Noch bis zu seiner Pensionierung in 180 Tagen ist Jack Boyd Polizeichef in der fiktiven US-Stadt Freeburg. This Is the Police macht ihm das keineswegs einfach. Die Politik will ihn los werden, die Mafia will ihn korrumpieren und die Bevölkerung will Boyd weiterhin als Helden sehen. Kann der 15 Euro kostende Mix aus Taktikspiel und Adventure des weißrussischen Entwicklers Weappy überzeugen?
Freeburg ist ein grauenvolles Städtchen voller reaktionärer Kotzbrocken. Rassisten und Antifeministen geben uns Aufträge, Bürgerrechtsbewegungen werden als Feinde der Polizei positioniert, die Politik ist korrupt und die Mafia schlittert in einen Bandenkrieg. In Person von Boyd (vertont mit der Duke Nukem-Stimme; es gibt nur eine englische Version) müssen wir einige Aufgaben jonglieren, um unsere Ziele zu erreichen:
1. das Karriereende lebend zu erreichen
2. dabei in einem halben Jahr 500.000 Dollar zu verdienen (WTF?!)
3. die Stadt (un)sicher zu halten und dabei zwischen Korruption und Ehrlichkeit zu schwanken.
Gelegentlich will This Is the Police, dass wir für die etwas unlogisch aufgesetzte Story Entscheidungen treffen. Schon in der ersten Szene soll Boyd auf einer Pressekonferenz Antworten über sein Verhältnis zum Bürgermeister geben muss. Gehen wir gleich auf Konfrontation oder wahren wir den Schein des Hausfriedens?
Das klingt interaktiver, als es ist. Bis ich aufgehört habe, das Spiel zu spielen (mehr dazu noch gleich), wird der spannungsarme, private Teil der Geschichte über Jacks Leben komplett ohne Interaktionsmöglichkeiten erzählt. Und auch sonst tut Boyd einfach ungefragt Dinge, die ich nicht getan hätte.
Andere Entscheidungen sind in ihren Konsequenzen eher unbefriedigend ausgeführt. Zwar verändert sich zum Beispiel später im Spiel etwas, aber den direkten Bezug zu meiner Handlung kann ich nicht immer herstellen, denn die nachfolgenden Story-Zwischensequenzen verändertn sich dadurch nicht. Egal ob wir etwa dem Bürgermeister in der Eingangssequenz die Eier streicheln oder ihm öffentlich unseren Hass ausrichten, er begegnet uns anschließend komplett gleich.
Einerseits will This Is the Police hier Telltale-Adventure sein, andererseits aber unbedingt eine strikt vorgegebene Geschichte erzählen.
Es hilft auch nicht, dass die Comic-Sequenzen ziemlich langatmig ablaufen. Lange Monologe und nicht immer notwendige oder erkenntnisreiche Dialoge werden werden über nicht-animierten Bildern gehalten.
Andere Sequenzen sind offenbar ohnehin ausschließlich im Spiel, um uns zu frustrieren. So beginnt jeder Tag damit, dass wir drei Zeitungen auf unseren Frühstückstisch geknallt bekommen, mit denen wir viele Spielstunden lange nichts anderes anstellen können, als die Titelzeilen zu lesen. Danach steigt Boyd in sein Auto, das immer erst beim dritten Dreh im Zündschloss startet und schließlich will das Spiel, dass wir in einer für diese Frequenz viel zu umständlichen Animation für den aktuellen Tag einen Soundtrack auf den Plattenspieler legen. Neue Platten kann sich Boyd im Spiel zu absurden Preisen kaufen.
Wer dachte, dass das Spaß macht und was das in einem Adventure-Taktikspiel und einer Geschichte zwischen Mafiaverstrickungen, Korruption und politischen Konflikten zu suchen hat, weiß niemand. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Entwickler in ihrer Arbeit wohl öfter mal den Faden verloren haben.
Das Management des Polizeireviers von Freeburg erfordert mehr Interaktion und fühlt sich deshalb wie der Hauptteil des Spiels an. Zwei Schichten von fast immer zu wenig verfügbaren Streifenpolizisten und Ermittlern müssen auf einer spartanisch-freudlos präsentierten Übersichtskarte möglichst ressourcenschonend zu Einsätzen geschickt werden. Meist durch die Einsatzbeschreibung recht gut erahnbare Fehlalarme und andere Ärgernisse erschweren das Geschäft. So wird Freeburg zum Beispiel im Laufe der Geschichte plötzlich ohne klaren Grund gefährlicher, weshalb sich Polizisten nicht mehr allein zu öffentlichen Ruhestörungen trauen, was ihre knappe Zahl nur weiter erschwert.
