Wir beteiligen uns an dem Hype

Letztes Jahr sah es beinahe danach aus, als sei das Rollenspiel-Genre in ein ’Oblivion’-Loch gefallen und hoffnungslos der Bedeutungslosigkeit ausgeliefert. Zu viele missratene Gurken machten es den Fans reichlich schwer. Als Krönung dazu die erst nach mehrmonatigen Patch-Orgien gereiften Titel und die ziemlich dünne Auswahl wirklich zu empfehlender Rollenspiele. Dank des Erscheinens von Bethesdas grandiosem ’The Elder Scrolls 4: Oblivion’ wird diese schlechte Zeit nur noch einen Hauch der Erinnerung im Gedächtnis hinterlassen. Vorweg: Ich beziehe mich im folgenden ausschließlich auf die PC-Version. Mit der zickigen Xbox 360 muss sich bekanntlich Frl. Maertens abmühen.

Gigantischer Umfang
’The Elder Scrolls 4: Oblivion’ ist groß. Sehr groß. Doch im Gegensatz zum Vorgänger ’Morrowind’ bezieht sich hier Größe nicht nur auf die Spielwelt, sondern auch auf die verschiedenen, gehaltvollen Inhalte des Rollenspiels. Sage und schreibe 10 Rassen, 21 vorbestimmte und 7 selbstdefinierte Klassen geben darauf einen Vorgeschmack. Und dabei handelt es sich nicht um ein MMORPG, bei dem sich die Teilnehmer unterscheiden wollen. An den sich dadurch bietenden Individualisierungsmöglichkeiten darf sich so mancher Vertreter dieses Genres ein Beispiel nehmen. Hinzu kommt eine neue Ausgabe der ’The Elder Scrolls’-Welt, in welcher sich der Spieler wieder grenzenlos austoben kann. Unzählige Variationsmöglichkeiten der Charaktererstellung, eine packende Hauptstory, Nebenhandlungen und das unterschiedliche Gameplay verschiedener Klassen bieten unzählige Möglichkeiten. Vor allem aber gibt es eine Eigenschaft, die modernen Spielen beinahe schon gar nicht mehr zugetraut werden konnte: Wiederspielbarkeit.

Endlich bin ich Teil der Handlung
Glaubwürdige Charaktere tragen die Story von der Verschwörung gegen das Königreich, in die der Spieler exzellent eingebunden wird. Überall tauchen Oblivion-Tore auf, aus dessen Parallelwelt schreckliche Kreaturen hervortreten. Wer hat da seine Hände im Spiel? Die Normalsterblichen sind ziemlich aufgeschmissen, sich dagegen zu verteidigen.

Nur der Held kann gegen den drohenden Untergang wirklich etwas ausrichten. Das sind keine Phrasen aus der Hintergrundgeschichte, sondern entsprechen dem tatsächlichen Stellenwert des eigenen Avatars in der Welt und den Handlungsabläufen während der Quests. Dank eines vorbildlich automatisch geführten Tagebuchs sind einzelne Schritte der Aufträge ausnahmslos verständlich gehalten. Hinzu kommt ein tadellos umgesetztes Auto-Mapping-System, welches den Spieler durch die Markierung der Schlüsselörtlichkeiten niemals im Stich lässt. Sehr komfortabel ist das neue Reisesystem: Einmal entdeckte Orte lassen sich danach bequem per Mausklick auf der Übersichtskarte erreichen.

Die NPCs gehen in ’Oblivion’ endlich einer Beschäftigung nach. Im Gegensatz zu ’Morrowind’ stehen sie nicht einfach nur herum, sondern haben einen geregelten Tagesablauf und eine Beschäftigung. Deswegen sollte man sich nicht wundern, wenn man um Mitternacht vor den verschlossenen Türen der Händler steht oder die Gräfin schon in ihren Gemächern schlummert. Während die deutsche Version von ’The Elder Scrolls 4’ wie üblich etwas hölzern wirkt, ist die Sprachausgabe der US-Version zweifellos gelungen. Der gewohnten Interaktion mit den NPCs wurde das umständliche Einstellungs-Minigame hinzugefügt, mit Hilfe dessen man sich auf Wunsch bei der jeweiligen Person beliebter machen kann.

