BioShock: Infinite war kürzlich zu Besuch in Wien, und wir konnten es recht ausführlich anspielen und uns mit Irrational Games-Animations Director Shawn Robertson unterhalten.
Die ersten eineinhalb Stunden des first Person-Shooters haben uns dabei bereits sehr gut gefallen. Columbia präsentiert sich bei unserer Erkundung als Booker DeWitt als prächtige, belebte Wolkenstadt, die von einem Propheten namens Comstock mithilfe von Propaganda und religiösem Führerkult geführt wird. Etwa nach zwei Dritteln unserer Spielzeit – also wohl mitten im ersten Viertel des flott getakteten Spiels – bekommt man mit Elizabeth den sicherlich bestentwickeltsten Sidekick der bisherigen Shootergeschichte zur Seite. Es sieht nicht so aus, als müsste man sich beim Vorbestellen groß zurückhalten. Genauere Eindrücke bewahren wir uns aber für das komplette Review auf, das wir Anfang April veröffentlichen werden.
Unser Gespräch mit Robertson drehte sich unter anderem darum, wieso Irrational-Mitarbeiter viel enthusiastischer über Sidekick Elizabeth als über Protagonist Booker sprechen, dass die kein übersexualistiertes Videospiel-Babe sein soll und was gut daran ist, wenn das Spiel verschiedene politische Gruppen verärgert. Robertson wollte mit uns hingegen nicht weiter über die Cover-Kontroverse sprechen. Das recht uninspirierte Boxart von BioShock: Infinite wird von Hauptfigur Booker DeWitt mit einer großen Knarre vor einer brennenden Flagge geziert. Das ist nicht gerade der Tiefgang, den man mit BioShock-Spielen gewohnt ist. „Es war eine Marketingentscheidung“, gestand Robertson uns offen. Man wolle eben neue Käuferschichten ansprechen. Auf die Kritik der alteingesessenen Fans reagierte Irrational trotzdem. Man kann das Cover nun umdrehen und das Spiel mit einem alternativen Outfit ins Regal stellen, das die Fans selbst bestimmen durften.
Booker DeWitt – Hauptcharakter in der zweiten Reihe?
Rebell.at: Booker DeWitt ist der Hauptcharakter, aber wir werden seinen Körper im Spiel wohl gar nicht sehen. Ist es seltsam einen Charakter nur für das Cover zu designen?
Shawn Robertson: Wir wollten den Spieler hinter dieser Glaswand hervorholen, die ihn oft von der Geschichte trennt. Eine Maßnahme dagegen war die Einführung von Elizabeth, die andere war, dass wir dem Spieler eine Identität geben. Sie sollen wissen, wer sie sind und warum sie nach Columbia gehen. Deshalb haben wir Booker Dewitt kreiert. Natürlich ist es eine Herausforderung für sich, das Artwork für etwas zu machen, das der Spieler nicht allzu oft sieht. Du willst ja immer noch, dass der Charakter etwas bedeutet. Wir behandeln ihn gleich wie einen Charakter wie Elizabeth, die du fast die ganze Zeit über siehst. Du versuchst ehrlich zu der Spielwelt zu sein.
Rebell.at: Booker war ein Pinkerton-Agent. Historisch gesehen waren das ja nicht immer die Guten …
Robertson: Eines der interessanten Dinge an BioShock: Infinite – und man hat es auch schon ein wenig in BioShock gesehen – wir wollen keine Welt mit Schwarz und Weiß erschaffen. Der Spieler soll selbst entscheideen, wie er über das denkt und fühlt, was er sieht. Wir wollen niemandem einprügeln, worüber er froh und worüber er traurig sein soll. Die Pinkterton Agency gibt uns eine nette Textur für Booker. Er hat vielleicht nicht die beste Vergangenheit. Vielleicht will er sich ändern, vielleicht wächst er.
Rebell.at: Wird die Agency selbst ein Thema sein?
Robertson: Nein. Er ist ja ein Ex-Agent und jetzt Privatdetektiv, der den Job bekommt, Elizabeth aus Columbia rauszuholen.
Rebell.at: Wenn man bedenkt, dass Booker der Hauptcharakter ist, ist es spannend euch bei Interviews zuzuhören. Ihr werdet bei Elizabeth immer sehr enthusiastisch und redet eigentlich wenig über ihn.
Robertson: Der Grund dafür ist wohl, dass wir Erfahrung damit haben, den Spieler in die Schuhe des Entdeckers einer Welt zu stecken. Die haben wir nicht, wenn es darum geht, ihm einen emotionalen Partner an die Seite zu stellen mit dem man eine Beziehung herstellen kann. Wir sind darüber sehr aufgeregt und reden viel von Elizabeth, weil sie von einem technologischen, künstlerischen und schriftstellerischen Standpunkt aus eine große Herausforderung ist. Das soll die Schwierigkeiten, einen Charakter wie Booker zu kreieren, nicht herunterspielen.
