Mit freundlicher Unterstützung von Introversion, präsentieren wir euch hier ein Interview zu Defcon.
Wahrscheinlich ist es das Beste, sich das grundsätzliche Konzept zuerst anzusehen. Was ist Defcon und wie funktioniert es?
Das Spiel simuliert globale Nuklearkriege. Punkte gibt es dafür, die feindliche Bevölkerung erfolgreich in Vergessenheit zu bomben. Das ist extrem schwer, denn eine Attacke zu starten macht dich angreifbar. Raketensilos und U-Boote werden sichtbar, wenn sie feuern. Wir spielen das Spiel jeden Tag und es kommen immer noch neue Strategien auf – aber im Endeffekt ist es sehr schwer klar zu gewinnen. Oft enden Spiele mit zwei ausgewischten Seiten. Es ist faszinierend und aufregend zu spielen. Wir haben uns für eine sehr minimalistische Atmosphäre entschieden, mit wundervoller Ambient-Musik untermalt (geschrieben von Alistair Lindsay und Michael Maidment, die auch Darwinia vertont haben). Es gibt kaum Soundeffekte außer enorme Rumpler bei Nuke-Einschlägen. Als wärst du in einem Bunker 10 Meilen unter der Erde und würdest der Welt ihr Ende auftischen – völlig abgeschnitten von den Millionen Toten.
Es ist klar woher eure Inspiration kam – Wargames. Was hat dich daran eigentlich so gereizt?
Erstens ist es ein großartiger Film. Es ist einer dieser Filme die ich geliebt habe als ich klein war. Die Hacker-Elemente haben uns schon bei Uplink inspiriert. Meine Lieblingsfilme als Kind waren Tron und Wargames, das erklärt wahrscheinlich einiges. Als ich den Film sah, dämmerte mir, dass das eine coole Idee für ein Spiel wäre, die niemand wirklich probiert hat. Es gibt einige Spiele die erfolgreich globalen Krieg simulieren, aber die sind zu strategisch (z.B. rundenbasierend oder statistiklastig). Ich wollte ein Spiel sehen, dass so wie der Film ist, mit Vektorlinien und sowjetischen U-Booten die sich deiner Küste nähern. Und am meisten wollte ich diese Spannung und Paranoia wiedererwecken.
Erzähl uns doch was über die Einheiten.
Hier hast du gleich eine komplette Liste.
Bodentruppen: Silo (startet oder eliminiert Nukes), Luftbasis (dort starten Kampfjets und Bomber), Radarstationen (haben die weiteste Radarsicht)
Seeeinheiten: U-Boot (unsichtbar fürs Radar, startet Nukes und kämpft gegen andere Schiffe und U-Boote), Kriegsschiffe (Anti-Schiff-Einheit), Träger (startet Flugzeuge und hat Wasserbomben)
Flugeinheiten: Kampfjet (gut gegen feindliche Flieger), Bomber (kann Atombomben ausliefern), Atomrakete (Boom)
Es ist euer erstes Multiplayer-Spiel. Welche Schwierigkeiten habt ihr bei der Entwicklung gehabt?
Nunja, Defcon ist baut auf derselben Multiplayer-Architektur wie Darwinia auf. Auch wenn das ein Einzelspieler-Game war, rannte es in Wahrheit auf einem Mehrspieler-artigen System und sollte ja ursprünglich ein Multiplayerspiel sein. Eines Tages werden wir Multiwinia vielleicht machen, aber nun benutzen wir das System erstmal für Defcon. Das war ein unvergleichbar kürzeres Projekt als Darwinia – 6 Monate gegen 3 Jahre. Es ist ein einfacheres und puristischeres Spiel in fast jeder Hinsicht. Nach Darwinia wollten wir wohl alle eine kontrolliertere Spieldesign-Methode.
Was kannst du uns über den Multiplayermodus erzählen? Der Office Modus klingt brilliant.
Wir sind auch sehr begeistert über den Office Modus. Die grundlegende Idee ist, dass eine Gruppe Arbeitskollegen das Spiel am Morgen in diesem Modus über das LAN starten können.
