Pineview Drive: Meine flotte Flucht aus dem Horror-Haus

„20 Jahre später. Das Spiel wird an jedem Tag automatisch gespeichert.“ Unfreiwillig komisch heißt mich Pineview Drive nach einem eher belanglosen Introvideo (ein Mädchen im Nachthemd wird im Blair Witch Project-Stil beim Laufen durch den Wald gefilmt) willkommen. Story-relevante Hinweise und technische Informationen sollte man nicht unbedingt unmittelbar hintereinander in exakt der gleichen Schrift wiedergeben.

Es hätte so schön sein können

Doch bevor ich nun erzähle, wieso ich nach 22 Minuten (Messung: Steam) auf Nimmerwiedersehen aus dem Horrorhaus von Pineview Drive getürmt bin, eine kleine Vorgeschichte. Ich habe mich auf dieses Spiel gefreut. Einerseits, weil ich Horrorspiele mag. Andererseits, weil dieses Game gemäß Werbeversprechen anhand meiner Aktionen und Mausbewegungen dazu in der Lage sein soll, meine Angst zu messen und in weiterer Folge zu steigern – obwohl es keine Gegner gibt. Das klingt für mich nach einem plausiblen, vielversprechenden Konzept.

Sicherheitshalber wird bei jedem eine Aufruf eine nicht überspringbare (gilt auch für Publisher- und Herstellerlogo) ein Hinweis eingeblendet, der Schwangeren und Menschen mit Herz-/Kreislauferkrankungen vom Konsum dieses Machwerks abrät. Leider dürfte es allen anderem in Pineview Drive nicht besser ergehen.

Huch?!

Das Spiel stellt mich neben mein Auto vor der Pforte zum Grundstück. Diese ist mit einer Kette und einem dicken Schloss versperrt, der Schlüssel liegt aber praktischerweise davor am Boden. Auch die Haustür ist zu und verlangt nach einem passenden Schlüssel. Ich irre am Grundstück zwischen wuchernden Pflanzen und Statuen nackter Frauen ergebnislos umher. Irgendwann unterbricht das Geräusch eines fliegenden Gegenstandes kurz das Natur-Idyll und mein Alter Ego beginnt zu schnaufen, als drohe ihm ein Herzinfarkt.

Schließlich werfe ich doch einen Blick ins von der Presseabteilung mitgelieferte Walkthrough für die ersten beiden Tage im Spiel und stelle fest, dass der Schlüssel am Fensterbrett neben der Tür positioniert ist. Offenbar für mich eine zu einfache Lösung. Drinnen in der Bude, in der gemäß Legende schon länger niemand lebend 30 Tage durchgestanden hat, lautet meine Mission, einen „Clou“ zu finden, um mehr über das vorhin erwähnte Mädchen im Pyjama herauszufinden.

Schlüsseljagd

Ich verbringe also weiter Zeit damit, in bereits offenen Räumen Schlüssel aufzutun und für noch verschlossene Zimmer zu verwenden. Hin und wieder, wenn Pineview Drive meint, bei mir Angst zu erkennen, erschallt ein plötzliches Geräusch, gefolgt von erneutem Schnaufen der Hauptperson

Irgendwann, weil einfach keine weiteren Türen aufgehen wollen, mein Charakter aber jetzt noch nicht schlafen kann (außerhalb ist es binnen weniger Minuten ausgesprochen dunkel geworden), muss ich noch einmal zur Lösung greifen. Der Brief, mit dem der erste Tag beendet wird, taucht erst auf, wenn man in Besitz der Taschenlampe ist und die Uhr später als zwei Uhr schlägt. Tag 2, so das Walkthrough, verspricht weitere uninspirierte Schlüssel-Puzzles. Ich beende das Spiel.

Fail

Leider hat in so kurzer Zeit noch kein mir bekanntes Horror-Game derartig viel falsch gemacht, wie Pineview Drive. Da wäre neben den einfallslosen Rätseln zum „Kennenlernen“ etwa die fast fehlende Handlung. Selbst das zu Beginn des Spieles diesbezüglich eher verschwiegene Amnesia bietet deutlich mehr und hält schnell Dokumente bereit, mit welchen langsam Licht ins Dunkel gebracht werden kann.

Technische Gebrechen erhöhen den Spielspaß nicht gerade. Mein Charakter geht im Zeitlupentempo, weswegen man sich praktisch immer laufend fortbewegen muss. Außerdem kann er – und das ist für mich persönlich bei jedem betroffenen Spiel ein riesiger Abtörner – nicht springen.

Altbacken und unglaubwürdig

Hinzu kommt die Spielgrafik, die ungefähr am Stand von 2005 ist. Im Haus herumhängende Spiegel bieten eine unfassbar verwischte und hässliche Reflektion der Umgebung, jedoch nicht des offenkundig unsichtbaren Spielers. Auch Schattenwürfe sind meist von auffallender Hässlichkeit. Generell sind viele 3D-Modelle eher grobschlächtig gehalten und warten mit wenig detailierten Texturen auf, selbst wenn man die Limitationen der Unity Engine berücksichtigt. Zumindest die Sounduntermalung erscheint passabel.

Ich bin durchaus bereit, einem Spiel altbackene Visuals nachzusehen, wenn es mit anderen Qualitäten und vor allem mit einer glaubwürdigen Welt punkten kann. Aber auch hier haben die Entwickler leider ordentlich ins Klo gegriffen. Für die bereits erwähnte Taschenlampe werden Batterien benötigt- Diese liegen an den absurdesten Plätzen verstreut, etwa auf einem Felsen im Garten in der prallen Sonne. Ehe man die Lampe nicht hat, können die Batterien auch nicht eingesammelt werden. Allein für diese Abstrusität verdienen die Verantwortlichen ein Rendezvous mit einem nassen Fetzen.

 Fazit

Am Ende bleibt ein Spiel, das nach 22 Minuten nicht nur meine Hoffnungen bezüglich des Angsterkennungssystems zunichte, sondern auch auf allen anderen Ebenen maßlos enttäuscht. Es kann natürlich sein, dass der eigentliche Spaß erst nach einer halben Stunde beginnt und ich somit ein episches Survival-Abenteuer verpasst habe (andere Rezensionen legen das nicht unbedingt nahe) – doch dafür war mir zum Start erlebte schlichtweg zu abschreckend, im spielerischen Sinne.

Aber gut, Meinungen können sich natürlich unterscheiden. Einen etwas anderen Eindruck hat der Youtuber Lextube gewonnen, der eine rund 13-minütige Tour durch Pineview Drive aufgezeichnet hat. Wer einen Ausflug ins Horrorhaus wagen möchte: Das Spiel gibt es über Steam zu kaufen.

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