Das Problem ist auch hier die Langatmigkeit. Die Polizisten brauchen auf der eher trostlosen Übersichtskarte eine gewisse Zeit zum Einsatzort und zurück, dazwischen passiert oft sehr wenig. Das einzige Spannungsmoment entsteht dann, wenn man sich davor fürchtet, neue Aufträge reinzubekommen, obwohl gerade die ganze Truppe ausgerückt ist. Oder es passiert viel zu viel, wenn man mit seinen vier Streifenpolizisten plötzlich zeitgleich drei Massenausschreitungen unter Kontrolle bekommen soll.
Das Spiel ist hier unfair: Mit den gegebenen Ressourcen ist es nicht zu lösen. Und plötzlich wird mir dann wegen einer internen Ermittlung noch die halbe Truppe für ein paar Tage freigestellt oder bei einem ganz normalen Einsatz eine komplette Schicht ausgelöscht. Oder die Stadt streicht mir Stellen im Budget, weil ich hochidiotische Forderungen nicht erfüllen kann oder einen Bürgerrechtsprotest nicht illegal niederknüppeln möchte. Als Polizeichef kann ich nichts dagegen tun (etwa eine Pressekonferenz einberufen oder gegen den Bürgermeister andersartig vorgehen).
Derartige Frustmomente mögen im Sinne der Erzählung über eine korrupte Stadt und die Hilflosigkeit einzelner Akteure darin sein, es erzeugt aber einfach keine Lust, weiterzuspielen. Auch hier hat Weappy einen recht alten Konflikt nicht befriedigend lösen können: Will man jemandem ein unerfreuliches Element von Geschichten vermitteln, muss die Geschichte trotzdem noch dazu motivieren, sie weiter zu verfolgen. Egal welches Medium ein Erzähler bedient: Niemand kommt damit durch, seine Zuhörer ständig mit Wiederholung, Langeweile und Eintönigkeit zu frustrieren.
Der Einsatz von Ermittlern ist etwas abwechslungsreicher: Hier müssen wir die Beweise und Zeugenstatements durchlesen und dann aus einigen in Bildern ausgedrückten Hinweisen den richtigen Tathergang zusammenpuzzlen. Auch hier fehlt aber der Punch, der die Aufgabe zu mehr als Routine machen müsste, weil auch dieses Element wohl zwar unbedingt im Spiel sein sollte, aber nicht die Mittel da waren, um es interessant zu Ende zu denken.
Fazit
Weappy hat sich mit This Is the Police schlicht übernommen. In der Kickstarter-Kamapgne wurde einst Umfang versprochen, der vielleicht nur in einem AAA-Produkt befriedigend umgesetzt werden hätte können. Dafür hat man eine lächerlich bescheidene Summe verlangt. Das ging beim Zusammenkürzen auf das realistische Endprodukt dann nicht gut. Alles sollte irgendwie rein, aber praktisch kein Element funtkioniert so gut, wie es das müsste.
Das fertige This Is the Police ist schlussendlich kein modernes Police Quest oder Crime Fighter, sonder simuliert einen Frust-Arbeitsplatz in pessimistischer Umgebung und genau so viel Spaß macht es auch. Das Spiel ist eine indirekte Lobrede auf Telltale, die ständig zeigen, wie viel Spaß es machen kann, Entscheidungen zu treffen, die unangenehm sind. In This Is the Police möchte man hingegen am Liebsten nicht gefraght werden.
Die Idee der Entwickler lässt sich erahnen und die Ansätze für einen interessanten Mix wären da. Aber sie werden nicht gut ausgeführt , Gewichtung und die zugrundeliegende Spielmechanik funktionieren nicht. Der Taktikteil ist zu seicht und unfair. Der Adventureteil ist zu langatmig, die auch nicht immErzählung kann sich nicht zwischen Linearität und Interaktivität entscheiden.
Die ganzen 180 Tage habe ich schließlich bei weitem nicht gesehen, denn nach etwas mehr als einem Drittel und frustrierenden sechs Stunden Spielzeit habe ich aufgegeben. Möglich, dass This Is the Police dann noch zulegt, aber was auch immer danach noch kommt: Das ist es in Wahrheit nicht wert.