Das Jahr neigt sich seinem Ende entgegen, Zeit also für einen kleinen Rückblick auf die vergangenen zwölf Monate. War 2005 ein gutes Jahr für Spieler? Eher nicht: PlayStation 2, Xbox und GameCube zeigten ihre Alterswehwehchen stärker denn je und auch der PC hatte schon bessere Tage gesehen. Im Vergleich zu den im Vorjahr erschienenen ‚GTA: San Andreas‘, ‚Halo 2‘, ‚Far Cry‘ und ‚Half-Life 2‘ sahen vermeindliche Hits wie ‚Gun‘, ‚Age of Empires 3‘ oder selbst das eigentlich sehr gute ‚F.E.A.R.‘ doch blass aus. Das spiegelte sich auch in den Verkaufszahlen wider: In Nordamerika mussten die Publisher im Weihnachtsgeschäft einen deutlichen Rückgang beklagen.
Natürlich hatte das Jahr aber auch seine guten Seiten: Vor allem die E3 im Mai wird vielen noch lange in Erinnerung bleiben, stellten Microsoft und Sony dort doch ihre neuen Konsolen in fast allen Details vor. Und auch Nintendo lüftete wenig später das gut gehütete Geheimnis um seine Revolution. Das Ende einiger schon viel zu lang anhaltender Trends war jedoch leider nicht zu erkennen: WW2-Shooter, mäßige Sequels und unfertig veröffentlichte PC-Spiele bestimmten weiterhin das Bild. Den Vogel schossen Ubisoft und Gearbox mit ‚Brothers in Arms‘ ab – das so genannte „neue Kapitel“ erschien rund ein halbes Jahr nach dem Originalspiel zum Vollpreis und ohne nennenswerte Neuerungen.
Genug gejammert! Im Folgenden wollen wir die Gewinner und Verlierer des Jahres 2005 küren. Fünfzehn Spiele, Worte, Menschen und Ereignisse, die uns in Erinnerung bleiben werden.
Elfen, Zwerge und langweilige, normalsterbliche Menschen auf der einen Seite. Auf der anderen Mutanten, Cyborgs und Roboter. In etwa so sah die eintönige Auswahl für den geneigten Spieler von MMORPGs bisher aus. ‚City of Heroes‘ und einige Monate später ‚City of Villains‘ setzten dem Fantasy- und Science-Fiction-Einheitsbrei endlich eine die Alternative entgegen. Das Spiel der Charaktere mit den übernatürlichen Superkräften ist für mich deshalb eindeutig das innovativste Spiel des Jahres 2005.
Natalies Spiel des Jahres: Nintendogs
Braune Schlappohren, feuchte Nasen und schwarze Knopfaugen – kein Spiel hat mich dieses Jahr so sehr gefesselt wie die ‚Nintendogs‘. Kein Spiel hat es geschafft, eine ähnlich emotionale Bindung aufzubauen wie es die knuddeligen kleinen Hundewelpen taten. Dabei nutzt ‚Nintendogs‘ die Fähigkeiten des DS vollständig aus, was das Interagieren mit den virtuellen Spielgefährten noch abwechslungsreicher und „echter“ macht. Die Idee mag nicht neu sein (Hallo, Tamagotchi!), aber sie fasziniert über lange Zeit.
Fabians Spiel des Jahres: Phoenix Wright
Keine Frage: ‚Phoenix Wright: Ace Attorney‘ ist in diesem Jahr meine Nummer eins. Das DS-Abenteuer um einen jungen Anwalt hatte einfach alles, was ein gutes Adventure braucht: Eine spannende Geschichte, liebenswerte Charaktere, anspruchsvolle Rätsel, echte Emotionen – einfach das gewisse Etwas. Unerwähnt will ich aber auch nicht ‚Fahrenheit‘ lassen, das sich knapp dahinter platziert und mit ganz ähnlichen Tugenden auftrumpft. Außerdem bekommt es von mir einen ganz persönlichen Award für die coolsten Kampfszenen der Spielegeschichte.
