PES 2012 – Mut tut gut

PES 2012 (Screen: pesedit.com)

Alle Jahre wieder steigt das Match der zwei bekanntesten Fußballsimulationen, EAs FIFA und Konamis Pro Evolution Soccer. Es ist kein Geheimnis, dass ich schon seit der ersten PC-Ausgabe (PES 3) den Ball lieber in Zweiterer rollen lasse. Lange Zeit stand diese Entscheidung außer Frage, denn FIFA (hier gehts zu unserem FIFA12-Testbericht) konnte mich mit seinem arcadelastigen Spielprinzip und den technischen Nachteilen zur Konsolenvariante alles andere als überzeugen. Seit zwei Jahren allerdings, ist mein Weltbild ein wenig ins Wanken und heuer beinahe aus den Fugen geraten. Beinahe. Warum trotz aller Fortschritte bei FIFA12 trotzdem PES 2012 das Spiel meiner Wahl bleibt, lest ihr hier.

Konamis Kehrwende

PES 2011 war ein sehr gutes Game. Es wandelte wieder auf dem Pfad des Realismus, den die drei Vorgängerversionen etwas verlassen hatten und war damit der erste wirklich gelungene Teil seit den in Fankreisen nach wie vor hochgelobten PES 6. Es brachte aber auch alte Fehler mit, die sich bereits vor diesem Klassiker eingenistet hatten. Die Achillesferse von Pro Evo: die künstliche Verwirrtheit der Defensive, die artifizielle Dummheit der Torwarte und die teilweise fehleranfällige Idiotie der Offensivabteilung. Sachen, die das gute Feeling des Spiels und akribische Taktikeinstellungen auf Dauer nicht wettzumachen vermochten.

Und nun: Nach langem Wehklagen hat sich Konami dieses Problems tatsächlich angenommen. Mehr noch: Der bislang konsequent unkommunikative Entwickler veröffentlichte gar zwei Demoversionen, um Feedback zur neuen Ausgabe einzuholen. Und während alle bisherigen Beteuerungen, den Spielern ja eh zuzuhören, schwer unglaubwürdig waren, reflektierte bereits die zweite Probierversion die diesmal offenen Ohren. Die zweite Demo von PES 2012 war mehr als nur ein Marketing-Gag um sich Aufmerksamkeit gegen das gleichzeitig erscheinende FIFA zu sichern.

Innerhalb von wenigen Wochen zog der Schwierigkeitsgrad noch etwas an, lernten Sturm und Abwehr noch etwas hinzu und die tollpatschigen Goalies wurden zu passablen, wenn auch nach wie vor nicht ganz ausfallsfreien, Kastenwarten. Konami gebührt Lob für diese neue Herangehensweise. Aber wie gut ist das neue Fußballspiel?

Dribbelkünstler

PES 2012 fühlt sich etwas indirekter an als der Vorgänger. Trotz freierer Bewegung in echten 360 Grad bleibt besonders beim Umstieg erstmal ein leicht statischer Nachgeschmack, was den Spielaufbau angeht. Doch dieser trügt, denn er ergibt sich daraus, dass man das neue Game immer erst mal so anpackt wie das alte. Was die letzten drei Jahre halbwegs funktionierte, ist hier zum Scheitern verurteilt. Nicht nur die eigenen Spieler verhalten sich nun anders und – meist – intelligenter, auch der Gegner tut es.

Deutlich öfter als bisher zündet die KI selbst mit vermeintlich schwachen Spielern ein Dribblingfeuerwerk, schickt ihre Mannen geschickt in den freien Raum und stellt insgesamt beim Verteidigen eine ungekannte Herausforderung dar. Auch weil die aufgemotzte Defensivintelligenz immer noch nicht ganz fehlerfrei arbeitet, gute Tacklings schwerer zu bewerkstelligen sind und gutes Stellungsspiel eine absolute Mindestanforderung ist, um nicht unter die Räder zu kommen.

Denkaufgabe

Bisher ließ sich die Blechkiste immer recht leicht mit viel Pressing und offensiver Aufstellung überrennen und rannte im Rückstand sehr gerne ins Messer. Nun ist man nicht selten besser beraten, tiefer zu stehen und den Spielaufbau gezielt anzupacken und notfalls auch einmal vor dem Sechzehner abzudrehen und einen erneuten Anlauf zu unternehmen. Simple Angriffe nach Schema F hauen sehr selten hin, brutale Brechstange  resultiert nicht selten in schnellen Konterohrfeigen.

Zwar rückt der KI-Gegner nach wie vor weiter auf, wenn er länger im Rückstand ist, mit den bislang leicht erspielten Kantersiegen nach einem 2:0-Vorsprung ist es aber ziemlich vorbei. Dem Spieler wird damit nicht nur mehr Überlegtheit, sondern auch eine große Portion Flexibilität abverlangt, da Partien gegen menschliche Mitspieler eine radikale Umstellung der eigenen Herangehensweise erfordern.

Knappe Entscheidung

Zugegeben, FIFA hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht und die Gleichstellung von PC und Konsolen ist zu begrüßen. Nach einer siebenstündigen Marathonsession mit EAs neuem Werk gebe ich aber auch heuer PES den Vorzug. Nicht aus Prinzip, aber der Konkurrenz fehlt einfach noch der Feinschliff, den sich Pro Evo in all den Jahren erarbeitet hat. Für FIFA sprechen nach wie vor die bemühtere Präsentation und das größere Lizenzpaket (dank Projekten wie dem PESEdit-Patch kein wirkliches Problem), bietet aber nicht das gleiche Ausmaß an Spiel- und Ballkontrolle.

Offenbar blieb Seabass und Co nicht verborgen, dass man bei EA neue Wege eingeschlagen hat. Konamis Mut, endlich an den größten und den wohl am schwersten zu behebenden Mängeln zu arbeiten als auch EAs Mut, den Realismus zurückzubringen, sollte uns auch die nächsten Jahre ein spannendes Rennen um die virtuelle Fußballkrone bescheren.

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