Das Spiel findet völlig in Echtzeit statt (du kannst die Welt ziemlich einfach in 8 Stunden zerbomben) und jeder Spieler kontrolliert ein Gebiet, z.B. Nordamerika oder Russland. Es gibt einen Panik-Knopf der einen sofort auf den Desktop wirft und nur ein kleines Symbol in der Systemleiste hinterläst. Wenn wichtige Dinge passieren, verändert sich dieses Symbol – etwa wenn du einige Nuklearraketen entdeckst. Weil ja alles in Echtzeit abläuft, hast du ungefähr 30 Minuten bevor eine Rakete einschlägt. So hat jeder genug Zeit zu reagieren, ohne dass das großartig die Arbeit beeinflussen muss. Wir basteln außerdem ein ziemlich komplexes Allianzen-System. Wenn 6 Spieler miteinander kämpfen ist das sonst eher ein Chaos, also ermöglichen wir den Spielern Allianzen zu knüpfen und zum Beispiel 3 gegen 3 zu spielen. Es spielt immer noch jeder für sich selbst. Der Score ist unabhängig vom Erfolg der Allianz und jeder kann natürlich seine Kollegen verraten und die Seiten wechseln, wenn die anderen das erlauben (in der anderen Allianz gibt es dann eine Wahl über die Aufnahme). Wir glauben, dass es ziemlich hässlich werden wird, mit Spielern die versuchen mit einem Kameraden die perfekte Attacke vorzubereiten und ihn dann verraten und im richtigen Moment angreifen.
Paranoia wird ein wesentliches Element in Allianz-Spielen sein. Wir haben einen Ingame-IRC (öffentlich und privat) und haben in unseren Spielen intensive Verhandlungen erlebt wo Leute versucht haben ihre Allianzen zu sichern. Wir haben Teamkameraden gesehen die freundliche Flugzeuge abgeschossen haben, aus Angst, dass diese zum Spionieren über dem eigenen Gebiet geflogen sind. Das resultierte in Streits im Chat-Channel, gefolgt von kleinen Scharmützeln auf See, Vergeltungsschlägen und schlussendlich dem Kollaps der ganzen Allianz. Jeder hat dem anderen den Hintern weggebombt. Es ist großartig. Man sollte auch erwähnen, dass Allianzen und Betrügereien Optionen sind die beim Start abschaltbar sind, wenn man einen freundlicheren Nuklearkrieg bevorzugt.
Gibt es eigentlich irgendeinen Singleplayer-Content?
Es gibt Computerspieler – Bots. Du kannst so viele du willst mitspielen lassen. Du kannst also ein normales Defcon-Spiel mit sagen wir 2 feindlichen Bots spielen. Auf der Einzelspieler-Seite gibts es außerdem ein Tutorial mit Computergegnern um das Spiel zu lernen. Aber Defcon spielen zu lernen ist ziemlich einfach – es ist nur schwer zu gewinnen.
Es gibt also Sichtlinien? Wie funktioniert das?
Jede Einheit hat ein wenig Radar-Reichweite in einem Kreis rund um sie. Manche (z.B. Radarstationen) haben längeren Radar als andere. Du siehst andere Einheiten nur, wenn sie in deinem Radar sind. Wenn du einmal ein Objekt entdeckt hast, bleibt es am Bildschirm als "Ghost", weil du von da an weißt, dass es existiert. Eine verbreitete Taktik ist es mit dem Flugzeug über feindliche Gebiet zu fliegen und zu hoffen, dass man Silos, Radarstationen oder sonstiges findet. Wenn du eine Radarschüssel früh findest und ausschalten kannst, macht das eine Attacken sehr viel einfacher, da die feindlichen Flugabwehrraketen dich dann viel später kommen sehen. Manche Einheiten sieht man am Radar nicht – z.B. Bomber und U-Boote. U-Boote können entdeckt werden, wenn du deine Schiffe in den Sonar-Modus schaltest, solange du nah genug dran bist. U-Boote können selbst in den Sonar Modus gehen (um andere zu suchen), aber damit verraten sie ihre Position dem Feindradar. Wie das aussieht, zeigen die Screenshots zeigen ja sehr schön.
