Auf meiner Topten-Liste, der Sachen, mit denen ein Spiel auf keinen Fall anfangen sollte, steht das nichtssagende 5-Sekunden-Intro so ziemlich unangefochten an erster Stelle. Dark Messiah of Might & Magic fängt leider genau so an: ein mystisches 08/15-Blabla im Wechsel mit ein paar Videoschnipseln lässt nur grob erahnen, dass irgend etwas Bedrohliches im Lande vor sich geht. Erst der Blick ins Handbuch offenbart dann die richtige Geschichte, die eigentlich gar keine ist. Schließlich haben wir von längst vergangenen Kriegen, großen Opfern und leider ein paar Missgeschicken, die uns heute in eine bedrohlichere Lage versetzen, schon oft etwas gehört. Klar ist natürlich auch, dass nur ein besonderes Artefakt, hier der Schädel der Schatten, uns aus der Misere helfen kann.
Uns, das sind unser Meister Phenrig, seine willige Assistentin Xana samt perfekter Porno-Stimme, sowie natürlich eure Wenigkeit mit dem klangvollen Namen Sareth. Bevor es jedoch richtig auf die Reise geht, müsst ihr euch erstmal durch das als Prolog getarnte Tutorial quälen. Für Anfänger mag dieses zwar vollkommen in Ordnung gehen, doch gestandene Spieler können obgleich der Aufgaben wie hüpfe hier hin, schubs den Gegner dahin nur müde Lächeln. Die Spielmechanik von Dark Messiah of Might & Magic bietet nämlich gegenüber etwa Half-Life 2 kaum neue Elemente. Physikspielerein gab es ja auch bei Valves Ausnahmeshooter bis zum Abwinken.
Seid ihr dann endlich soweit gekommen, dass euch Meister Phenrig samt vollbusiger Schönheit von eurem Auftrag, den Shantiri-Kristall dem Herren Menelag zu überreichen, erzählt habt, startet das Spiel auch schon gleich von 0 auf 100 durch. Kaum in Steinhelm angekommen gilt es eine Invasion der bösen Nekromanten (eure Hauptantagonisten) abzuwehren. Dumm nur dass Untote von Natur aus schlechte Laune haben und versuchen, gleich die komplette Stadt niederzuwalzen. So krachen hier Gebäude zusammen, da splittert Holz durch die Gegend. Auf dem Bildschirm ist in den ersten paar Minuten so viel los, dass man wie benommen versucht, irgendwie vor diesem Chaos davon zu laufen.
Von dem Inferno noch ganz betäubt könnt ihr ein paar Minuten später aber schon wieder durchatmen. Die Invasion wurde gestoppt, der Monster-Zyklop geht dank eurer Hilfe den Weg alles (Unter-)Irdischen und ihr könnt euch beim lieben Herrn Menelag genüsslich den Bauch voll stopfen und seiner Tochter auf den Hintern glotzen. Ja, Dark Messiah of Might & Magic ist in dieser Hinsicht 100 Prozent Mittelalter. Emanzipation? Fehlanzeige! Frauen sind entweder geil oder willig, meistens aber praktischerweise gleich beides. Zugegebenermaßen: Egoshooter waren noch nie für ihre empfindsamen Töne bekannt, aber die vielen sexuellen Anspielungen nerven auf Dauer doch arg, gerade weil jedwede Ironie wie z.B. bei Duke Nukem zu fehlen scheint.
Apropos rauere Töne: wie der rote USK-Sticker auf der Vorderseite der Packung schon ahnen lässt, fliest in Dark Messiah of Might & Magic der rote Saft literweise. Doch und das trotz der aktuellen „Killerspiele“-Diskussion, passt eben dieses genau zur Atmosphäre der Kämpfe. Wenn man seinem Gegenüber das Schwert in den Bauch rammt, dann fließt da naturgemäß etwas roter Lebenssaft. Ohne ihn würden die Kämpfe klar an Authentizität einbüßen. Das wiederum wäre sehr schade, denn schließlich lebt Sareths Abendteuer genau hiervon.
