Seit 1998 hat das Europäische Patentamt offiziell 30 000 Patente im Bereich der Datenverarbeitung erteilt, die derzeit hitzig diskutiert werden. Kritiker behaupten sie verstoßen gegen die europaweit gültigen Regeln der Begrenzung von Patentmöglichkeiten. Genau an dieser Begrenzung will man nun einiges ändern, und das könnten wir alle zu spüren bekommen – das glaubt ihr nicht? Bill Gates schon…
Der erklärte bereits, dass zum Beispiel Linux in einem Zeitalter der Patente einen schweren Stand zu überleben hätte. Zu viele Ideen aus anderen Produkten (unter anderem aus Windows) würden im Code des Betriebssystems zu finden sein. Linux kann dank der <a href="http://www.gnu.de/gpl-ger.html" target="_blank">General Public License (GPL)</a> von jedem Menschen weltweit weiter entwickelt werden. Dadurch wurden natürlich viele Ideen im Vorzeige-Betriebssystem der Microsoft-Hasser von anderen Produkten übernommen. Sollte es möglich werden z.B. Algorithmen zu patentieren, könnte das der Verbreitung von GPL-Produkten schaden.
Aber auch alle anderen Softwareproduzenten müssten sich dann darauf einstellen, dass ihre Produkte gegen Patente verstoßen. Zahllose Firmenübernahmen, Unternehmensbankrotts und Klagen wären also vorprogrammiert.
Das Horrorszenario, falls sich die Lobby der großen Konzerne im Europäischen Parlament durchsetzen kann: Wenige Groß-Konzerne beherrschen in Monopol-ähnlichen Zuständen die Märkte. Gerade in unserer Informationsgesellschaft, in der schon so vieles von Computern abhängt, wären Monopole nicht wünschenswert. Und für die ohnehin angeschlagene Weltwirtschaft sind solche Rückschläge für Kleinunternehmer ganz sicher auch kein großer Antrieb.
Am 22. September wird von den europäischen Kongressleuten über die Änderung der Gesetze abgestimmt.
Was würden die neuen, von der EU vorgeschlagenen Gesetze, ermöglichen? Die Seite FFII.ORG hat dies in einem Beispiel schön veranschaulicht:
<blockquote>Stellen Sie sich vor Sie besitzen eine kleine Softwarefirma. Sie haben eine starkes Softwareprodukt entwickelt. Dieses Werk ist eine schöpferische Kombination von 1000 Rechenregeln (Algorithmen) und einer Menge Daten. Die Rechenregeln fanden Ihre Programmierer nach jeweils ein paar Minuten oder Stunden Nachdenken. Die Entwicklung des gesamten Werkes erforderte 20 Mannjahre. 900 der Rechenregeln waren vor 20 Jahren schon bekannt. 50 sind heute patentiert. Sie besitzen 3 dieser Patente. Um sich die 3 Rechenregeln zu schützen, sind Sie zum Patentamt geeilt, haben ihre Geschäftsstrategie offenbart und Anwaltskosten bezahlt. IBM und Microsoft setzen derweil Ihre Ideen in klingende Münze um und weisen Sie darauf hin, dass Sie ca 20-30 von 50000 Patenten aus deren Portfolio verletzen. Sie einigen sich gütlich: 3% Ihrer jährlichen Einnahmen gehen an IBM, 2% an Microsoft, 2% …</blockquote>
<blockquote>Dennoch erreichen Sie bald die Gewinnzone. Jetzt sind sie eine attraktive Firma. Eine Patentagentur wendet sich an Sie. Sie verletzen 2-3 von deren Patenten, heißt es. Die Ansprüche sind sehr breit. Die Agentur will 100.000 EUR. Eine gerichtliche Klärung könnte 10 Jahre dauern und 1 Million EUR kosten. Sie zahlen. Einen Monat später steht die nächste Patentagentur auf der Matte … Bald sind Sie pleite. Sie suchen Schutz. Microsoft bietet an, Sie für einen symbolischen Preis zu kaufen. Sie akzeptieren. Unter einem reinen Urheberrechtssystem wären Sie jetzt unabhängig und reich. Mithilfe von Patenten ist es Microsoft und anderen gelungen, Ihr geistiges Eigentum zu stehlen.</blockquote>
Damit sind die Argumente der Kritiker bereits offengelegt: Die neuen Gesetze würden bestehende Giganten wie Microsoft klar bevorzugen, Monopole erleichtern und die Forschung und damit auch Innovationen blockieren.
