Wilkommen in Myrtana, Morra.

Seit geraumer Zeit warteten Fans auf Oblivion. Als es dann im Laden stand, waren viele Spieler glücklich und verbrachten die folgenden Wochen am Bildschirm. Doch was tun, nachdem dieses seltsam sterile Spiel mit hunderten Kloncharakteren nicht mehr befriedigt? Die Antwort made in Germany kam am Freitag dem dreizehnten Oktober – Gothic 3. Wir haben es lange ersehnt und nach wochenlangen Testmarathons endlich einen Review verfassen können.

Um die wichtigste Frage gleich vorab zu beantworten: Ja, Gothic 3 ist hammergeil. Locker lässt es Oblivion und Konsorten links liegen. Kein anderes Rollenspiel schafft es, eine derart geniale Atmosphäre mit derart starken technischen Reizen zu kombinieren. Niemand sonst konnte markige Sprüche und dreckige Städte so glaubwürdig präsentieren, niemand hat es bis dato auch nur annähernd geschafft, ein derart geiles RPG zu machen, wie Piranha Bytes. Leider hat es auch niemand sonst geschafft, eine derart brutale Menge an Fehlern in einem Spiel unterzubringen wie Piranha Bytes. Und das ist auch schon die Kehrseite der Medaillie. Die Minecrawler sind leider nicht die einzigen Bugs, die in Myrtana unterwegs sind.

Klar! Der Vorgänger erschien dichter. In der Welt gab es scheinbar mehr Quests – es passierte mehr. Weil Gothic 3 wirklich riesig ist. Wollt ihr alles sehn? Dann plant mindestens mal 100 Spielstunden für die in drei Klimazonen geteilte Welt ein.

Wollnashörner und Säbelzahntiger bevölkern das nördliche Nordmar. Hier im Frost leben Clansmänner, deren Nebelgeist-Schnaps scharf wie ein Snapperfurz ist. Ganz anders sieht der Süden aus. Assasinen und Nomaden leben hier in der Wüste. Die stärksten Arenakämpfer trifft man hier, nur die besten überleben. Nach getaner Arbeit zieht sich so mancher das gute, hier wachsende Sumpfkraut rein.

Am Anfang sind wir allerdings im Zentrum – in Myrtana, dem Reich von König Rhobar. Die Menschen hier haben kein leichtes Los. Das Land wurde von Orks überrannt. Überlebende wurden entweder versklavt oder dienen den Orks als Söldner. Nur wenige konnten sich in die Wälder retten. Von dort leisten sie erbitterten Widerstand. Die Hauptstadt des Reiches, Vengard, ist aber trotz ihrer nahezu ausweglosen Situation, noch nicht gefallen. In diesem Chaos landet unser Held nun an der Küste von Myrtana an und säubert mal kurz ein Dorf an der Küste von Orks.

Gleich darauf kommt zum ersten Mal die große Freiheit von Gothic 3 zum Vorschein. Die riesige Welt bietet jede Menge Möglichkeiten, sich in ihr zu beschäftigen. Wie soll’s weitergehen? Die Städte von den Orks befreien? Lieber für sie arbeiten? Oder diese Aspekte komplett ignorieren, um einfach ziellos herumzustreifen? Vielleicht gibt es auch noch andere Gruppierungen oder Personen, für die man Aufgaben erledigen kann? Die Fülle der Möglichkeiten erschlägt den Spieler nahezu und es ist gut möglich, dass man die ersten Stunden völlig konzept- und planlos herumläuft, bevor man den äußerst dünnen Hauptquestfaden wieder findet und ihm folgt. Die Freiheit, die Gothic 3 bietet, ist bisweilen sogar zu viel des Guten.

Die Steuerung wurde vereinfacht, einige Sachen sogar zu extrem. Darunter fällt auch das Kampfsystem. Hatte man in den Vorgängern mit dem Schwert diverse Möglichkeiten zuzuschlagen und zu blocken – je nachdem, wie stark man in diese Fähigkeit investierte -, ist es nun leider anders. Obwohl auch der dritte Teil eine große Menge an Schlagkombinationen bietet und es nun sogar möglich ist, einen Schild zu verwenden, reicht es in der Regel vor allem bei wilden Tieren, einfach auf die linke Maustaste zu hämmern. Den Rest könnte man zwar auch mal probieren, allerdings würde das keinen Vorteil bringen. Meist ist es einfach so, dass der, der als erstes zuschlägt das Duell gewinnt und der andere keine Chance hat. Hätte Piranha Bytes das Kampfsystem vom Vorgänger übernommen, hätten Kämpfe wesentlich mehr Potential für spektakuläre Effekte bekommen und wären nicht so berechenbar langweilig.

Das neue Inventar begeistert durch die wesentlich bessere Aufteilung der verschiedenen Gegestände. Die Übersicht des ersten Teil wurde mit der Einfachheit des zweiten kombiniert. Nachdem der Held der Geschichte wieder unbegrenzt Zeug mit sich schleppen kann, ist ein übersichtliches Inventar natürlich mehr als hilfreich. Ich bewundere ihn immer noch dafür, dass er ohne merkliche Geschwindigkeitsverluste oder Erschöpfung einfach mal vierzig Orkäxte in seine Hosentaschen packt. Auch die Weltkarte und die Auflistung aller Fähigkeiten sind einfach und übersichtlich gestaltet. Nur der Questlog hätte etwas besser ausfallen können. Er beinhaltet nur Dialoge mit einem Questgeber und keinerlei weiteren Informationen. Teilweise fehlen auch wichtige Informationen zum Abschluss eines Quests. Aufgaben, die aufgrund der Geschehnisse nicht mehr zu lösen sind, verschwinden manchmal nicht ins Archiv der gescheiterten Aufgaben.

