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WASD – Texte über Games

WASD - Texte über Games
WASD ist ein Bookzine. Auf über 200 Seiten wird über Games nachgedacht. Ausgabe 2 behandelt „Games und Politik“.

Seit etwa einem halben Jahr gibt es ein neues Medium für Lesestoff über Computerspiele. Das „WASD„. Das WASD ist kein neues 08/15-Magazin. Sie enthält keine 50 „News“, die im Internet schon seit Wochen zu finden sind. Sie enthält keine 20 Reviews von denen 15 eigentlich nur die Featurelisten zu schlechten, neuen Spiele runterbeten. Und sie enthält keine 15 Previews, die Dinge für weit entfernte Spiele versprechen, die viel besser klingen als sie dann jemals werden. Zum Glück. So ein Magazin zum letzten Mal (und auch nur zu rein experimentellen Zwecken) vor über 5 Jahren gekauft habe.

WASD ist laut passender Eigendefinition „ein Essaymagazin“, in dem über Spiele nachgedacht wird. Ein „Bookzine“ eigentlich, weil es zwar regelmäßig (alle sechs Monate) erscheint, aber in seiner Erscheinung eher einem Taschenbuch gleicht. Dick, schön und ruhig gelayotet. „Ökonomisch gesehen ist das völliger Wahnsinn“, sagt der Magazingründer Christian Schiffer. Aber er mag es eben so haben.

Die zweite Ausgabe erschien knapp vor Weihnachten und ist die erste, die ich in die Finger gekriegt habe. Und ich möchte sie euch ausdrücklich empfehlen. Der Preis liegt bei14,50 Euro (Philantropen kann auch eine Förderausgabe um etwas mehr kaufen). Das erscheint vielleicht auf den ersten Blick viel, aber während ich meine letzte Gamestar in knapp einer Stunde ausgelesen hatte, liest man an der WASD auch ein nettes Zeiterl. Die enthält nämlich über 200 Seiten – ohne Werbung.

Themenheft

Der Großteil des Heftes widmet sich der Besprechung eines großen Themas aus unterschiedlichsten Blickwinkeln. „Select System. Games und Politik“ ist in Ausgabe 2 das Motto. Es geht zum Beispiel darum, wie Frauen oder ganze Kontinente in Spielen dargestellt werden. Es wird angedeutet, was die politische Komponente an einer Modification eines Spiels ist und gezeigt wieso sich das Militär für Spielehersteller interessiert (und wieso Spielehersteller für das Militär). Man bespricht welche Werte Spiele transportieren und wie es um die Struktur der Branche bestellt ist.

Das klingt in dieser aus Schlagworte reduzierten Aufzählung jetzt vielleicht trockener, als es in Wahrheit ist. Die Texte sind ordentlich lektoriert. Sie sind gerade lange genug, um in die Tiefe gehen zu können. Aber auch gerade kurz genug, um trotzdem knackig zu bleiben. Man hat sie zwischen fünf U-Bahnstationen ausgelesen. Oft habe ich das WASD dann aber zur Seite gelegt und noch ein bisschen darüber nachgedacht – auch erste vage Ideen für eigene Texte entwickelt, die hier vielleicht irgendwann einmal erscheinen. So beschäftigt das „Bookzine“ je nach Leserhythmus durchaus einige Tage oder Wochen.

In den Essays fallen ungewohnte Worte wie „Male Gaze“ oder Namen wie „Machiavelli„. Es wird ein Interview mit Bowser in seiner Funktion als Herrscher eines Reiches geführt und hinterfragt, warum das weit verbreitete Hobby des Spielens oft immer noch einen beschissenen Ruf hat oder warum auf spezielle Käuferschichten viel zu sehr gehört wird.

Schon in der Einleitung wird klargestellt: Über manche Texte wird man sich ärgern. Feuilleton eben. Es geht um SpielerInnen und Spiele, um Publisher und Entwickler – um die Branche und Szene in viele Facetten. Gerade weil man dabei das Medium „Spiel“ nicht immer ganz so humorlos ernst nimmt, setzt man sich insgesamt doch ernster damit auseinander, als die Magazine, die für 14-jährige Hardliner geschrieben werden.

Seelensuche statt Prozent-Bullshitbingo

Ausgabe 1 ist noch zu kriegen. Sie behandelt die Faszination "Schlechte Spiele"
Ausgabe 1 ist noch zu kriegen. Sie behandelt die Faszination „Schlechte Spiele“

In einer zweiten, kürzeren Sektion geht es dann um konkrete Spiele. Wohlgemerkt in „Rezensionen“, nicht in „Tests“. Es steht keine Spielspaßwertung am Ende, gibt keine „Factbox“, die den Skilltree eines Rollenspiels erklärt. Vielmehr geht es kurz gesagt um das, um was auch wir hier uns seit fast 10 Jahren hier immer wieder bemühen: um das Wesen der Spiele und ihre Wirkmächtigkeit, nur untergeordnet um ihre Production Values.

Es sind auch eher nicht große Blockbuster, sondern die unbekannteren und interessanten Perlen, die sich ins Heft verirren. Botanicula, Polymorphus Perversity und Sleeping Dogs zum Beispiel. Spiele, die den Autoren aus bestimmten Gründen interessant erscheinen, nicht nur aufgrund ihrer potentiellen Verkaufszahlen oder gar des Entwicklungs- und Marketingbudgets.

Spannend am WASD ist teilweise auch, wer ihr etwas beisteuert. Gunnar Lott und Christian Schmidt zum Beispiel, die man im Gegensatz zu dieser Art von Text aus der Gamestar kennt. Das zeigt irgendwie auch nur, wie sehr klassische Magazine die Blickwinkel und Fähigkeiten ihrer Mannschaften einengen. Andere Texte kommen von spieleaffinen Leute, die aber eine branchenfremden Sichtweise einbringen. Und wieder andere Autoren kennt man in der Gaming-Blogszene: Spieler Zwei, Rainer Sigl oder auch Robert Glashüttner. Frauen sind insgesamt in der Unterzahl, aber es gibt sie: Charlott Schönswetter und Helga Hansen sind zum Beispiel dabei. Insgesamt: Ein interessantes Team.

Alles in allem ist die WASD ein Magazin für Menschen, die sich mit Spielen beschäftigen wollen. Besonders für solche, die sich bei anderen Magazinen oft für einfacher gestrickt verkauft fühlen, als sie eigentlich sind. Man wird vielleicht Schwierigkeiten haben, das gute Stück in einem Zeitschriftenhandel zu finden. Weniger Probleme macht es, es einfach über die Webseite zu bestellen. Auch die erste Ausgabe bekommt man da noch. Die behandelt das Thema „Schlechte Spiele – und warum wir sie lieben“. Ich finde, ihr solltet dem Projekt eine Chance geben. Wer nach dieser Lobeshymne noch immer nicht ganz überzeugt ist, kann auch die ausführliche Leseprobe durchblättern.

Ich hoffe, der „ökonomische Wahnsinn“ geht weiter.