Rebell.at: Die da wären?
Robertson: Booker und der Spieler sind unterschiedliche Personen. Wie oft soll Booker reden, etwas kommentieren das der Spieler vielleicht nicht unbedingt tun würde? Du musst dich ständig fragen: Ist er hier zu redselig? Müssen wir ihn etwas zurücknehmen? Trifft er andere Entscheidungen als es der Spieler machen würde? Du musst sensibel sein, darfst Booker da nicht zu weit vom Spieler entfernen.
Elizabeth – Herausforderung auf allen Ebenen
Rebell.at: Denkst du, dass Elizabeth manchmal das Ruder übernimmt?
Robertson: Vielleicht. Aber ich denke, dass die Beziehung zwischen Booker und Elizabeth das Herz der Geschichte ist. Wir behandeln die Stadt Columbia wie einen Charakter. Sie hat ihre Fehler, guten und schlechten Seiten und der Spieler soll sie alle entdecken. Aber das ist vor allem die große Kulisse für die kleine menschliche Geschichte von Booker und Elizabeth.
Rebell.at: Elizabeth war so schwierig umzusetzen, dass sie mehrmals fast aus der Geschichte geflogen wäre. Wer hat sie drinnen gehalten?
Robertson: Definitiv Ken [Anm.: Ken Levine ist Creative Direktor und Studio-Mitgründer]. Er hatte diese Vision. Die Designer und wir anderen wussten oft nicht, was wir mit ihr an gewissen Stellen in den Levels tun sollten. Es wurde dann eine Liz-Squad formiert: Programmierer, Künstler, Animatoren und Designer, die durch die Levels gingen und aus der Sicht von Elizabeth überlegt haben, was sie an jedem erdenklichen Moment tun würde. Wenn du diese Perspektive – die Sicht von jemandem, der sein Leben lang eingesperrt war und nun frei und froh darüber ist – einmal hast und das Potential davon erkennst, öffnet dir das viele Türen und Möglichkeiten.
Infinite: Kein Fall von Ritter rettet Prinzessin?
Rebell.at: Waren viele Frauen in dieser Task-Force?
Robertson: Es war eine kleine Gruppe und wir haben leider keinen 50:50-Geschlechtsanteil bei Irrational. Aber Amanda Jeffrey [Anm.: Leveldesignerin] war eine von den Leuten.
Rebell.at: Das große Thema ist oberflächlich betrachtet: Elizabeth muss von einem Mann gerettet werden. Das ist schon etwas paternalistisch …
Robertson: Wie weit bist du beim Probespielen gekommen?
Rebell.at: Ich war in der Hall of Heroes. [Anm. Das ist je nach Spielweise etwa 60 bis 90 Minuten im Spiel]
Robertson: Das ist etwa, wo unsere Demo endet. Ich würde gerne wissen, was du über sie denkst, wenn du etwas mehr Zeit mit ihr verbringst. Sie beginnt dann mit der Welt zu interagieren und dir zu helfen. Der Ton verändert sich ein wenig. Es ist nicht nur so, dass Booker ihre Hand hält und sie beschützt. Sie ist eine starke Frau und kann auf sich selbst aufpassen. Ja, er musste sie aus diesem Raum befreien, in dem sie die meiste Zeit ihres Lebens steckte. Aber ihre Hilfe wird von unschätzbarem Wert für den Spieler sein.
Rebell.at: Könnte sie auch einfach ein Mann sein?
Robertson: Das ist eine schwierige Frage. Ihre Persönlichkeit ist so stark in die Geschichte eingraviert … Ich weiß nicht, ob ich das redlich beantworten kann. Wir haben darüber einfach nie nachgedacht.
Rebell.at: Denkst du, Spielerinnen werden sich mit ihr identifizieren können?
Robertson: Ich kann offensichtlich nicht für Frauen sprechen, aber wir haben positive Reaktionen bekommen von den Frauen in unserem Büro und denen die das Spiel schon gespielt haben. Es ist nicht unsere Absicht, einfach nur eine weitere zweidimensionale, übersxualisierte Videospiel-Frau zu erschaffen. Wir wollten einen dreidimensionalen Charakter mit dem man mitfühlen kann. Und der sich wie eine richtige Person anfühlt – nicht nur die Version eines 13-jährigen, wie der sich eine echte Person vorstellt, die es aber im wirklichen Leben nie geben könnte. Vielleicht haben wir dabei auch ein paar Fehler gemacht, aber unsere Absicht war es immer, Elizabeth zu einem ergiebigeren (Original: “rich”) Charakter zu machen.
