – Ungeheuer!", sondern an der doofen KI der Dame bzw. der merkwürdigen Fahrphysik, wenn ihr selbst das Steuer übernehmt. Auf diese Weise bieten die Einlagen zwar Abwechslung, man hätte aber auch gern darauf verzichten können.
Dasselbe gilt für das saudämliche Speichersystem. Wie in so manchem Spiel kann man nicht an jedem Punkt der Handlung speichern. Nur am Beginn von neuen Levels lässt euch Enter the Matrix sichern. Der Vorteil: die Spielzeit verlängert sich künstlich enorm. Der Nachteil: lästige Hüpfeinlagen oder längere Laufwege muss man an schwierigeren Stellen immer wieder machen. So kann es schon mal passieren, dass man ganze Levelabschnitte nochmal spielen muss, nur weil man in einem unachtsamen Moment am Ende der Map in einen kleinen Abgrund gefallen ist. Noch bitterer ist es, wenn man selbst gar nichts dafür kann und die Spielfigur sich einfach einbildet, dass sie in der Wand hängenbleiben oder im Boden versinken muss.
Das kann auch schon mal einem Gegner passieren. Doof ist das vor allem, wenn es bei einem der Endgegner (in Form von Agenten) passiert und der ganze harte Kampf mit einem solchen deswegen umsonst war.
Diese Frustmomente erlebt man leider des öfteren, denn gepaart mit der stellenweise etwas unübersichtlichen Kameraführung findet man sich ab und an in nicht allzu leichten Situationen wieder.
Der Zeitdruck, unter dem Shiny offensichtlich stand, ist dem Spiel anzumerken. Noch ein Monat Bugfixing hätte dem Spiel sicherlich gut getan. So muss man sich mit fehlerhaften Optionseinstellungen, steckenbleibenden Figuren und anderen Kinderkrankheiten herumschlagen. Auch das Menü gewinnt keinen Schönheitspreis, tut aber wenigstens seinen Zweck.
Ein Überbleibsel aus dem Kompromiss, das Spiel für alle Konsolen und den PC zu veröffentlichen ist aber nicht nur das Speichersystem. Auch der Grafik merkt man an, dass sie auf der PlayStation 2 ebenfalls ihre Dienste leisten muss. So findet man sich vor allem zu Beginn des Spiels in textur- und detailarmen Umgebungen wieder. In Zeiten, in denen ein Half-Life 2 mit fotorealistischer Grafik bevorsteht, darf man sich eine solche Optik einfach nicht mehr erlauben. Gerade Enter the Matrix lebt aber seltsamerweise trotzdem von der Grafik, denn die Kämpfe retten dank der guten Animationen und der doch spektakulär anzusehenden Zeitlupeneinlagen (zu aktivieren über den Fokus-Button, ähnlich wie in Max Payne) vieles.
Damit haben wir uns genug über Enter the Matrix ausgelassen und kommen zu den Stärken des Spiels. Die liegen wie schon erwähnt hauptsächlich in den Kampfszenen. Dass diese so leicht von der Hand gehen, verdankt man der simplen Steuerung. Mit drei Knöpfen (Treten, Schlagen, Zeitlupe) hat man jede Situation fest im Griff. Die Waffen spielen dabei schon fast eine Nebenrolle. Zwar ist das Arsenal nicht zu klein, Ghost und Niobe durch Nahkämpfe zu steuern macht aber viel mehr Spaß.
Ein weiterer großer Pluspunkt des Spiels – und das ist eher eine Seltenheit – ist die Lizenz, denn die Verwebung mit dem Film funktioniert, die ca. eine Stunde langen extra gedrehten Movies sind außerdem eine Bereicherung für das Spiel. Sicher! Aus der Matrix-Lizenz lässt sich noch viel mehr herausholen, verglichen mit anderen Filmumsetzungen ist Shiny hier aber ein ordentliches Stück Software gelungen und trotz der vielen Mängel sorgt Enter the Matrix einfach für Kurzweil.
Das mag auch am Sound liegen. Der lässt nicht viel zu wünschen übrig und treibt den Puls an manchen Stellen dank gutem Soundtrack schon mal in die Höhe.
Ein Witz ist allerdings die Installation. Die nimmt 4,3 GB Festplattenspeicher in Anspruch (und dauert dementsprechend lange). CD-Wechslereien erspart man sich zwar dadurch, eine DVD-Version hätte aber sowohl die Festplatte geschohnt, als auch die Installation verkürzt.
Wie gut der Film und die Konsolenfassungen sind sagen wir euch in einigen Tagen in einem ausführlichen Special.
Warum zum Teufel sieht das uralte Messiah besser aus als Enter the Matrix? Schwer zu sagen, liegt aber wohl am Erscheinen auf mehreren Plattformen. Ich hätte gerne noch einen oder zwei Monate länger auf Enter the Matrix gewartet, dann wär‘ vielleicht mehr Zeit geblieben um die ersten Levels grafisch zu tunen (später wird die Optik etwas besser) und einige nervende Bugs zu beseitigen. Auch die Feinmechanik in puncto Kameraführung fehlt deutlich.
Vielleicht helfen ja noch der ein oder andere Patch etwas nach. Grundsätzlich kann man Shiny aber wohl keinen Vorwurf machen. Der Zeitdruck war sicherlich groß und das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Matrix-Fans müssen allein wegen der Verschachtelung von Film und Spiel zugreifen und dürfen für sich noch bis zu fünf Spielspaßpunkte draufsetzen. Es wäre sicher viel mehr drinnen gewesen in der Matrix-Lizenz. Aber sei es wie es sei, Enter the Matrix bleibt schlussendlich ein gutes Spiel mit verschenktem Potential und einem saudämlichen Speichersystem. I entered the Matrix – und es hat mir gefallen.