Ein Gespräch über 2006

Weil das Gespräch über 2005 so gut angekommen ist und Rebellen bekanntlich Aufmerksamkeitshuren sind, haben wir uns auch dieses Jahr wieder zu einer Tasse Kakao (mit Rum statt Milch und Bier statt Keksen) zusammengesetzt, um über die letzten 12 Monate zu plaudern. Honk lud ein, Chefredakteur Tom Schaffer und Aufmüpfigkeitsfanatiker Konrad Kelch folgten seinem Ruf. (Wenn jemand nicht weiß, worum sich ein Thema dreht, auf der letzten Seite findet ihr einige Links zum Weiterlesen.)

Honk: Kommen wir gleich zu den Themen, die die Welt wirklich interessieren. Introversion fiel heuer bei der IGF Preisverleihung mit dem Spruch auf: "We didn’t take money from publishers because we didn’t want publishers to fuck with our game.". Was ist damit?

Tom: Ich habe gelacht und wahr echt saumäßig dankbar, dass endlich einmal etwas Interessantes in dieser Branche gesagt wurde. Das passiert ja leider nur alle heiligen Zeiten, und die Typen von Introversion haben auch sicher die richtige Position um diese Kritik zu üben.

Honk: Ist sie denn gerechtfertigt?

Tom: Meiner Meinung nach ja. Natürlich kann man nicht allen Publishern pauschal eine fragwürdige Geschäftspolitik vorwerfen, aber bei manchen – insbesondere einigen größeren – ist das der berühmte Nagel-auf-den-Kopf-Treffer.

Konrad: Gewichtige Worte sind in dieser Branche an Seltenheit sicherlich kaum zu überbieten, kommen leider nur meistens immer aus den falschen Reihen. Die Jungs von Introversion mögen in der Tat ein paar außerordentlich interessante Spiele entwickelt haben und das mit einem minimalen Budget, dennoch gibt ihnen das noch lange nicht das Recht, sich dermaßen im Ton zu vergreifen. Sicherlich, Publisher üben Druck aus, haben Angst, dass ihre Kosten nicht gedeckt werden. Aber warum? Nicht nur, weil dann der Aktienkurs bei manchen in den Keller geht, sondern eben auch weil daran Arbeitsplätze hängen. Bei manch kleinerem Publisher manchmal bei Großprojekten auch die Existenz. Ich glaube ganz stark, dass z.B. JoWood nicht mit solchen harschen Mittel bei Gothic 3 agiert hat, weils sie Lust dazu hatten, sondern einfach weile ihre Existenz an diesem Titel hang. Im Endeffekt hat Introversion eine leicht zu vertretenden Position zu verteidigen. Sie sind halt immer noch ein kleiner Garagenentwickler, der nicht unbedingt Profit machen muss. Wenns Spiel floppt, dann geht man halt seinem Hauptberuf eine Weile nach und überlegt sich dann was anderes. Die Jungs von JoWood und Co. können das erst einmal nicht so locker nehmen.

Tom: Ähm, Introversion macht das hauptberuflich, du Nixblicker. Das sind Indies, keine Amateure. Und gerade JoWooD und Gothic 3 sind für mich ein unverzeihliches Beispiel dafür, wie es nicht sein darf. Geschäftliche Interessen muss man akzeptieren, aber der Kunde darf nicht der Leidtragende sein. Und eigentlich ging es bei dem Zitat glaube ich um etwas anderes: Geistiges Eigentum, Arbeitsbedingungen und Gewinnbeteiligungen etwa. Da gibt es in der Branche zum Himmel schreiende Ungerechtigkeiten.

Konrad: Nunja, derlei Ungerechtigkeiten wie du sie beschreibst gibt es jedoch auch in anderen Branchen. Klar, rechtfertigt dies keinerlei ausbeuterischen Verhältnisse, dennoch machen es sich die Herren von Introversion meiner Meinung nach mit ihrer Pauschalaussage zu einfach. Aber von solchen Pauschalaussagen hatten wir dieses Jahr ja ohnehin genung, nicht wahr?

Tom: Wo, wenn nicht in einer 30 Sekunden Rede, sind Verallgemeinerungen angebracht? Da ging es doch darum, Aufmerksamkeit auf ein Problem zu richten – nicht um eine differenzierte Abhandlung. Das sollte jeder verstehen. In einem Punkt liegst du richtig: Dass andere Branchen nicht besser sind, rechtfertigt gar nichts.

Honk: Ich würde sagen, wir lassen das Thema so stehen. Wie steht ihr zu den aktuellen Plattformen?