Ihr recyclet also Technologie – die Grafikengine (musste viel umgeschrieben werden?) und den Net-Code vom großen, epischen Darwinia-Experiment. Wolltet ihr schnell ein anderes Game machen, statt wieder etwas wie Darwinia? Ich weiß, dass es einen finanziellen Druck geben dürfte, aber auch wenn Darwinia ein finanzieller Erfolg war, werde ich das Gefühl nicht los, dass ihr ohnehin ein schneller zu entwickelndes Spiel machen wolltet. Wahrheit, Journalistenfantasie oder beides?
Defcon wurde während Darwinias Entwicklung begonnen, damals 2003. Ich war mit Darwinia ein wenig gelangweilt und begann mit dieser Idee eines Wargame-inspirierten Spiels herumzuprobieren. Die Netzwerk-Technolgie ist absolut von Darwinia geklaut, aber alles andere ist neu – z.B. das Grafiksystem hat kaum etwas mit Darwinia zu tun. Wir benutzen dieselbe Soundengine und viele grundlegende Librarys. Jedes Mal wenn wir ein Spiel machen wird es einfacher, aber ich zweifle daran, dass wir jemals unsere eigene "Grafik Enigne" haben werden – die Renderingmethoden für Uplink/Darwinia/Defcon sind extrem unterschiedlich. Defcon war immer das Spiel, dass wir als nächstes machen wollten, unabhängig ob Darwinia ein Erfolg oder nicht war. Wir hatten bereits einen funktionierenden Prototyp (den ich in 7 Tagen zusammengeschustert habe) der Netzwerk, visuellen Stil und das grundlegende Gameplay bereits konnte. Es ist sehr angenehm an etwas viel kontrollierterem als Darwinia zu arbeiten. Wir wissen wohin wir mit Defcon wollen.
Was habt ihr im Allgemeinen von Darwinia gelernt, das ihr hier angewandt habt?
Content. Ist. Böse.
Genauer gesagt ist Content böse, wenn du ein kleines Team bist. Sogar mit Darwinias Retrolook und -feel hat es uns Monate gekostet all den maßgeschneiderten Content zu machen – jeder Level hatte etwas Spezielles das es sonst in keinem gab. Die zweite Demo hat uns fast 4 Monate gekostet. Für nur einene Level mit ungefähr einer Stunde Gameplay! Defcon ist ein wundervolles Projekt weil es fast "Content-frei" ist. Die Weltkarte ist öffentlich erhältlich, die großen Städte kennt man, die Icons sind einfach und es gibt kein eigenes Leveldesign, Cutscenes, Dialoge oder Sonstiges – es ist ein pures Spiel. Der einzige ernsthafte Content den wir produzieren ist die Musik.
Den hauptsächlichen Vorgänger den ich für das Spiel sehe ist Missile Command. Ein taktischer Mehrspieler-Missile Command für das 21. Jahrhundert? Ist das eine faire Beschreibung oder zu bissig?
Beides glaube ich. Defcon ist viel taktischer und weniger arcadelastig als Missile Command. Und natürlich spielst du den Angreifer und den Verteidiger. Aber in Defcon zielst du nie selbst auf kommende Raketen.
Wir haben über die Echtzeit-Spiele geprochen, aber wie schnell geht ein Standard-Spiel?
Normalerweise knapp 30-40 Minuten. Du kannst die Spielgeschwindigkeit einstellen – irgendwas zwischen Echtzeit und 20-facher Echtzeit. Im Multiplayer spielt man die langsamste verlangte Einstellung. Manchmal beginnen Spiele auch in Defcon 5 und alle paar Minuten steigt der Status bis er dann bei 1 ist. In jeder Stufe stehen mehr Optionen zur Verfügung – zum Beispiel kann man nur auf Defcon 1 Atomwaffen einsetzen, den Feind nur bei Defcon 3 oder höher angreifen und gegnerische Gebiete erst bei mehr als Defcon 4 betreten. Wir taten das alles um ein langsam aufgebautes Spiel zu ermöglichen, anstelle einer Klickorgie in den ersten paar Minuten. Defcon ist ein Spiel für große Denker und wir wollen nicht demjenigen Vorteile verschaffen, der am schnellsten klicken kann.
Wann wird das Spiel fertig sein?
Wir glauben, es bis April zu schaffen.
Originalinterview von Kieron Gillen. Übersetzung von Thomas Schaffer.