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GamersGlobal wird niemandem nützen

Ein Ausschnitt der GamersGlobal-Startseite
Ein Ausschnitt der GamersGlobal-Startseite
Der ehemalige Gamestar-Chef Jörg Langer hat ein neues Projekt mit dem kohlensäurearmen Namen „GamersGlobal„. Das Prinzip: Er verspricht Spielern die Möglichkeit, dass ihre Texte von erfahrenen Redakteuren verbessert werden. Nehmen wir kurz an, das würde einen Schreiberling wirklich besser machen: Eine Aussicht auf irgendwas entsteht dadurch nicht. Für das Veröffentlichen von Texten bekommt man Erfahrungspunkte und damit die Befugnisse höherrangige Texte zu schreiben. Zuerst erlangt man über das Posten von Kommentaren die Erlaubnis, das Forum zu nutzen. Dann darf man irgendwann an Gewinnspielen teilnehmen. Spannend! Später, wenn man mal wirklich viel Zeit und Arbeit investiert hat und endlich all das erlaubt darf, was überall sonst selbstverständlich ist, darf man auch Artikel schreiben.

Aber es ist bereits die Annahme falsch, dass man durch die Kritik bei GamersGlobal merkbar besser wird. Nicht, dass Feedback nicht wichtig wäre. Wenn ihr schreiben lernen wollt, dann braucht ihr es. Aber Feedback muss ehrlich, detailliert und gnadenlos gegeben werden – manchmal auch beharrlich. Und das kann Jörg Langers neuestes Projekt nicht bieten. Detailliert wird die Kritik nicht sein, weil es nicht so einfach ist, mehr als einer handvoll Schreiberlingen wirklich weiter zu helfen. Also lagern Langer & Co. diese Aufgaben an „höherrangige User“ aus. An Leute, die zwei-drei Tipps bekommen haben, ansonsten aber genauso gut oder (tendentiell eher) schlecht schreiben, wie jeder andere durchschnittliche Gamer. Von der erfahrenen Redaktion bleibt da schon bald nichts mehr übrig. Beharrlich werden dann die wenigsten sein, weil ihnen die untergeordneten, anonymen User entweder egal sind, oder sogar eine Bedrohung für ihren eigenen „elitären“ Status darstellen. Ehrlich könnte die Kritik an der Textproduktion anderer natürlich sein, aber das damit zusammenhängende Attribut „gnadenlos“ wird selbst dann zum Problem, wenn es stattfindet.

Denn eine gute Kritik kann zermürbend sein – und gutes Schreiben ist sehr schwierig. Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, wie weh es tut, wenn etwas aus einem Text gestrichen werden muss, was man selbst für wahnsinnig raffiniert hält. Dieses gnadenlose, schmerzhafte Streichen ist überhaupt das erste und vielleicht schwierigste, das man lernen muss. So etwas lässt man nur von Menschen machen, die man für glaubwürdig hält. Und auch das nur dann, wenn man außergewöhnlich motiviert ist. Sich kritisieren zu lassen und trotzdem an etwas weiter zu arbeiten, braucht eine besondere Motivation: Man möchte bei etwas unbedingt besser werden, bekommt Geld für eine Leistung, oder hat einfach keine andere Wahl (z.B. in der Schule). Keines dieser Kriterien kann GamersGlobal wirklich erfüllen.

In der Realität kommt etwas heraus, wie es Konrad hier schön beschreibt. Ein User postet die wahnsinnig aufregende Information, dass das neue Delta Force auf DVD erscheint – erstmals bitte! Das ist so überflüssig, dass selbst meine seit 20 Jahren tote Urgroßmutter nicht überrascht wäre. In einer Redaktion bekäme man dafür Haue vom Chef, würde vielleicht ein bisschen diskutieren und schlussendlich verstehen, was daran falsch ist.

Aber was tut Jörg langer (gezwungenermaßen, denn er will den User ja nicht verlieren)? Er lobt die Meldung. Meint: „schöne Sammel-News samt kritischer, aber fundiert erscheinender Einschätzung„. Mit solchem Feedback wird man nicht besser sondern schlechter, weil man sich in seinen Fehlern auch noch bestärkt fühlt.

Kurz: Um etwas tun zu dürfen, was überall anders selbstverständlich ist, müssen die User auf GamersGlobal sehr viel Arbeit investieren und bekommen dafür nichts (während die Betreiber natürlich kassieren (wollen)). Und die Leser bekommen auf der Seite dasselbe wie überall anders, nur von noch schlechteren Autoren verfasst.

Wenn ihr schreiben lernen wollt, fangt lieber damit an, dieses Buch zu lesen. Auf eine sehr humorvolle Weise erklärt darin ein (wirklich) toller Journalist, wie gutes Deutsch funktioniert. (Dieses ist etwas anders aber auch empfehlenswert.) Und wenn ihr dann besser texten könnt, bewerbt euch bei einem der vielen Magazine/Blogs die es schon gibt – oder startet mit Freunden euer eigenes.

Beim Überblicken von GamersGlobal (und wenn man einigen informierten Menschen zuhört) gewinnt man den Eindruck, die Macher würden das Prinzip Web 2.0 verachten, aber es halt nutzen, weil es einfach an so vielen Stellen funktioniert. Das erscheint auch logisch, weil sie es dem Anschein nach auch nicht wirklich verstehen. Hier wurde einfach der etwas müffelnde Rest davon was Gamestar anno 2000 war in den Mixer geworfen, ein Schuss von dem was man für Wikipedia hält dazugegeben und natürlich nicht auf die kindische Prise eines Forenbeitrags-Zählers vergessen. Leider hat man nicht darüber nachgedacht, warum User und Leser diese Seite brauchen könnten. Dem daraus entstandene Shake fehlt dementsprechend die sexy Cremigkreit, ja vielleicht sogar die Milch.

Mein Tipp: GamersGlobal dürfte die nächsten 12 Monate nicht überstehen.