KI statt Scripte, Story-Flaschenhälse statt Open World
Rebell.at: Was ist der allgemeine Vorteil davon, dass sie KI-gesteuert und nicht heftig gescriptet ist?
Robertson: Scripting würde bedeuten, dass der Spieler sich danach richten muss. Wir würden ihm unsere Version der Erzählung aufzwingen. Das passiert natürlich an manchen Stellen im Spiel, wo man in eine Zwischensequenz kommt oder Dinge wie jeder andere Spieler mitbekommt. Elizabeths Zauber passiert meiner Meinung nach dort, wo sie sozusagen in freier Natur ist und sich komplett organisch verhält.
Rebell.at: Zum Beispiel?
Robertson: Etwa wenn sie sich in den Kämpfen an deine Verhaltensweise anpasst und dir Munition und Waffen zuwirft. Wenn sie dir hilft, neue Regionen zu erforschen und Schlösser für dich knackt. Oder wenn sie abhängig von der Umgebung fröhliche oder weniger fröhliche Konversationen anbietet, die jederzeit von Kämpfen unterbrochen werden können. Das entlarvt nach und nach ihre Persönlichkeit. Für uns ist das interessant, weil der Spieler sich nicht dauernd Sorgen machen muss, ob er zu schnell oder zu langsam für Elizabeth ist. Sie passt sich an den Spieler an.
Rebell.at: Die ersten Teile des Spiels wirkten jetzt noch etwas linear.
Robertson: In den frühen Phasen des Spiels führen wir den Spieler in Columbia ein, bevor wir ihn dann in die Welt entlassen.
Rebell.at: Wird es dann tatsächlich ein Open World-Game?
Robertson: Da sind wir sehr vorsichtig, weil die Leute sofort an Grand Theft Auto und dergleichen denken würden. Es ist in Sachen Erkundung und Erzählung recht ähnlich zu BioShock. Es gibt immer wieder Areal die man erkunden kann und dann kommt man an eine erzählende Stelle, die für alle ziemlich gleich ist. Dann geht es wieder in eine breitere Phase mit Sidequests und Erkundungen und dann geht es wieder zu einer solchen Stelle.
Irrational will Spieler nicht zu einer bestimmten Interpretation über Politik zwingen
Rebell.at: Würdest du zustimmen, dass die BioShock-Serie als Ganzes eine Stellungnahme gegen Extremismus ist?
Robertson: Das ist ein gewagtes Statement. Es geht immer um unbeabsichtigte Konsequenzen. Im ersten Teil hatten wir Andrew Ryan, der ein objektivistisches Utopia am Grunde des Ozeans schaffen wollte. Nun haben wir Columbia, eine fliegende Stadt die erschaffen wurde, um Amerikas Errungenschaften in der Welt vorzuführen und die von Comstock und seiner religösen Vergötterung der Gründerväter übernommen wurde.
Es ist interessant eine Welt mit Konflikten zu haben, wo nicht alles wie geplant gelaufen ist. Das gibt dir einen ergiebigen Hintergrund. Unsere Absicht ist eine reichhaltige, vielseitige Welt zu erschaffen, die der Spieler gerne entdecken will, nicht für oder gegen eine Ideologie Stellung zu beziehen.
Rebell.at: Ich schätze, ihr habt mittlerweile Libertäre verärgert, nun trifft es religiöse Menschen …
Robertson: Manche sagen das. Als wir mit der ersten Vorführung rausgekommen sind waren Leute böse auf uns, weil sie meinten, wir würden uns über die Tea Party lustig machen. Aber ganz ehrlich: Wir haben daran schon daran gearbeitet, bevor die Tea Party überhaupt ein Element in den Medien war. Uns geht es um die Zeit rrund um 1900 und die Politik dieser Zeit. Bei der nächsten Vorführung haben wir dann die “Vox Populi” [Anm.: eine rebellische Bewegung in Columbia] vorgestellt und dann wurde uns widerum vorgworfen, wir würden uns über linke Gruppen lustig machen.
Wenn die Leute über verschiedene Dinge sauer werden, dann ist das ein bisschen wie ein Rohrschach-Test. Die Leute bringen ihre eigenen Interpretationen mit. Das ist großartig für uns, denn es zeigt, dass wir die Leute nicht zwingen, das auf die ein oder andere Weise zu sehen, sondern die Offenheit erreichen, es sie interpretieren zu lassen.
BioShock: Infinite erscheint am 26. März für Windows-PC, Xbox 360 und Playstation 3.