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Democracy 3 ist House of Cards als Spiel

Democracy 3 ist eine komplexe Simulation von Politik
Democracy 3 ist eine komplexe Simulation von Politik

Ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Ich habe Deutschland verändert. Meine drei Amtszeiten als Kanzler dieser virtuellen Nation haben tiefe Spuren in der Gesellschaft hinterlassen, die nun gerechter, gleicher, freier und rundum besser ist. Ich habe die Steuern erhöht, um investieren zu können. Ich habe die Steuern umgeschichtet, um wachsen zu können. Dann habe ich die Steuern gesenkt, weil ich das Geld nicht mehr benötigte. Mein Investitionsprogramm in Technologie und Bildung war ein nationaler Kraftakt hat als unbeabsichtigte Konsequenz tatsächlich dazu geführt, dass mein Volk die Religion aufgegeben hat. Und meine Förderung grüner Technologien und öffentlichen Verkehrs hat uns zum weltweiten Modellland gemacht.

Die Bevölkerung dankt mir: Die Oppositionspartei in meinem 80-Millionen-Einwohner-Land ist von einem ebenbürtigen Gegner zu einer Gruppe mit wenigen tausend Mitgliedern verkommen. Wir sind praktisch ein freiwilliger Einparteienstaat geworden. Und so nebenbei habe ich die Schulden abgebaut. Ich habe ja schon erwähnt: Ich habe Deutschland geändert.

Die Opposition ist ausgelöscht und glücklich darüber
Die Opposition ist ausgelöscht und glücklich darüber

Übung macht den Meister, sagt man. Und ich muss gestehen, es war freilich nicht mein erstes Leben, in dem mir dieses liberal-sozialdemokratisch-grüne Utopia gelang. In meinem ersten Leben wollte ich Großbritannien verändern und ging zu radikal vor. Eine Verschwörung erzürnter Kapitalisten ließ mich schlussendlich von den Medien aus dem Amt schreiben. Im zweiten Anlauf ermordeten mich Fanatiker, deren Werte ich zu sehr strapazierte.

Democracy 3 ist ein Spiel für Polit-Enthusiasten, die sich nicht an einer recht kargen Präsentation stören. Das ganze Spiel dreht sich darum, ein Land per Knopfdruck zu regieren, Diagramme zu beobachten. Jede Aktion hat Folgen, nicht immer absehbare. Strömungen in der „Gesellschaft“ wollen beeinflusst werden. Auf dem Spiel stehen stets Sympathien und Loyalitäten, die politisches Kapital bringen: Die Macht zu gestalten, zu verändern, zum Guten wie zum Bösen. Was auch immer das Volk schluckt.

Sollen Drogen verboten oder legal sein?
Sollen Drogen verboten oder legal sein?

Im dritten Anlauf, da lief es gut mit mir und meiner idealen Nation in Democracy 3. Ich hatte gelernt, Zugeständnisse zu machen und Kompromisse zu suchen, komplexer zu denken. Okay, dann musste ich eben entgegen meiner Überzeugung einen Steuerfreibetrag für Eheleute akzeptieren! Es war die harmloseste Möglichkeit um mir bei den Konservativen genug politischen Kredit aufzubauen, um die Legalisierung von weichen Drogen durchzubringen. Dank dieser schluckten die Liberalen diese Verschärfung des Überwachungsstaats, die ich brauche, um die Cyberkriminalität in den Griff zu bekommen. Denn diese gefährdete die Produktivität meines schönen Landes und damit die Staatseinnahmen. Und wegen dieser Weltwirtschaftskrise musste ich ohnehin schon die Steuern erhöhen.

Ihr seht: Democracy 3 modelliert eure Möglichkeiten, ein Land zu regieren, noch detaillierter als seine Vorgänger. Die Simulation ist noch komplexer und zum Teil auch logischer, eure Optionen noch vielfältiger. In dieser Hinsicht ist das Spiel schon sehr weit. Und gerade, wenn alles auf der Kippe steht und der Erfolg eurer komplexen Moves entschieden wird, kann jederzeit auch etwas unvorhersehbares passieren. Die Weltwirtschaft kann unter einem Börsenkrach zusammenbrechen, ein Ministerskandal eine kritische Gruppe entscheidend verärgern oder eine polarisierende politsche Frage in den Raum gestellt werden, auf die ich einfach antworten muss. Oder aber, die Investition in Bildung zahlt sich aus und bringt knapp vor dem Ende noch einen Produktivtätsboom im Land.

Das Volk liebt mich
Das Volk liebt mich

Democracy 3 ist hochkomplex und viele Zusammenhänge schlummern unter der Motorhaube. Es ist faszinierte, wenn man bemekrt, dass Autofahrer und Umweltschützer nicht zwingend zwei komplett getrennte Gruppen sind (die Meinungsforschung hilft euch, das Volk besser zu verstehen). Und viele Verknüpfungen werden sehr gut verdeutlicht. Aber das Spiel wird euch nichts über Ideologie oder Institutionen lehren und ihr müsst auch kaum etwas darüber wissen. Deutschland regiert sich wie die USA. Es gibt zwar andere Ausgangsbedinungen, aber dasselbe Spiel. Keine Nation hat eine Historizität. Ihr seid der oberste Herrscher. Ja, ihr seid durch das Volk durch regelmäßige und freie Wahlen in einem Zweiparteienstaat legitimiert. Aber es gibt kein Parlament, in dem eure Maßnahmen zur Verhandlung stehen und keine Verfassung die euch beschränkt, selbst aufmüpfige Minister sind nur ein Imageproblem. Die eigene Partei ist ein Mittel zum Zweck, wer will kann völlig entgegen ihrem Namen handeln. Anything goes, solange die Umfragen stimmen.

Es ist streng genommen einfach eine Wirtschaftssimulation, wenn auch mit politischem Antlitz. Dinge wie Gleichheit oder Liberalität sind keine hohen Werte, sondern manipulierbare Parameter um die Fokusgruppen zu besänftigen. Geld, Loyalität und politisches Kapital sind die wahren Ressourcen. Die ökonomische Mechanik von Democracy 3 belohnt Mehrheiten. Eure Handlungen müssen sich einzig danach richten, nicht abgewählt oder weggeputscht zu werden. Werte und Programme zählen nicht. Ideologien sind nur Werkzeuge. Als Kandidat einer religiösen Kapitalistenpartei einen sozialistischen Polizeistaat aufzubauen, ist theoretisch möglich (und eine schöne Herausforderung).

Betrachtet man den Modellstaat in Democracy 3, dann ist das Spiel am einfachsten mit der Ethik von House of Cards zu gewinnen: Die Simulation belohnt nicht vorranging Wertetreuheit (obwohl das sicher ein Parameter ist) sondern Opportunismus und Zynismus. Wie ihr euer Land gestaltet, hängt ansonsten nur von eurer eigene Wertetreuheit und euren eigenen Vorstellungen ab. Aber das schließt Idealismus immerhin nicht aus. Er muss nur von euch kommen, nicht vom Spiel.

In dieser Hinsicht ist Democracy 3 vielleicht wirklich sehr realistisch. Auch Frank Underwood könnte schließlich anders handeln.