Ein in meinen Augen negativer Aspekt der Spielepresse ist, dass bei jeder Gelegenheit schon im Vorfeld Hypes losgetreten werden. Alle Spiele sind, lange bevor das überhaupt beurteilbar ist, potentielle Hits, kommende Verkaufsschlager oder superinnovative Ausnahmegames. Als Redakteur ist man es irgendwann leid, solche Superlative zu verwenden. Konsequenterweise darf man dann auch bei Titeln, die man für sehr vielversprechend hält, nicht in Lobhudelei verfallen. Mit erschreckenden Ergebnissen auf Spielerseite…
Es ist mir zuletzt bei unserer <a href="http://www.rebell.at/?site=rfull&cnt=show_ps&post_id=466" target="_blank">Preview zu Mount & Blade</a> aufgefallen. Unser Redakteur flint hat dem Spiel in meinen Augen (ich habe die Beta auch gespielt) völlig zurecht den Ersteindruck "Gut" verpasst. Der Indietitel von Taleworlds wird in unserer Vorschau eigentlich ausschließlich gelobt, die negativen Punkte als das bezeichnet, was sie eigentlich sind: Lapalien. Die große Ausnahme: die Technik. In Sachen Sound und Grafik kann das kleine Entwicklerteam großen Produktionen naturgemäß nicht das Wasser reichen. Und die Story (übrigens auch in vergleichbaren Titeln wie Pirates! nur ein unwichtiger Nebenaspekt) fehlt momentan (in der Betaversion) auch noch.
Nun haben wir bei Rebell.at das Ziel, den Hypes abzuschwören und ein wenig kritischer über Spiele zu berichten. Wenn ich dann Kommentare von Lesern zu sehen bekomme wonach das Spiel (also in dem Fall M&B) "wohl nicht so der Renner" ist, oder sowas wie "Mount & Blade war mir bis dato unbekannt. Nachdem ich die Screenshots gesehen hab, hab ich nicht das Gefühl was verpasst zu haben.", frage ich mich, ob wir der Spielebranche damit einen Gefallen tun. Ich halte diese Indieproduktionen für sehr wichtig. Schon heute haben wir eine Marktsituation, wonach die Branche von einer Konzentration einger weniger Publisher beherrscht wird. Ich hoffe und schreibe dafür, dass die Leute auch anfangen das zu sehen was nicht von EA, Take 2 und Ubisoft kommt. Vielleicht sogar ab und zu das, was man gar nicht im Laden, sondern in Internetshops findet. Etwas, über das die Gamestar zwar nicht schreibt, das aber trotzem Spaß macht.
Wir hätten (und haben) Mount & Blade, ebenso wie anderen Spielen in der Vergangenheit, gerne eine Plattform geboten. Ohne aber zu verschweigen, dass es natürlich auch ein paar Schwächen hat. Ohne jetzt gerade nur die allerschönsten Bilder aus dem Spielgeschehen zu zeigen (denn ist ein Spiel nicht mehr als die Summe seiner Höhepunkte?). Ohne in sinnlose Schreiborgasmen zu verfallen.
Das Problem ist, dass man anders scheinbar kaum noch Aufmerksamkeit für ein Spiel erzeugen kann. Viele Spieler schauen bei der Erstankündigung eines Spiels nicht auf die geplanten Features, sondern auf die Screenshots. Wenn in einer News/in einem Artikel nichts von "Es wird DAS Übergame 200X!!1!" steht, lesen die Meistern gar nicht erst weiter.
Was sollen also wir tun? Sollen wir anfangen, jedes "gute" Spiel in den Himmel zu erheben? Dann kommen wir unseren Pflichten als Kritiker nicht nach. Sollen wir so weiter machen? Das ist es was wir tun möchten und werden. Solltet IHR also versuchen, bei einem Spiel (wieder?) mehr als die Anzahl der Spezialeffekte zu sehen? Oder auch mal bei einem "nur guten" Game die ganze Preview zu lesen? Oder auch mal einen hässlichen Screenshot zu durchblicken, und das Spaßige dahinter zu sehen? Wieder(?) anzufangen sowas wie flints Aussage " Bringt am besten schon einmal viel Zeit mit, die ihr allesamt in Mount & Blade investieren solltet. Die Version der ich mich angenommen hab, macht einfach eine Menge Spaß." zu beachten?
Wenn ich mir ansehe, dass sogar in Diskussionen über die Age of Empires 3-Demo 90% der Leute über die (in meinen Augen über jeden Zweifel erhabene) Grafik sprechen, anstatt über das Spielprinzip, dann wünsche ich mir diesen etwas offeneren Blick für das Gute und auch das Unbekannte von und für euch zu Weihnachten (ist ja schon September). Denn ich will beim nächsten Mount & Blade nicht schreiben müssen, dass es geiler als meine Freundin ist, nur um eure Aufmerksamkeit zu erregen!