Die Spielepresse ist korrupt. Ihre Wertungen sind gekauft. Keine Werbung wird ohne Gegengeschäft geschaltet. Wissen wir alles längst, oder? Nun, ganz so einfach ist es nicht. In diesem kurzen Special möchte ich euch durch die Welt der Spielemagazine führen.
Fangen wir zum besseren Verständnis damit an, was ein Spielemagazin überhaupt ist. In der Publizistikwissenschaft wird es als Special Interest-Medium bezeichnet. Das ist eine Publikation, die sich ausschließlich mit einem Themengebiet befasst. Zu dieser Gruppe gehören zum Beispiel auch Automagazine oder Kochzeitschriften. Es gilt wissenschaftlich als recht gesichert, dass sich die Welt im Wesentlichen von den großen, allumfassenden Massenmedien wegbewegt und eben genau solche Zeitschriften vermehrt gefragt sind.
Es ist nun das Wesen von fast jeder Art Publikation, dass sie ihre Existenz mit Hilfe von zwei großen Standbeinen absichert: Werbung und Verkäufen. Je nach Branche, Land und Medium ist das Verhältnis etwas anders, doch das Wesen bleibt dasselbe. Die Verkäufe allein reichen leider nicht aus. Werbetreibende suchen sich selbstverständlich immer solche Partner, die ihre Zielgruppe ansprechen. In der Spielepresse ist es also logisch, dass wir vorranig Werbung zu Spielen und Hardwarehändlern finden, während Porsche beim neuesten Modell eher nichts mit der Zielgruppe der Gamestar oder von Rebell.at anfangen können wird.
Betreiber von Magazinen werden so in einen ständigen Konflikt getrieben. Sie müssen ihre Journalisten bezahlen und ihr Heft oder ihre Webseite lukrativ gestalten. Das bedeutet, dass sie es sich natürlich weder mit den Lesern noch mit den Werbetreibenden verscherzen dürfen. Vor allem weil die Werbetreibenden auch diejenigen sind, die dafür sorgen können, dass ein Magazin seine Leser mit leckeren Exklusivgeschichten verwöhnen kann – oder auch nicht. Eine verzwickte Situation also, die aber im Wesentlichen jedes Special Interest-Medium betrifft. Ein Automagazin darf es sich nicht mit Audi, VW und Mercedes verscherzen, eine Spielezeitschrift sollte daran interessiert sein, dass EA, Activision oder Take 2 nicht die Unterstützung versagen. Die Kritisierten sind Partner der Kritiker und ein beidseitiges Geben und Nehmen ist immer vorhanden. Das ist grundsätzlich auch nicht verwerflich.
All diese und viele andere Verwebungen führen aber dazu, dass ein kritischer Spielejournalismus es äußerst schwer hat, denn irgendjemandem muss er ja auf die Füße treten. Dann gibt es natürlich auch schwarze Schafe, die sich aus der Situation einen Vorteil ziehen wollen – für die überwältigende Mehrheit von Journalisten gilt das aber selbstverständlich nicht.
Was kann man gegen diese Situation tun? Da wird man zugegeben nicht viel finden. Schafft ein Magazin es, sich vollständig durch die Leser finanzieren zu lassen und Testmuster selbst zu kaufen, dann hat es immer noch das Problem, dass es sich mit Herstellern arrangieren muss. Wenn es zum Beispiel darum geht frühe Versionen von Spielen auszuprobieren oder interessante Interviewtermine zu ergattern. Das sind ja auch Dinge, die von den Lesern gefordert werden. In diesem Punkt sind also auch wir nichtkommerziellen Rebellen auf die Hersteller angewiesen. Wenn uns die Unterstützung an Testmustern entsagt wird, würden wir zwar nicht einknicken (das kann ich euch schon versprechen), auf unsere zukünftige Berichterstattung würde das aber empfindliche Auswirkungen haben.
Daher wird immer ein gewisses Misstrauen der Leserschaft bestehen, und es wird immer negative Einzelfälle geben, die dieses auch bestätigen. Es obliegt jedem einzelnen Redakteur, sein Verhalten mit seinem Gewissen zu vereinbahren und seine Verantwortung gegenüber Magazin, Leser aber auch gegenüber den Herstellern wahrzunehmen. Und des obliegt den Lesern, nicht alles unter Generalverdacht zu stellen, wenn ihnen einmal eine Meinung, ein Artikel oder eine Wertung nicht passt. Bei der Gesamtheit aller Magazine findet man so gut wie keine gekaufte Wertung und nicht jeder Publisher knüpft Werbung an Bedingungen..
Es ist also nicht unbedingt die Frage, ob Manipulationsversuche überhaupt stattfinden. Wir alle wissen, dass das ab und zu so ist. Obwohl man über die Tragweite dieser Korruption durchaus geteilter Meinung sein kann – meistens findet sie in einem sehr kleinen Rahmen manchmal sicher auch in größeren statt. Viel wichtiger ist, dass man Mittel und Wege findet, um die Versuche im Sand verlaufen zu lassen. Und aus journalistischer Sicht kann es sich nur als interessant erweisen, die Hintergründe und Strukturen zu beleuchten, die all das überhaupt erlauben. Dazu wird es notwendig sein, den Lesern und Spielern alles darüber zu erzählen, wie die Objekte ihrer Begierde entstehen – jene die all die beteiligten Parteien schlussendlich verbindet: die Spiele. Und schlussendlich geht es auch um ganz große Themen unserer modernen Gesellschaft. Was für eine Auswirkung eine hohe Marktkonzentration hat zum Beispiel. Im Endeffekt ist auch die Spieleindustrie durchsetzt von sozialen, politischen, moralischen und wirtschaftlichen Fragen. Spiele in einem größeren Rahmen zu sehen, das wurde erst vor wenigen Tagen in einer unserer Kolumnen gefordert.
Wir haben diesen Auftrag vor nun fast vier Jahren angenommen, wir werden versuchen ihn zukünftig noch besser auszuführen. Kritisch aber fair: dieses Versprechen gilt unseren Lesern und Partnern.