Fußball und die Wissenschaft

Wissenschaft ist ja so eine Sache. (Hypo-)Thesen werden aufgestellt, geprüft und zu guter Letzt dann verifiziert oder falsifiziert. Julians „Gegenthese“ zu FIFA 09 macht es mir da nicht ganz so leicht, denn die wissenschaftlich korrekte Behandlung des Themas ist hier nicht möglich. Bestätigen mag ich sie trotzdem, wenn schon nicht forschungsmäßig korrekt dann immerhin aus meiner eigenen, höchst subjektiven Perspektive.

Fanboy?

Seit Pro Evolution Soccer 3, der ersten PC-Version, bin ich bekennender Anhänger der Serie, da sich zu jener Zeit die FIFA-Reihe von ihrem Simulationsanspruch verabschiedet hatte. Vom relativ realistisch anmutenden 1998er Kick war nur noch Kick-and-Rush-Tischfußball mit immer den selben Toren geblieben. Den einzigen Vorteil, den mir FIFA noch hätte bieten können, waren die Lizenzen. Hier schaffen mit etwas Fummelei schon längst die PES-Fanpatches Abhilfe, und Konami fettet das Rechtepaket zudem mit jeder Version etwas auf. Dass ich zwei Versionen lang der ESL als Liga-Admin für das Spiel gedient habe macht meinen Standpunkt auch nicht gerade neutraler. Sei’s drum.

Auch Pro Evo hatte seine Höhen und Tiefen. Auf die geniale 6er Version folgte mit der Namensänderung die 2008er Auflage, die zwar einen deutlichen Qualitätssprung in Sachen Grafik, aber auch eine unangenehme Annäherung an das Gameplay der Konkurrenz brachte. Das aktuelle Pro Evolution Soccer 2009 hat die Optik abermals verbessert, viele der Änderungen in der Spielbarkeit aber abgeschwächt oder revidiert. Beispielsweise ist das Spielgeschehen nicht mehr übertrieben schnell, und die Ballphysik wieder einen Tick realistischer.

Augen- und Ohrenmaß

Bleiben wir beim Look des Spiels. Die Darstellung realistischer Haut lässt bei beiden Serien noch zu wünschen übrig, in beiden Spielen umgibt die virtuellen Kicker bei Nahaufnahmen das Flair von bewegten Wachspuppen. Aber immerhin, Tussaud’s Kreationen in PES 2009 haben jetzt markantere Gesichtszüge. Zudem huschen sie wie gewohnt geschmeidig animiert über den Rasen, nur hier und da passt die Abstimmung nicht ganz, und sie fliegen erstaunlich leicht um.

Für mehr Atmosphäre sorgen Details wie etwa die flatternden, ziehbaren Trikots und vor allem der im Vergleich zum Vorgänger deutlich hübschere Stadionrasen. Gelungener und detailierter sind nunmehr auch Stadion und Publikum, in dem Punkt hinkt man dem Gebolze von EA jedoch noch hinterher. Der Abstand hat sich allerdings verkürzt.

Gewöhnungsbedürftig sind die in Collagen bzw. Popart-Optik gehaltenen Menüs, die mit eher seichten Indie-Pop und Rocksounds hinterlegt werden. Es bleibt eine Geschmacksfrage. Das Publikum reagiert recht gut und glaubwürdig auf den Spielverlauf, das Feeling passt also insgesamt, trotz der auf Dauer nervigen Kommentatoren.

Mittendrin, statt nur dabei

Zwei neue Modi bietet die heurige Version den Spielern. Eine davon ist die UEFA-Champions League, die präsentationstechnisch sauber aufgearbeitet ist. Gespielt wird ab der Gruppenphase. Warum Konami zwar den Bewerb, nicht aber die 32 teilnehmenden Teams komplett lizenziert hat, bleibt mir aber ein Rätsel. So hat man einen bunten Mix aus Originalteams und Namenskrüppeln, die um die Trophäe spielen.

Neuerung Nummero Zwo nennt sich „Become A Legend“, der dem „Be A Pro“-Modus der Konkurrenz nachempfunden ist. Man erschafft sich einen Spieler der sich – inklusive eigener Gesichtstextur – in vielen Details optisch anpassen lässt und bestreitet ein Spiel für einen Nonameklub. Danach gibt’s Offerten von Vereinen aus bunt zusammengewürfelten Fantasieligen (in einer der lizensierten Nationalligen antreten ist nicht möglich), wo man als Teil des B-Kaders ins Training einsteigt. Von da arbeitet man sich in die A-Auswahl vor, bis man schließlich auf der Bank und irgendwann in der Startformation landet. Die Nominierungskriterien sind allerdings nicht wirklich nachvollziehbar, speziell im Training.

