Ich habs vor zwei Jahren nicht bereut, Call of Juarez eine Chance zu geben. Eine gut erzählte, spannende Geschichte führte mich als Reverend Ray McCall oder dem jungen Cowboy Billy bis zu Schatz von Juarez und einem dramatischen Ende. Der zweite Teil des von Ubisoft gepublishten Werks, mit dem Untertitel „Bound in Blood“, erzählt zwei Jahrzehnte früher die Geschichte der drei McCall-Brüder, und damit auch die des Haupthelden von Teil eins
Das unzertrennliche Brüderpaar Ray und Thomas setzen sich aus dem amerikanischen Bürgerkrieg ab, um nach ihren Eltern zu sehen. Im Elternhaus angekommen, dass von den Nordstaaten attackiert wurde, stößt der jüngste der drei hinzu: William McCall, ein junger Prediger. Von da an entspinnt sich eine Geschichte rund um die Flucht vom kriegslüsternden und sehr nachtragenden Colonel Barnsby, einen Banditen namens Juan, die schöne Latina „Marisa“ und wiederum den Schatz von Juarez. Der Spieler darf sich (fast immer) aussuchen, ob er als Ray oder Thomas spielen möchte.
Leider folgt die Story zu Beginn oft sehr voraussagbaren und teilweise recht klischeeisierten Pfaden. Je näher es dem Ende zugeht, desto mehr Schwung kommt in die Sache und die Mischung aus Westernroman, Verschwörungsthriller, Psychodrama und mexikanischer Telenovela beginnt zu wirken und mich richtig mitfiebern zu lassen. Davor hielt mich die Umsetzung des Spiels locker bei Laune.
Call of Juarez: Bound in Blood hat den mit Sicherheit schönsten wilden Westen, den man bisher in einem Videospiel erlebt hat. Egal ob von nah oder fern, viele Gegenden sind eine abwechslungsreiche Augenweide. Nur selten fallen Macken wie in der Distanz aufpoppende Vegetation ins Gewicht. Die erstklassige Geräuschkulisse und nicht ganz erstklassige Musikuntermalung taten ebenso ihr bestes zu meiner Unterhaltung.
Die neuen Features des Spiels, wie die unterschiedlichen Concentration Modes, Thomas‘ Lasso oder die Pistolenduelle machen Sinn und sind gut integriert. Nur letztere finde ich zwischendurch sehr inflationär genutzt und einen Tick zu einfach. Eine gute Idee haben die Entwickler von Techland allerdings versemmelt: Angelehnt an das Spielprinzip des „Western-GTA“ GUN gibt es zwischen den einzelnen Akten der Geschichte die Möglichkeit Aufträge zu erfüllen um Geld zu verdienen, das in allerlei Schießausrüstung investiert werden kann. Jedoch sind diese Zwischenepisoden völlig zusammenhanglos ins Spiel eingebunden und wirken wie ein Fremdkörper. Das gleiche gilt für Waffenläden, die oft mitten im Kampfgebiet stehen und wo man trotzdem seelenruhig „shoppen“ kann (etwa mitten in einer sehr feindlich gesinnten Stadt, aus der man flüchten muss). In einem atmosphärisch sonst mitreissenden Spiel sind das meiner Ansicht nach völlig unnötige Knackpunkte.
Wa gibt es noch zu sagen? CoJ:BiB war für mich nach anfänglichem Zweifel doch ein würdiger Nachfolger für Teil eins. Trotz der erwähnten Problematiken macht dieses Spiel jederzeit Spaß. Manche Dialoge zwischen den Brüdern sind zum Brüllen komisch. Sehr wichtig ist auch, dass man im Gegensatz zum ersten CoJ neben den automatischen Checkpoints jederzeit speichern kann. Besonders in den Schwierigkeitsgraden „Hard“ und „Very Hard“ erspart man dem Spieler bzw. mir so eine Menge Frust.
Wer das erste Call of Juarez schon mochte, kann und sollte hier gefahrlos zugreifen.