GTA, Lemmings und sonstige Untaten

Mike Dailly, das ist ein Name den wenige kennen dürften. Dabei war er in die Entwicklung zweier Serien involviert, die wir alle zu den interessantesten der Spielegeschichte zählen dürfen – oder fast müssen. Mike ist mitverantwortlich für Lemmings und GTA (Teil 1 & 2). Wir haben mit ihm über sein Zockerleben gesprochen.

1989 kam der Schotte in die Spielebranche. Eine Bewerbung bei DMA Designs ermöglichte den Sprung in eine Arbeitswelt, die er zu lieben lernen sollte. Er machte Programme für den C64, Amiga und Konsolen, erstellte Grafiken am PC und seit über einem Jahrzehnt ist mit der Erforschung und Entwicklung neuer Technologien beschäftigt. Schon mit 13 hat er mit dem Programmieren begonnen. Heute arbeitet Mike bei Real Time Worlds, einem Studio das von ehemaligen Psygonis-Mitarbeitern gegründet wurde, und werkelt an einem unangekündigten, GTA-ähnlichen Onlinespiel mit der Unreal Engine 3.

Mike ist jemand, der etwas zu erzählen weiß, ohne abzuheben. Das merkten wir schnell, als er darauf bestand festzuhalten, dass er nicht der eine große Macher von GTA und Lemmings war, sondern nur einer der vielen Leute dahinter.

Was ihm sonst wichtig ist? "Religion, Familie, Gesundheit, Sicherheit… Wie jedem anderen. Wenn du Kinder hast, verändert sich dein ganzes Leben – zum Besseren würde ich sagen!". Das klingt nicht gerade nach einem Teufelskerl, aber Mike will das vermutlich auch gar nicht sein. Seine verrückteste Erfahrung im Leben würde dennoch viele der Härtesten unter der Sonne von den Socken hauen: "Ich musste mein drittes Kind selbst zur Welt bringen, als bei meiner Frauen die Wehen zu früh einsetzten.". Aber er meint das könne jeder: "Die Anweisungen vom Notruf waren Dinge wie ‚Er wird glitschig sein, also lass ihn nicht fallen‘. Ich hätte mich gern gehört. Ich glaube ich habe mich ganz ruhig angehört, aber in Wahrheit war ich sicher völlig hysterisch". Die Kinder aus der zehnjährigen Ehe mit Frau Frances sind heute acht, fünf und ein Jahr alt und kleine Super Mario-Fanboys. Sie können später einmal auf eine römisch-katholische Jugend zurückblicken, denn jeden Sonntag geht es in die Kirche.

Mike war nie ganz oben in der Hierarchie eines Entwicklerteams, darum ist er im Gegensatz zu anderen nicht besonders reich geworden. "Nicht, dass ich in einer kleinen Box in der Mitte der Straße leben müsste, aber wenn du etwas tun darfst das du liebst, dann ist Geld nicht wirklich so wichtig." – Solange man das bezahlt bekommt was man wert ist, merkt er an. "Wie viele Leute springen denn schon in der Früh aus dem Bett weil sie früh an dem weiterarbeiten wollen, was ihnen gestern viel Freude bereitet hat? Wirklich nicht viele."

Man merkt Mike an, dass er an die alten Zeiten in der Branche gern zurück denkt. Heute sei eine Zeit der gigantischen Riskio-Budgets und des enormen Drucks – "Ich denke wenn man den kreativen Drive von DMA Designs wiederbeleben könnte, wäre das jedes Geld wert.". Um all das zu dokumentieren, schreibt er die Geschichte der Firma <a href="http://www.dmadesign.org" target="_blank">im Internet</a> nieder.

Und er ist überzeugt: auch heute können kleine Teams noch große Klassiker erschaffen: "Bei Spielen geht es nicht um "Glanz" und "Realismus" – sie drehen sich um Spaß und Genuss.". Tetris, Lemmings, Geometry Wars – das seien Spiele die heute noch Spaß machen würden und die eine einzelne Person schreiben kann. Millionen Dollar und rieisige Teams könnten nicht unbedingt das erreichen, was eine kleine Gruppe schafft, wenn sie sich darauf konzentiere Spiele rund um eine gute Idee spaßig und spielbar zu halten.

Gerne würde Mike ein modernes Lemmings machen. Viele Dinge seien da noch nicht ausprobiert worden. Den ständigen Portierungen auf neue Systeme fehle etwas völlig Neues – "Das ist Zeitverschwendung.". Er wird seine Pläne wohl nie umsetzen können. Psygonis übernahm die Rechte an der Serie von DMA und verlor sie beim Aufkauf an Sony – dort liegen sie heute noch.

