Offensichtlich tot, und trotzdem ziemlich lebendig: Das Adventure-Genre. In spanischen Gefilden ist es offensichtlich noch ganz besonders populär und so kommt aus Madrid nach Runaway nun ein weiterer Kandidat für den Genrethron. The Westerner wurde im Vorfeld mit Lobhudeleien und einer Hype-ähnlichen Berichterstattung beschenkt, warum das nicht voll gerechtfertigt war, klärt unser Test…
Man würde meinen, dass ein einfacher Kaktus für das Schicksal eines Menschen nicht wesentlich entscheidend sein dürfte. Im Falle von Fenimore Filmore ist das allerdings anders. Der Cowboy sieht gerade aus einem sicheren Versteck beim Überfall auf einen Bauernhof zu, als er einen Fehltritt tut, der seinen Hintern Mitten in besagten Kaktus führt, und ihn zum Held wider Willen macht. Vor Schreck springt er nämlich direkt in das Geschehen und vereitelt relativ unbeabsichtigt das Machwerk der Halunken.
Als ihm die Farmer später erklären, die Banditen seien vom Großgrundbesitzer Starek geschickt worden, der sämtliches Land in der Nähe "seiner Stadt", Starek City, aufkaufen will, kann er gar nicht anders als den friedliebenden Leuten zu helfen.
Er macht sich also per Point & Click-Steuerung auf, um die notwendigen Gerätschaften für einen Abwehrkampf zu beschaffen. Doch schon früh wird er mit einigen Schwierigkeiten konfrontiert: der Bauernsohn hat seine Revolver gegen Spielzeugcolts ausgetauscht und sein Pferd verbraucht mehr Möhren als Bugs Bunny. Also macht er sich an einen nervigen Part des Spiels – er setzt das orange Gemüse im Garten an. Das funktioniert über die immer wieder gleiche Prozedur, Wasser mit dem Eimer aus dem Brunner zu holen, das Feld einige Male zu gießen, die Möhren zu ernten, und wieder von vorne zu beginnen. Über das ganze Spiel hinweg bleibt einem diese Vorgehensweise leider nicht erspart. Sehr lustig. Möge der Spieldesign-Gott die Mannen von Revistronic dafür vom Blitz erschlagen lassen.
Überhaupt fehlen nämlich außerdem ein bisschen die wirklichen Rätsel. Die meiste Zeit verbringt man damit Gespräche über ein Multiple-Choice Menü zu führen, herumliegende Geldscheine einzusammeln und Karotten zu züchten. Einen Großteil der benötigten Gegenstände kauft man einfach im Laden der Stadt, anstatt sie über ausgefallene Rätsel zu erarbeiten.
Wer die Hoffnung hegt, es würde keine Action-Einlagen geben, liegt leider falsch. Ein paar muss man im Verlauf des Spiels sehr wohl bewältigen. Glücklicherweise darf man aber sagen, dass sie wesentlich lustiger als in Baphomets Fluch 3 ausgefallen sind. In Sachen Story ist Revolution den spanischen Kollegen aber wieder weit voraus. Der uralte Western-Klichee-Schinken "Böser Mann bedroht und kauft arme Stadt" ist bei Gott nicht kreativ.
Auch Fenimore versprüht bei weitem nicht so viel Charme wie ein George Stobbard, Tony Tough, Guybrush Threepwood oder Zak McKracken. Man ist sich nicht sicher ob er ein Taugenichts oder gemachter Mann ist bzw. sein soll. Er lässt auch viel zu selten mal einen guten Spruch los – der Humor blitzt zwar hin und wieder auf, wirkliche Brüller fehlen aber. Und ein wenig fatal ist auch seine Ähnlichkeit mit Toy Story-Helden Woody, die natürlich eine gewisse Erwartungshaltung bezüglich seines Charakters weckt.
Ebenso durchwachsen ist die Steuerung. Wie bereits erwähnt erledigt man alles mit der Maus. Das funktioniert auch sehr gut – solange die Kamera nicht irgendwelche unvorhersehbaren Manöver startet, was sie aber leider recht oft tut. Außerdem fehlen Komfortfunktionen wie ein schnelles Wechseln zu anderen Lokalitäten oder eine Möglichkeit, Fenimores Trab-Schritt in ein Laufen zu verwandeln.
Grafisch präsentiert sich das Spiel recht schön, leider aber nicht mehr. Alles sieht ein wenig zu pixelig aus und zerstört so etwas den grundsätzlich netten Comic-Look. Außerdem sieht man an manchen Stellen einfach, dass 3D-Engines in Sachen Detailreichtum gegen das gute alte 2D bisher noch nicht ankommen. Weltklasse sind hingegen die Animationen und die Mimik der Charaktere – wenn Woody, äh… Fenimore die Kinnlade runterklappen lässt, sieht das so gut wie nie zuvor in 3D-Spielen aus. Leider bemerkt man das im Spielverlauf nur in den Cutscenes wirklich, ansonsten fehlen die Emotionen oft ein bisschen.
Sound und Musik befinden sich auf einem sehr guten Niveau und lassen außer der etwas dürftigen Vielfalt wenig zu wünschen übrig. Toll gelungen ist auch die deutsche Synchronisation. Sie stammt – wie könnte es auch anders sein? – von toneworx.
Gut, aber nicht gut genug. Fenimore schrammt durch einige blöde Designfehler an wirklich guten Wertungsregionen vorbei. Hat denn im Betatest keiner bemerkt, dass die Kameraführung nicht funktioniert? Eine 3rd-Person-Perspektive wäre besser gewesen. Macht den Spaniern das Anpflanzen von Karotten wirklich beim 4000. Mal auch noch Spaß?
Abgesehen davon springt der Funke zwischen Fenimore und mir leider einfach nicht ganz über. Versteht mich bitte nicht falsch: The Westerner ist ein gutes Spiel, das seinen 40€-Kaufpreis für Adventure-Fans durchaus rechtfertigt (außerdem ist da das ebenfalls gute 3 Skulls of the Toltecs dabei), aber ein echter Knaller ist es leider nicht – das schmerzt einen Genre-Fanboy wie mich doch sehr. Meine Hoffnungen ruhen dieses Jahr auf dem diese Tage erscheinenden Black Mirror. Übrigens: Nach etwa 12 bis 15 Stunden ist der ganze Spaß vorbei – „I am a poor lonesome Cowboy“ singt da aber keiner…