Konrad: Nintendos Wii ist sicherlich interessant, bietet mir aber noch nicht genügend Futter um auch über einen längeren Zeitraum am Markt bestehen zu können. Bis auf einige Hochkaräter von Nintendo selbst scheint bis jetzt für die Konsole relativ wenig an brauchbarem Material von anderen Herstellern zu kommen. Wenn Nintendo nicht aufpasst, dann ereilt dem Wii dasselbe Schicksal wie dem NDS: Top-Titel kommen meist nur von Nintendo selbst, während Third-Parties so ihre Probleme mit dem einzigartigen Konzept der Konsole zu haben scheinen. Klar, auch hier gibt es das ein oder andere hochwertige Spielefutter, große Marken haben es aber schwer auf dem NDS Fuß zu fassen. Trotzdem muss man Nintendos Mut, neue Spieledimensionen erschließen zu wollen durchaus bewundern. Nicht umsonst hat Sony peinlicherweise mal wieder was von Nintendo abgekupfert ums dann in ihrer neue "Wunderkonsole" mehr schlecht als recht zu integrieren.

Tom: Poah du redest einen Mist zusammen. (lacht) Zum Einen muss ich sagen, dass der NDS meine Plattform des Jahres ist. Was du da von Nintendo-only Hits redest, will mir nicht so in den Kopf? Phoenix Wright 2, Final Fantasy, Starfox Command, um nur mal einige der Releases des letzten Monats zu nennen. Ich find es immer etwas seltsam, dass Leute Nintendo fast vorwerfen, dass sie selbst AUCH viele grandiose Spiele entwickeln. Von anderen Herstellern kommt für den DS mit Sicherheit nicht wirklich wenig. Need for Speed ist auf jeder anderen Plattform besser – mag sein. Aber für sowas hab ich den DS auch nicht.

Honk: Warum ist der Wii nicht dein Favorit?

Tom: Weil ich meinen erst nächste Woche bekomme. Ich hatte aber schon 14 Tage lang einen ausgeborgt und bin begeistert. Da macht plötzlich einfach alles wieder Spaß. Schau dir Rayman an: auf jeder anderen Plattform ist das Bockmist, am Wii ist es purer Sex. Ganz zu schweigen von WiiSports. Ich persönlich finde ja, dass der Wii schon jetzt mehr spielenswerte Games zu bieten hat, als die Xbox 360. Geschmackssache. Aber natürlich muss da noch ordentlich Nachschub kommen – ich bin halt zuversichtlich. Schau dir doch an, was da alles kommt: Elebits, Trauma Center, Batallion Wars 2, die ganzen Nintendo-Spiele… Da wird mir schon nicht langweilig.

Konrad: Halt, stopp, Missverständnis. Ich behaupte nicht, dass für den NDS oder den Wii keine Titel von Thrid-Parties entwickelt werden. Ganz im Gegenteil: Herstelle wie EA, UbiSoft, Atari und Co. werfen schon ordentlich was an Softwarematerial auf den Markt. Nur leider macht sich kaum einer dabei die Mühe, die Möglichkeiten des NDS wirklich zu nutzen. So kommen die meisten Systemseller hauptsächlich von Nintendo selbst, oder eben von kleineren Herstellern. Das Problem dabei ist nur, dass auf lange Sicht, der NDS als Plattform für die "Großen" der Branche uninteressant werden könnte, wenn die Verkäufe nicht stimmen. Beim Wii schauts momentan auch etwas bedenklich aus, wenn ich mir die After-Launch-Releaseliste da so anschaue kommen die interessanteren Titel meist von Nintendo selbst, der Rest ist entweder Lizenzgerümpel oder die ein oder andere Konvertierung. Wie gesagt, angetan bin ich von Nintendos Innovationskraft sehr, nur leider ziehen die großen, westlichen Softwareentwickler da kaum nach.

Tom: Ob ein gutes Spiel nun von einem Großen kommt, ist mir ja erstmal ziemlich egal. Ich freu mich sogar eher, wenn die Kleinen was reissen. Werden die Möglichkeiten genug ausgenutzt? Schwer zu beantworten. Ich hab die Konkurrenzplattformen bisher jedenfalls nicht wirklich vermisst, weil meine Spielbedürfnisse voll erfüllt werden. Aber genug meines Fanboy-Gequatsches.

Honk: Keiner von euch spricht über den PC oder die PS3?

Tom: Die PS3 geht mir ebenso wie die PSP am Arsch vorbei. Zu teuer, zu spät, zu uninteressant – für mich halt. Der PC, und das tut einem echten PC-Fan schon etwas weh, verliert bei mir an Bedeutung. Ich hab keine Lust mehr aufzurüsten. Eigentlich ist er für mich zur reinen Indie- und Adventureplattform geworden. In den Bereichen gabs aber einige hochklassige Dinge.

