Und einmal, im Ferienlager…

Rasputin, oder kurz: Raz, ist ein kleiner Junge mit einem großen Kopf und dazugehöriger riesiger Brille der von zu Hause weggelaufen ist um sich einen Traum zu erfüllen: Er will Psychonaut werden. Das Spiel beginnt mit einem langen Intro, in dem das "Ferienlager", ein Trainingscamp für angehende Psychonauts, von einem sehr militant wirkenden Ausbilder vorgestellt wird. Die Kämpfe werden nun nicht mehr nur in der realen Welt geführt, sondern viel mehr in den Gehirnen selbst. Raz platzt mitten in die erste Besprechung mit den anderen, ebenfalls mit PSI-Kräften ausgestatteten Kadetten. Da er ohne Erlaubnis hier ist beschließen die Ausbilder ihn wieder wegzuschicken – allerdings erst nach zwei Tagen, und diese gilt es nun zu nutzen.

Nach dem schön gemachten Intro kann man nun mit Raz frei den Schlafbereich des Camps erkunden und mit den Mitstreitern reden, die in wenigen Sätzen erstaunlich viel Charakter zeigen. Um mit der Story fortzufahren begibt man sich zum Ausbilder aus der Einführung und steigt in sein Gehirn ein, um mit dem "Basic Braining" zu beginnen. Hier fängt der abgedrehte Teil von Psychonauts an: Die Umgebung im Gehirn ähnelt einem Kriegsschauplatz der Erinnerungen des Besitzers des Gehirns entsprungen ist. Raz muss vor Maschinengewehrsalven in Deckung gehen, zahlreiche Hindernisparcours mit halsbrecherischen Sprungeinlagen überwinden und wird mit den Grundlagen der Steuerung vertraut gemacht. Anders als in vielen anderen Jump"n"Runs braucht es hierfür keineswegs ein Gamepad; der kleine Akrobat lässt sich auch mit Maus und Tastatur völlig problemlos durch die Level steuern, selbst wenn es gilt komplizierte Trapez- Manöver auszuführen. Einzig und allein die Kamera erschwert manchmal ein Kunststück, da sie sich hin und wiedersehr unübersichtlich einstellt.

Charakterstark

Wenn man den Ausflug ins Gehirn erfolgreich beendet findet man sich in der "realen" Welt wieder. Hier hat man nun die Möglichkeit auch die anderen Bereiche des Ferienlagers zu erkunden, die in jedem dieser Abschnitte versteckten Gegenstände zu finden, Geld zu sammeln und im Shop Items zu kaufen – ja aber Moment, wozu das Ganze? Spielen wir nicht ein stinknormales Plattformspiel? Nein, denn Psychonauts setzt auch auf Charakterentwicklung.
Bis zu Rang 100 kann Raz aufsteigen indem er entweder schwer erreichbare "Karten" in der normalen Welt sammelt oder schemenhafte Erinnerungen in den Gedanken diverserer Charaktere einstreicht. Alle paar Level erlernt der Protagonist eine neue Fertigkeit oder verbessert eine bereits erworbene; so kann Raz mit der Zeit seine Psi- Kraft in Form eines Schusses bündeln, lernt zu schweben, Dinge aus dem Blickwinkel anderer Personen zu sehen und vieles mehr.

Dia de los Muertes

Ein weiteres ungewöhnliches Merkmal des Spiels stellt die Grafik dar. Computerspielveteranen erkennen sofort den Stil von Tim Schafer, der auch für Titel wie das hervorragende Grim Fandango verantworlich ist. Obwohl manche Objekte etwas klobig geraten sind entsteht ein wunderschönes und einzigartiges Gesamtbild, welches bezaubernd und humorvoll wie der Rest des Spiels ist. Ja, richtig gelesen: Humor. Obwohl kaum ein neuer Titel ihn noch aufweisen kann, sprüht Psychonauts geradezu davor, was sich vor allem in den Dialogen und dem abgedrehten Leveldesign bemerkbar macht.

Auf den Spuren von Pablo Picasso

Überhaupt macht einen Großteil des fantastischen Spielerlebnisses das Leveldesign aus. Die Designer haben die unbegrenzten Möglichkeiten, die sich ihnen mit den Ausflügen in die Gehirne auftaten, vorzüglich genutzt; kein Level spielt sich wie der andere. So steigt man einmal in das Gehirn eines riesigen Fisches, den man zuvor in der realen Welt besiegt hat ein und findet sich in einer Mini-Stadt wieder, in der man wie Godzilla umhergeht und Wolkenkratzer sowie den Rest der Umgebung nach Herzenslust platt machen kann. In dem Gehirn des Ururgroßenkels von dem leibhaftigen Napoleon Bonaparte hilft man mit den berühmten Vorfahren in einem Siedler von Catan ähnlichem Brettspiel zu besiegen; in einer Reise durch die Erinnerungen eines schizophrenen Wachmanns soll man einen Kriminalfall lösen und den verschwundenen Milchmann wieder finden, wobei man ständig von schreiend komisch getarnten Agenten beobachtet wird und sich in einer extrem surreal gestalteten Stadt befindet, durch der sich die Straßen spiralförmig ziehen.

Passend zu jedem Spielabschnitt ertönt die Musik aus den Lautsprechern; von verspielter Zirkusmusik bis hin zu feurigen Flamencoklängen ist alles dabei. Das einzige, dass den musikalischen Gesamteindruck trübt ist die Tatsache dass sich manche Stücke öfter wiederholen und an Stellen, die öfter gespielt werden müssen, wenig Abwechslung herrscht.

Der Schwierigkeitsgrad bleibt durch ganze Spiel hindurch stets fair. Obwohl es sich um eine Konsolenumsetzung handelt lässt sich das Spiel an jeder Stelle speichern, die Rätsel sind manchmal knifflig aber nie unlösbar, auch die Sprungeinlagen und Boss-Kämpfe lassen sich mit etwas Übung problemlos meistern. Nur für den letzten Level sollte man etwas mehr Zeit einplanen, da der Showdown etwas anspruchsvoller geraten ist.

Kaufen!!! Wer hier nicht zuschlägt verpasst eines der kreativsten Spiele der letzten Jahre. Selten konnte mich etwas so vor den Bildschirm fesseln wie Psychonauts, und das obwohl ich sonst kein besonders großer Fan von Plattformspielen bin. Die Kombination der abgedrehten Story mit den surrealen Schauplätzen, den liebenswerten Charakteren und der Federführung von Tim Schafer machen Psychonauts zu einem genialen Spiel.

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