Zudem macht Konami den Modus zu einer echten Anstrenung, da es dem geneigten Zocker pure Zeitverschwendung aufdrängt. Will man sich signifikant verbessern, muss man die ewig gleichen Trainingsmatches absolvieren. Nimmt man dann als Bankdrücker am Ligabetrieb teil, muss man sich das Spiel komplett bis zur Einwechslung ansehen, schlimmstenfalls über die ganze Distanz, sollte man neben der Seitenlinie sitzen bleiben. Eine Beschleunigung der Matchdarstellung ist zwar möglich, aber doppelte Geschwindigkeit ist das Maximum. Hat man eine Spiellänge von jeweils 10 Minuten eingestellt, verbringt man also speziell beim Aufstieg vom Wechsel- zum Stammspieler oft genug viereinhalb von fünf Minuten mit reinem Zusehen. Das hätte besser gelöst werden müssen.

Hat man es einmal zum Dauerbestandteil der Startformation geschafft, geht es einigermassen, und insgeheim ist man über jedes „selbst „erzählte Tor unglaublich stolz.

Das Gut und Böse des digitalen Fußballs

Während die Teamkameraden sich in Partien außerhalb des Legenden-Parts recht sinnvoll verhalten, läuft das im „Eigener-Chef-Modus“ anders. Statt flüssigem Spielaufbau wird im Österreich-Stil hinten planlos hin und her gepasst, bei Bedrängnis folgt oft ein Pass nach hinten. Als Stürmer wartet man fallweise minutenlang, bis man sich in einen Angriff einschalten kann. Und trifft man einmal, so verbocken die in der Defensiv oft genug hirnlosen KI-Kollegen gerne den Sieg. Auch das Mittelfeld folgt einer ganz eigenen Logik, und begreift nur im Ausnahmefall, dass ich an einer genialen Einschussposition nicht im Abseits, aber völlig frei stehe. Da hilft auch kein noch so energisches Ball fordern, das per Tastendruck machbar ist. Gerne laufen übermotivierte Sturmpartner auch in die Schusslinie.

Ein weiteres Manko ist, wenn auch wirklich selten, der Schiedsrichter. Der gilt nämlich als Hindernis, das heißt Spieler können mit ihm kollidieren und gegebenfalls ins Stolpern kommen oder zu Fall geraten. Auch der Ball prallt von ihm ab. Das ist zwar realistisch und zumeist unproblematisch, dann gibt es aber wieder Szenen wo der Matchleiter in Schwarz sich zur falschen Zeit am falschen Ort steht und somit zum nervigen Hindernis wird. Auch das müsste nicht sein.

Fehlen noch die Torwarte, die wie immer glänzend animiert sind. Doch wo sie im Vorjahr manchesmal zu unüberwindbar waren, schwanken sie heuer zwischen Glanzparaden und Erbärmlichkeit. Manche Kracher aus 20 Meter ins Kreuzeck fangen sie locker per Hechtsprung, dann wieder lassen sich vermeintlich harmlose Roller abprallen oder greifen an völlig unplatzierten Schüssen vorbei. Eine Relation zu den Fähigkeitswerten des jeweiligen Goalies lässt sich nicht herstellen, da hat das Balancing einfach nicht optimal geklappt.

Der bessere Kick

Von FIFA 2009 kenne ich nur die Demo, und die hat mir gereicht mich nicht weiter mit dem Spiel zu befassen. Ein paar Verbesserungen sind anzuerkennen und EA Sports hat sich etwas mehr ins Zeug gelegt als über die Jahrsprünge bisher (immerhin nötigt man PC-Zockern keine grausliche PS2-Grafik mehr auf, wie etwa noch beim Spiel zur EURO 2008), um auf spielerischer Ebene mit Pro Evo mitzuhalten reicht es aber nicht. Wer mit schnellem, aber substanzlosem Hin- und Her zufrieden oder ein Lizenzkiddie ist, ist trotzdem ausreichend bedient.

Das Spielgefühl von PES 2009 ist wieder besser geworden, insgesamt ruhiger und realistischer. Es ist wieder möglich, das Spiel taktischer aufzuziehen und sich Chancen richtig zu erarbeiten, ohne dass es langweilig wird. Je nach Spielanlage und Taktik, die man auch heuer akribisch genau einstellen kann, schließt das energisches Offensivspiel und flotte Konterangriffe freilich nicht aus. PES 2009 ist weiter klar die bessere Fußballsimulation.

Fazit

Es bleibt im Grunde wie es immer gewesen ist. Konami hat aus vergangenen Fehlern gelernt, aber trotzdem neue gemacht. PES und FIFA sind in der jährlichen Neuauflage eigentlich des Vollpreises nicht wert, doch müsste ich abwägen würde ich PES in Sachen Preis-Leistung den Vorzug geben. Weil es günstiger ist und summa summarum mehr Neuerungen und Verbesserungen drinzustecken scheinen, als bei der Konkurrenz.

Die Geschmacksfrage bleibt trotzdem bestehen: Wer keinen Wert auf wirklich realistische Spieldarstellung legt und nicht erst über Fanpatches das volle Lizenzpaket haben will, dürfte tatsächlich mit FIFA 2009 glücklicher werden. Alle anderen Fußballfans unter den Zockern sei geraten, auch heuer zu Konamis Pro Evolution Soccer 2009 zu greifen.

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