Honk: Killerspiele…

Tom: NEIN!

Honk: Aber …

Konrad: Mannomann, das neue Anno, Mann!

Honk: Anno 1701… Saublöde Werbung. Enorm hohe Wertungen. Da hat der kritische Herbst wohl versagt?

Konrad: Anno ist schon ein gutes, arg konventionelles, schön buntes Spielchen geworden. Obs ein Hochkaräter ist, muss jeder selbst wissen. Zumindest wars nicht so bugverseucht, wie so manch anderer großer Titel dieses Jahr *mitdemzaunpfahlwink*. Ich kanns den Jungs von 4players ja noch nichtmal richtig übel nehmen, dass sie sich nach dem "fiktiven" Telefonat mal den Frust von der Seele schreiben müssen. Nur leider haben die guten Herren dabei wohl so einiges durcheinander gebracht. So heißt Informantenschutz noch lange nicht, dass man wichtige und für die Glaubwürdigkeit notwendige Fakten einfach verschweigt. Was bringt es, wenn ich alle Beteiligten verschweige und auf der anderen Seite dann aber den Vertrag bis auf die Schwärtzung der Namen vom Satz und Layout her unverändert publiziere? Rückschlüsse können die Betroffenen dann immer noch ziehen und nebenbei hat man gleich einen schönen Universalverdacht gegen die komplett Branche gezogen. Nicht gerade die feine, englische Art journalistisch tätig zu werden. Zu allem hatte die Aktion auch noch den faden Beigeschmack der Profilierungssucht. Da kann ein Jörg Luibl sicht tausendfach mit seinen rethorischen Mitteln rausreden wollen; 4players hat mit dieser Aktion bewiesen, dass die ganze Nummer zu groß für sie war und das Spielejournalisten wohl doch noch einiges lernen müssen. Schade, ein paar richtige Worte der Aufklärung hätten sicherlich einiges gebracht.

Tom: Hach, der kritische Herbst. Gute Idee, schlecht umgesetzt – und vor allem äußerst unkollegial. Am Schluss ist man so klug wie vorher: Wer unabhängige Berichterstattung über die Spielewelt will, muss Rebell.at ansurfen. Oder Daddelnews – aber das will man sich nicht wirklich antun.

Honk: Ja, 4Players hat da vermutlich die traurigste Aktion abgezogen, die es in diesem Jahr gab…

Tom: Ach was! Viel schlimmer ist, dass es Working-Title nicht mehr gibt. Wer soll jetzt das nächste Cola testen?

Konrad: Frau Märtens dürfte sicherlich für einen Gastartikel auf Rebell jederzeit zu haben sein, oder?

Tom: Ist das alles woran du denken kannst? Artikel? Typisch deutscher Mann!

Konrad: Wofür war Working-Title bekannt? Rebell.at-Bashen und gute Artikel fabrizieren, wenn ich das richtig sehe. Also, warum nicht um die Artikel trauern? Du denkst ja nur an einen billigen Softdrink einer großen, bösen amerikanischen Firma…

Honk: So ihr Nasen! Kommen wir zum Ende. Wie gefiel euch die Entwicklung von Rebell.at in diesem Jahr?

Tom: Also im Großen und Ganzen bin ich mit dem Jahresabschluss zufrieden. Wir haben wieder zu einiger Aktualität gefunden und haben mit dem neuen Design auch wieder starke Besucherzuwäche zu verzeichnen. Das letzte Design war ein Fehlgriff meinerseits. Das kann ich heute schon eingestehen – wobei ich mir bis heute nicht so sicher bin, ob es schlecht war. Klar, durch den iframe haben wir Google-Besucher verloren, aber das Kernpublikum scheint geblieben zu sein. Also ist Rebell entweder so gut, dass die Fans alles mitmachen, oder das Design war gut. Beides ist in Ordnung für mich.

Konrad: Nachdem wir gegen Herbst auch endlich unseren Augenkrebsfaktor verloren hatten – sry. Tom, aber r4 war allein von der Contentpräsentation schon unter aller Sau – gings gegen Ende das Jahres dann auch endlich wieder bergauf. Insgesamt bin ich mit Rebell dieses Jahr doch recht zufrieden, auch wenn man natürlich hier und da mit dem Gesamtkonzept sicherlich noch nicht am Ende der Möglichkeiten angelangt ist. Neue Ideen brauchen schließlich auch wir Rebellen manchmal um nicht komplett in unserer Entwicklung zu stagnieren. 2007 sollte da sicherlich noch so manch eine kleine Überraschung bringen.

Tom: In diesem Sinne: Danke an all unsere Leser und Unterstützer. Viel Glück und Freude 2007!

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