Mag die Story auch noch so rudimentär und unwichtig sein, die wuchtigen und spektakulären Kämpfe entschädigen. Da stört es dann auch viel wenig, dass die Leveldesigner selbst im unzivilisierten Urwald noch ein Eisengitter gespickt mit kleinen Speeren augestellt haben, gegen die man die Herrschaaren von Gegnern praktischerweise schubsen kann. Auch die eklatante Kisten-Flut, die von einem unübersehbaren IKEA-Fetisch zeugt, ignoriert man dann gerne. Schließlich lassen sich damit praktischerweise ein paar Feinde mehr ausschalten. Ähnlich wie in Half-Life 2 könnt ihr nämlich auch hier mit allerlei physikalischen Tricks die Gegneranzahl dezimieren. Genau diese Tricks werdet ihr euch bitter nötig haben. Mann-Gegen-Mann-Situationen hat man nämlich nur in den wenigsten Fällen. Meist kämpft man gegen eine wahre Übermacht an durchaus intelligenten Widersachern. Wer hier nicht alle Register zieht wird schnell das Nachsehen haben.
Dünne Handlung, actionbetonte Kämpfe und leicht bekleidete und wohlproportionierte Mädels, bis jetzt hört sich Dark Messiah of Might & Magic nach einem 08/15-Shooter an. Was unterscheidet Sareths Reise nun also vom Groß des Baller-Einheitsbrei? Zum einen hätten wir da das etwas andere Setting: nicht falsch verstehen, Spiele, die im Mittelalter angesiedelt sind, gibt es wie Sand am Meer, doch Egoshooter in denen mit Schwertern und Feuerbällen gekämpft wird, sucht man darunter meist vergeblich. Dazu kommt noch, dass die aufgebohrte Source-Engine die Städte und Landschaften eindrucksvoll darstellt. Die gezeigte Grafikpracht lässt selbst Titel wie Doom 3 als Programmierarbeit eines Grafik-Azubis bei SirTech aussehen. Auf der anderen Seite hätten wir da noch die Rollenspielelemente. Okay, sie sind zwar nur rudimentär vorhanden und machen sowieso erst ab dem fünften Kapitel wirklich Sinn, aber Hänschens lustige Ballerstube kann damit sicherlich nicht aufwarten.
Was von Dark Messiah of Might & Magic im Einzelspielermodus schlussendlich übrig bleibt, ist ein Shooter, der mit seinen Physikspielerein, der pompösen Aufmachung und den fesselnden Kämpfen durchaus punkten kann. Die fast vollends fehlende Handlung sowie die exorbitanten Ladezeiten (teilweise bis zu drei Minuten bei einem neuem Kapitel) nerven zwar, bleiben aber weit weniger im Gedächtnis hängen, als die positiven Aspekte. Leider bleibt vom Versuch, sich vom Shooter-Einheitsbrei abzugrenzen, bis auf die Rollenspielanteile und das etwas andere Szenario nicht viel übrig und für das konservative und sexistische Frauenbild gehören die Entwickler sowieso geteert und gefedert, doch wenigstens versucht man sich daran, anders zu sein.
Der Mehrspielermodus hingegen bietet mehr taktischen Tiefe durch die unterschiedlichen Charakterklassen, könnte aber noch fairer ausbalanciert sein. Schließlich haben z.B. Nahkämpfer in den wenigsten Fällen eine echte Chance gegen Bogenschützen und Magier-Feuerbälle. Trotz diese und den oben genannten Schwächen spreche ich dennoch eine Kaufempfehlung für all die Spieler aus, die gerne mal wieder ein paar ordentliche Schwerkämpfe austragen wollen und zudem die nötige Hardware unterm Tisch stehen haben.