Optisch ist Gothic 3 ein ziemlicher Hammer. Wer dachte, Oblivion sei das bestaussehendste Spiel aller Zeiten, hat Gothic 3 noch nicht probiert. Immer wieder erstaunen die Details der Umgebung, und wie echt sie aussehen. Trauerweiden wiegen sich im Wind, Wasser sieht, aus der Nähe betrachtet, perfekt echt aus. Der Fluss, der sich durch Myrtana windet, ist klar wie ein österreichischer Gebirgsbach. Gestört wird die optische Atmosphäre manchmal durch einige Clippingfehler oder teilweise falsch gesetzte Objekte. Gemessen an der Größe des Spiels sind diese Kleinigkeiten allerdings vernachlässigbar. Wirklich störend wirkt nur, dass die Grafikengine dazu neigt, weiter entfernte Landschaften und Objekte in grauen Brei zu verwandeln. Während man spielt, bemerkt man das nur selten, ausser man ist irgendwo unterwegs, wo die Aussicht grandios wäre. Was die Engine dafür auszeichnet, ist das Fehlen sämtlicher Ladevorgänge während des Spiels – angenehmst!

Während die Soundeffekte eher als durchschnittlich durchgehen, sind sowohl Sprache und Musik makellos und dürften jeden Kritiker befriedigen. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis der Musiker der Piranhas, Kai Rosenkranz, den Auftrag bekommt, einen Film zu vertonen. Nervend kann es nur werden, wenn die selbe Kampfmusik zum vierzehnten Mal hintereinander kommt, weil eine Blutfliege den Weg des Helden kreuzt oder wenn sich gewisse Zonen überschneiden und die Musikstücke ständig wechseln.

Patches sind es, die Gothic 3 noch dringend braucht um perfekt zu werden, denn die Liste der Bugs ist erschreckend groß. Fehlerfreies Spielen ist auch nach zwei Patches noch ein Minderheitenphänomen. Und so frage ich mich: gab es eigentlich einen Betatest? Eine Menge der Bugs, die in diversen Foren angesprochen werden, sind auf jeder Menge verschiedener PCs reproduzierbar und dürften nach einem Betatest eigentlich nicht mehr vorhanden sein. Darunter der berüchtigte Where ist the Guru?-Bug, der mich bis dato nur einmal erwischte, oder die Meldung der Smart Heap Library, dass zu wenig Speicher vorhanden wäre. Interessanterweise trifft dieser Fehler vor allem Spieler mit viel Speicher, also zwei Gigabyte oder mehr.

Wer glaubt, dies wären die einzigen Fehler, liegt leider daneben, denn die Liste ist lang. Warum sie so lang ist, hat Piranha Bytes auch schon beantwortet: Termindruck. Das ist auch der Grund, wieso es sich meist nicht mehr lohnt, eine bereits besuchte Ortschaft nochmals zu besuchen, da es, nach dem Erledigen der Quests dort, einfach nichts mehr gibt, was interessant wäre. Wie oft waren wir in Gothic 2 in Khorinis unterwegs? Vermutlich hundert mal – in Myrtana reicht es aber in der Regel, jeden Ort nur einmal abzugrasen. Daran Schuld ist auch, dass das Kapitelsystem abgeschafft wurde. Die Vorgänger waren in Kapitel unterteilt, wo jedes Kapitel gewissen Personen neue Quests und Aufgaben zuteilte. So war es natürlich auch möglich, auf relativ kleinem Raum sehr viel zu erleben. Gothic 3 hat nur noch ein Kapitel, gleicht dieses ‚Problem‘ aber einfach durch seine Größe wieder aus. Was nun der bessere Weg wäre, ist sicher Ansichtssache. Ich hätte aber eine Welt, die nur halb so groß ist, und dafür mehr Quests und Geheimnisse bietet, vorgezogen. Übrigens sind auch die Frauen dem Termindruck zum Opfer gefallen, denn diese sind in Myrtana äußerst spärlich gesäät. In einer Minenkolonie ist es durchaus verständlich, dass Frauen eher selten vorkommen, in Myrtana sollten sie aber zumindest die Hälfte der Bevölkerung stellen. Die 3D-Modelle wurden einfach zu spät fertig – so die kuriose Ausrede.

Gothic 3 ist, trotz all seiner Mängel, für mich das beste RPG des Jahres und lässt Oblivion aus mehreren Gründen hinter sich. Das Szenario ist glaubwürdiger, die Vertonung ist um Klassen besser und vor allem gibt es jede Menge Dreck, der von Leuten produziert wird, die nicht alle wie Klone aussehen – auch wenn die Menge an Modellen nicht gerade berauschend ist. Was mich davon abhält, eine absolute Spitzenwertung zu vergeben, sind die Bugs, von denen es einach dermaßen viele gibt, dass sie den Spielfluss stören. Trotzdem wird dieses Spiel noch lange auf meiner Festplatte verweilen. Erstens weil ich es noch lange spielen werde und zweitens weil ich, bevor ich es lange spielen werde, noch ein paar Patches abwarte. Es scheint also vernünftig zu sein, mit dem Kauf noch etwas zu warten, denn später bekommt man Gothic 3 erstens günstiger und zweitens vermutlich auch ohne die ganzen lästigen Bugs.

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