Aber Mike ist kein verträumter Romantiker von gestern der alles Neue verteufelt. Lange Zeit hat er selber Counter-Strike gespielt und hält es für eines der besten Spiele die je veröffentlicht wurden. Mehr Spaß und finanziellen Wert als Half-Life hätte es, und noch immer würde es viele neuere Vertreter seines Genres in einigen Bereichen in die Schranken weisen – so der Schotte.

Dementsprechend gehört es auch zu seinen drei Lieblingsspielen – neben der Monkey Island-Serie, deren ersten Teil er gerade wieder einmal spielt, und Super Mario World auf dem SNES. Unter den Verfolgern finden sich Doom, Ultima Underworld, Day of the Tentacle, Sonic, mehrere Mario-Titel und Sim City 2000. Die Liebe zu Nintendo setzt sich wohl fort. Auf kaum etwas freut er sich mehr als auf den Wii. "Je mehr ich davon sehe, umso mehr klingt es nach Spaß." Und er hat es satt, dass so viele First-Person Shooter und Rennspiele veröffentlicht werden. "Klar mag ich sowas, aber ich will Abwechslung.".

Eine Top 100 Games Liste bewertet Mike nach der Platzierung von Lemmings und Halo – "Ich denke Lemmings sollte dort sein – irgendwo. Halo nicht. Andernfalls glaube ich, dass sich die Leute haben täuschen lassen, denn es gibt bei Halo nichts Neues." Und das sei Voraussetzung um ein Spiel in eine solche Liste zu setzen.

Mike verurteilt es, wenn sich Publisher heute darauf konzentrieren, einfach ein provokantes Spiel zu machen. Bei GTA sei das nie wichtig gewesen. Man wollte kein "Ab 18"-Spiel entwickeln, aber man habe mit der Zeit erkannt, dass es nun einmal ein solches sei und gewisse Elemente brauche. Mit diesem Erfolg rechnete damals niemand.

Wir nehmen Mike das mit dem Verzicht auf Provokation nicht ganz ab und haken zwinkernd nach: Warum musste man schließlich am Ende eines Levels alle übrigen Lemmings sprengen? "Das war Daves (Anm.: David Jones) Idee und ist eigentlich nur drin, weil wir keinen besseren Weg wussten um dem Spieler klar zu machen, dass ein Level beendet ist."

Kurz vor der Fertigstellung des zweiten GTAs verließ er DMA. Wie er die drei Spiele dannach sieht? "Das meiste davon ist gut, obwohl ich nie die Missionen mache. Das Beste an GTA war einfach herumzufahren und Spaß zu haben.". Rockstar habe das Spiel einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sei aber zu sehr darauf bedacht zu provozieren. Obwohl er in der Hot Coffee-Sache ("Hot Coffee ist Tee in Kaffee gerührt") auf der Seite der Entwickler ist.

Die ganze Kontroverse um nackte Pixel in Computerspielen führt er auf mangelndes Verständnis der Welt für den Aufbau von Spielen zurück. Computerspiele seien nunmal wie ein Bild. Unter den Kleidungspixeln können nackte Pixel stecken. "Aber würden diese Idioten-Politiker bei einem Bild fordern, die nackigen Flächen rauszuschneiden?". Was die GTA-Serie wirklich braucht sieht Mike zum Teil wie wir: "Sie dürfen technologisch nicht aufhören sich weiterzuentwickeln. Sie tun da zuletzt zu wenig."

Seine sonstige Zeit vertreibt er sich mit seiner DVD-Sammlung, für die er sich ein nettes Heimkino eingerichtet hat. "Wenn du Kinder hast, hast du sonst keine Chance ein Leben zu führen" – also auch keine Kinobesuche. Mike geht gern spazieren, redet gerne mit Menschen – vor allem über Kunst, Sport und Bücher. Sofern er dazu kommt betreibt er auch selbst Sport und liebt Heimwerker-Arbeiten.

Was hält jemanden, der so lange mit all dem Spiele-Zeug zu tun hat ,eigentlich noch bei der Stange? "Anders als andere Programmierjobs gibt es bei Spielen jeden Tag etwas Neues. Neue Probleme, Spiele und Spielzeuge. Es macht Spaß." – auch wenn nur wenige Spiele ihn so fesseln würde wie einst Super Mario World. Und manche von uns verstehen ihn da sicher ganz gut…

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