Der Entwurf stammt angeblich zumindest teilweise von Francisco Mingorance – Europa-Referrent der BSA. Die BSA ist eine in Amerika gegründete Vertretung von Konzernen wie Microsoft und IBM, die freiere Patentregelungen natürlich unterstützen. Das gilt gar nicht für alle Mitglieder der Interessensvertretung, der Einfluss von MS & Co. ist aber zu groß, sodass der Verband etwas kleinere IT-Unternehmen in diesem Fall nicht repräsentativ vertritt. In vielen europäischen Ländern genießt die Organisation übrigens noch keinen offiziellen Status.
Die Pro-Argumentation steht auf einem wackeligen Fundament. In den USA hätten Logikpatente eine positive Auswirkung auf die Branche gehabt – so die BSA. Belegt wird das vor allem durch die Tatsache, dass Microsoft bereits 400 solcher Patente erworben hat. Von den meisten Studien, die sich damit befasst haben, wird der positive Einfluss aber wiederlegt. Seltsam ist es auch, dass in der Einleitung des Entwurfes eigentlich behauptet wird, man wolle nicht Zustände wie in den Staaten schaffen. Ob das mit diesem Entwurf gelingt weiß man zwar selbst nicht zu genau, aber immerhin heißt es: "Europe might be better placed than the U.S." (sinnhaft: in Europa könnte es besser gelingen als in den USA)
Was aber nicht unbedingt falsch ist, ist das Argument, dass die Entwicklung von Innovationen zwar meist einen großen Aufwand bedeutet, diese aber zu leicht kopiert werden können. Allerdings ist das in allen Bereichen des Lebens so. Taktiken vom Fußballplatz können genauso kopiert werden wie das Prinzip eines Computerspiels. Gegner der freieren Patente argumentieren wie erwähnt auch damit, dass die Forschung darunter leiden würde. Anschauliches Beispiel: Hätte Pythagoras seinen Lehrsatz zur Dreiecksberechnung patentiert, wir würden mathematisch heute undenkbar schlechter da stehen. Natürlich handelt es sich hierbei um ein überspitzt formuliertes Exempel, und nicht jedes Patent würde solch drastische Auswirkungen haben.
Wir sind Gegner des neuen Regelungsentwurfes. Die Argumente der Kritiker erscheinen uns logischer und vor allem förderlicher für Innovationen am IT-Sektor und die Forschung. Außerdem würden nicht nur bekannte Produkte wie Linux Schaden davon tragen. Auch Freeware-Tools wie der VLC Media Player, der unter anderem das Abspielen von Quicktime-Movies ermöglicht, könnten gefährdet sein.
Im schlimmsten Fall würde das Patentieren von bestimmten Routinen oder Algorithmen auch Auswirkungen auf die Spielebranche haben. Schließlich spielen mathematische Berechnungen gerade in diesem Zweig der Softwareindustrie eine große Rolle. Die Weiterentwicklung von Grafik-Technologien könnte beispielsweise gebremst werden. Webmaster sollten sich mit dem Thema generell auch sehr genau auseinandersetzen. Auch wegen selbst entwickelter Texte könnte man dank Logikpatenten künftig gerichtlich belangt werden.
Ihr wollt euch weiter informieren? Wir empfehlen die Organisation <a href="http://www.ffii.org" target="_blank">FFII</a>. Die bringt auch einen Antrag im Europäischen Parlament ein, damit diese Gesetze nicht durchgesetzt werden können. <a href="http://www.ffii.org/ffii-cgi/eintrag?f=eubsa&l=de" target="_blank">Unterstützen könnt ihr den hier.</a> Neben zahlreichen linken Politikern, Wirtschaftswissenschaftlern, namhaften Professoren an großen europäischen Universitäten und anderen Leuten, die sich mit der Materie auskennen, haben bisher auch 12 000 Personen unterschrieben.
Anmerkung: Wir wollten und konnten hier nicht alle wissenswerten Fakten auflisten, sondern eine Interessensbasis bei euch Usern schaffen.