Überraschung, Überraschung: Lego Star Wars
Lizenzspiele haben keinen guten Ruf, das weiß fast jedes Kind. Die Chancen standen also nicht besonders gut für ‚Lego Star Wars‘, das nicht nur eine sondern gleich zwei teure wie hochkarätige Lizenzen in sich vereint. Doch wie Mathematiker wissen, ergibt negativ mal negativ erstaunlicherweise positiv und so wurde aus ‚Lego Star Wars‘ ein unerwarteter Hit: Es war simpel, kurz und nicht besonders aufwändig, aber es machte ganz einfach sofort Spaß. Welches Spiel kann das heute schon noch von sich behaupten?
Die größte Enttäuschung: Age of Empires 3
Das Strategiespiel des Jahres hatten die Ensemble Studios versprochen, als sie im Frühling das lang erwartete ‚Age of Empires 3‘ ankündigten. Dass die Veröffentlichung aber bereits für den Herbst geplant war und der Termin dann auch tatsächlich eingehalten werden konnte, hätte uns vielleicht nachdenklich stimmen sollen. Letztendlich war ‚Age of Empires 3‘ nämlich nicht viel mehr als eine optisch aufpolierte und spielerisch leicht verbesserte Version des Vorgängers – der inzwischen sechs Jahre auf dem Buckel hat. Über so wenig Mut können wir nur enttäuscht den Kopf schütteln.
Unabhängig, aber gut: Oasis
Sieht aus wie ‚Civilization 2‘, spielt sich aber ganz anders: Seit Jahren befand sich das Runden-Strategiespiel ‚Oasis‘ in Entwicklung, im April erblickte dann endlich die Vollversion das Licht der Welt. In einer begrenzenten Anzahl an Zügen muss der Spieler ein unbekanntes Land erforschen, Städte finden und miteinander verbinden, Anhänger um sich scharen und Schätze sammeln, um schließlich den anstürmenden Barbaren zu trotzen. Frisch, ungewohnt und flott – so sollen Independant-Spiele sein. Und genau so ist ‚Oasis‘.
Die besten Sexszenen: Fahrenheit
Liebe und Sex sind nicht zuletzt dank der strengen Richtlinien US-amerikanischer Jugendschützer in Spielen ein seltenes Glück: Was passiert, wenn es daneben geht, konnte man bei ‚GTA: San Andreas‘ wunderbar erleben. Quantic Dream ging mit ‚Fahrenheit‘ einen anderen Weg, ließ in Europa die Sau raus und kürzte das Spiel zur Abwechslung einfach mal für den US-Markt. Danke schön! Denn ohne die kleinen Geschicklichkeitsspiele unter der Bettdecke wären uns Lucas Kane und seine Freundinnen wohl weitaus weniger ans Herz gewachsen.
Die meisten Bugs: Dungeon Lords & Bet on Soldier
Mittlerweile sollten wir in dieser Kategorie dem Zeitgeist Rechnung tragen. Denn hier reicht die Erwähnung nur eines Spiels schon lange nicht mehr aus. Wir können uns einfach nicht entscheiden, welches verbugte Spiel von all den verbugten Spielen jetzt das Schlimmste war. Was mussten sich stolze Besitzer von ‚Dungeon Lords‘ nicht alles gefallen lassen, bis ihr Spiel vernünftig lief? Warum braucht es zum Verkaufsstart einen sage und schreibe 800 Megabyte großen Patch für ‚Bet on Soldier‘? Wieso erscheinen jetzt schon vor dem Release dauernd Updates?
All your base are belong to us: EQ2 & Earth 2160
Da es Sony Online Entertainment wohl in diesem Jahrzehnt nicht mehr hinkriegen wird, ‚EverQuest 2‘ eine vernünftige Lokalisation zu verpassen, wird das MMORPG in diesem Jahr seinen „Spitzenplatz“ des Jahres 2005 bei uns verteidigen. Einen grottigen ersten Platz bei den schlechtesten Sprachausgabe hat sich ‚Earth 2160‘ verdient. Auch wenn man per Update noch die ausgelutschte Synchronstimme von Bruce Willis nachreichte, wurden die deutschen Dialoge einfach nur dämlich und generell technisch schlecht realisiert.