Probieren geht über Studieren
Das gesamte Fertigkeitensystem beugt sich realen Vorgaben, die auch in unserer Welt nicht anders sind. Nur durch Übung und Wiederholung erhöht sich der Wert eines Talents bzw. werden höhere Stufen erreicht. Ein Schwertkämpfer kann nicht mit der Klinge besser werden, wenn er nur Keulen einsetzt. Ein angelegter Schild wird niemals so gekonnt zum Einsatz kommen, wenn man ihn nicht wirklich benutzt. Gleiches gilt für Zauber ebenso wie für die jeweiligen Sekundärskills der verschiedenen Klassen. Dazu passt wunderbar, dass jede der drei Hauptrichtungen Kampf, Magie und Schleichen im Prinzip alle zur Verfügung stehenden Fertigkeiten anwenden kann – die Frage ist nur, wie gut.

Technikmaßstäbe
Natürlich wurde im Vorfeld sehr viel über die Optik und Technik spekuliert. Der grafische Eindruck stellt in der Praxis neben den eigentlich schon so zahlreichen Highlights ein weiteres dar.

Die Umgebung und ganz besonders die zahllosen Dungeons mit ihren jeweiligen Settings und Beleuchtungsmethoden wirken sehr plastisch und fesselnd. Berge bieten einen wunderbaren Überblick über verspielt gestaltete Landschaften. Raschelnde Blätter an Bäumen und sich durch den Wind bewegendes Gras lassen wegen der allgemeinen Detailverliebtheit nicht selten an Wahnsinnige in Bethesdas Grafikabteilung denken. Bis auf die Wachen ist jeder NPC einzigartig in der Spielwelt. Zwar kann ’Oblivion’ hinsichtlich der hölzernen Gesprächsanimation nicht den ersten Preis gewinnen. Dafür bietet die Einzigartigkeit der künstlichen Bevölkerung immer wieder einen Anreiz, diese anzusprechen. Eine lohnende Nebenquest könnte nach einem kleinen Smalltalk durchaus drin sein.

Verbeulte Schilde
Bethesda hat auch bei der Gestaltung der Kämpfe den Mund nicht zu voll genommen. Verschiedene Angriffsarten unter Einbeziehung erweiterter Techniken durch die Meisterung von Waffen und Zaubern, das Blocken oder tödliche Schleichangriffe lassen die Kämpfe plastisch erscheinen. Das geschickte Wechselspiel von Angriffsbewegungen und Abblocken bereitet grenzenlosen Spaß. Darüber hinaus sorgen Physik-Engine und Soundeffekte als Abrundung für ein fast reales Kampferlebnis, wie ich es zuvor noch nicht erlebt habe.

Fantasy ist wieder in!
Die Zeiten sind vorbei, in denen ich mich über die nächste schlechte Fantasy-Umsetzung aufregen konnte. ’The Elder Scrolls 4’ setzt unter den Rollenspielen hinsichtlich Ideen und Technik neue Maßstäbe, und schafft es sogar, dass Fantasy ab sofort wieder angesagt sein dürfte. Die gebotene grenzenlose Freiheit, eine glaubwürdig präsentierte Haupthandlung, das durchdachte Skillsystem und nicht zuletzt die grandiose Optik machen ’Oblivion’ zum Spielerlebnis der besonderen Art. Mit jedem weiteren verbrachten Tag in Cyrodiil entdeckt der Spieler neue Geheimnisse und lernt ein Stück mehr des Gameplays und der Möglichkeiten kennen, die ihm das Spiel bieten. Die Wiederspielbarkeit gibt es somit noch als i-Tüpfelchen oben drauf. Die Zeit bis zum Release von ’Gothic 3’ kann dank ’The Elder Scrolls 4’ nun eigentlich gar nicht lang genug sein. Wer sich dieses Rollenspiel nicht gönnt, gehört in ein Oblivion-Tor geschmissen.

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