Der neue Trend: Rent a Character
Mario spielt Fußball, Mario spielt Tennis, Mario spielt Golf, Mario fährt Kart, Mario tanzt. Gut, bei Nintendo ist es nichts Besonderes, dass Figuren bis zum Geht-Nicht-Mehr verwendet werden, doch in diesem Jahr wurde aus diesen Charaktertausch-Spielchen ein regelrechter Trend: Auf einmal tauchten Mario, Luigi und Peach nämlich auch in ‚NBA Street V3‘ und ‚SSX on Tour‘ von EA auf und der Master Chief aus ‚Halo‘ prügelt sich in Tecmos ‚Dead or Alive 4‘ mit hübschen Mädchen. Für das nächste Jahr fordern wir: Lula bei ‚FIFA‘ in den Sturm!
Bild des Jahres: Der Revolution-Controller
Eine Fernbedienung! Nintendo machte es selbst seinen Fans nicht gerade einfach, als der sagenumwobene Revolution-Controller letztlich enthüllt wurde. Was hatte man nicht alles gemutmaßt: Das neue Gamepad solle Wärme und Kälte abgeben können, leichte Stromschläge austeilen, vielleicht sogar Kaffee kochen? Eine Fernbedienung mochte da so gar nicht ins Bild passen. Beim zweiten Blick jedoch offenbarten sich die Möglichkeiten, welche der Controller bietet: Nicht zuletzt für Ego-Shooter könnte die Revolution durch das direkte Zielen auf den Fernseher die perfekte Lösung sein.
Der Running Gag geht weiter: Kein S.T.A.L.K.E.R.
Langsam aber sicher macht das Langzeitprojekt ‚S.T.A.L.K.E.R.‘ von GSC Game World und THQ tatsächlich ‚Duke Nukem Forever‘. Denn während sich 3D Realms inzwischen immerhin in Zurückhaltung übt und auf seinem „When it’s done“ beharrt, verkündete THQ im Herbst 2004 stolz: ‚S.T.A.L.K.E.R.‘ sei fast fertig, aber man halte es zürück, um ‚Halo 2‘ und ‚Half-Life 2‘ aus dem Weg zu gehen. Dumm gelaufen, dass die Entwickler aber auch im Frühjahr 2005 dann nicht fertig wurden. Inzwischen gilt Ende 2006 als realistischer Termin. Wenn es denn überhaupt noch erscheint.
Die größte Abzocke: Die Sims 2 Weihnachtspack
Es gibt sicher viele Produkte, welche in diesem Jahr diese Auszeichnung verdient hätten, doch eines stach besonders aus der Masse hervor: Das ‚Die Sims 2 Weihnachtspack‘ von Electronic Arts. Rund 40 Gegenstände für sagenhafte 15 Euro an den Mann zu bringen, ist schon ein starkes Stück. Bei jedem anderen Spiel hätten wir vielleicht darüber hinweg gesehen, aber wir reden hier von ‚Die Sims 2‘, das weltweit Millionen mal verkauft wurde. Wenn da nicht einmal eine kleines Dankeschön für die Spieler drin sein kann, dann gute Nacht!
Das Milliarden-Zitat: J Allards Größenwahn
Schon im Mai stand fest: Für die Wahl zum Zitat des Jahres kann es nur einen Gewinner geben. J Allard demonstrierte auf Microsofts E3-Pressekonferenz einmal mehr, warum das Unternehmen bei Spielern nicht unbedingt den besten Ruf genießt: „In the HD era, we are going to reach 1 billion people with our medium“, hieß es großmundig. „We’re at the cutting edge of technology and the leading edge of imagination.“ Na dann, herzlichen Dank, dass wir solche fantasievollen Titel wie ‚Project Gotham Racing 3‘ oder ‚Perfect Dark Zero‘ spielen dürfen.
Liebling des Jahres: Rockstar Games
Es kann nur einen geben: Mit einem unglaublichen Geniestreich haben es die ‚GTA‘-Entwickler von Rockstar Games geschafft, geschätzte 50 Millionen US-Dollar zu verpulvern. Das im Programmcode von ‚GTA: San Andreas‘ versteckte Sex-Minispiel dürfte als das überflüssigste und dümmste Easter-Egg in die Spielegeschichte eingehen. Zugleich brach in Nordamerika eine Diskussion um den Jugendschutz bei Spielen los, die ihresgleichen sucht. Dafür und für Rockstars anfängliches „Wir haben doch gar nichts gemacht“-Unschuldsgetue verleihen wir den “Liebling des Jahres“-Award!