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Von Lara Croft bis Julie Strain

Dass weibliche Spieler immer noch eine Minderheit darstellen, sollte kein Geheimnis sein. Wie viele Redakteure, Möchtegern-Frauenversteher und vereinzelte Hardcore-Zockerinnen haben sich schon über dieses Thema ausgelassen, ohne dabei wirklich etwas bewegt zu haben? Das Lebewesen Spielerin ist bis heute eine Rarität. Doch wie sieht es in den Spielen selbst aus? Sind die auch von innen so frauenlos, wie es von außen den Anschein hat?

Schon die griechische Mythologie wußte, was Sache ist: Ein Held wird eboren werden, die Welt bereisen und in tapferen Schlachten die Menschheit vor dem Untergang bewahren. Wenn überhaupt eine Frau mitspielt, dann sorgt sie sich zu Hause um ihren Liebsten oder sitzt in Fesseln an einen Felsen gekettet, um in letzter Sekunde von einem furchtlosen Helden gerettet zu werden. Listige Frauenzimmer wie Medea waren da doch eher die Ausnahme.

Und immer wieder Lara
Doch nun, einige Epochen später, durften wir endlich Hoffnung haben. 1996 schaffte es eine schlanke PC-Gestalt, die Welt von den Vorzügen eines weiblichen Helden zu überzeugen: Toby Gard erschuf Lara Croft. Etwas pixelig zwar noch, aber durchaus eine angemessene Persönlichkeit, die genau jene Eigenschaft besaß, welche so wichtig war: Ihre Weiblichkeit. Gard war sich anfangs sicher selbst nicht bewußt, welchen Stein er da ins Rollen bringen würde. Lara Croft schaffte es durch ‚Tomb Raider‘, als erste weibliche Heldin große Bekanntheit und bald auch so etwas wie einen Kultstatus zu erreichen. Das war nicht einmal Metroids Samus gelungen.

Inzwischen schreiben wir das Jahr 2006 und dürfen auf eine ganze Reihe weiblicher Protagonisten zurückblicken: Von Jill Valentine aus Resident Evil über Cate Archer aus No One Lives Forever bis hin zu einer Yuna aus Final Fantasy.

Doch ist das nun endlich der langersehnte Durchbruch für die Frauenwelt in der Spielebranche? Dürfen wir darauf hoffen, dass mit wachsender Anzahl weiblicher Heldinnen auch ein paar nicht-virtuelle Mädels an die Gamepads gelockt werden? Nicht wirklich. Denn was wir da an Weiblichkeit geboten bekommen, ist alles andere als die Realität:

Haargenau berechnete, symmetrische Gesichtszüge, spindeldürre Taillen, bei denen einem schon beim Hinsehen die Luft weg bleibt, und das Ganze gepackt auf 3-Meter-Stelzen, die jedes Gucci-Model vor Neid vom Laufsteg kippen lassen würden. Identifikation geht von diesen Charakteren nicht aus und der Andrang der weiblichen Fans hält sich entsprechend in Grenzen.

Frauen sabbern nicht
Dafür haben die Entwickler dabei einen anderen hübschen Nebeneffekt für ihre Zwecke entdeckt – nicht umsonst räkeln sich inzwischen auf jeder zweiten Spielepackung halbnackte Strandschönheiten. Mal tragen sie Schwert und Rüstung, bei der sich jeder rationale Betrachter fragen würde, wie diese drei winzigen Metallfetzen überhaupt vor irgendetwas schützen könnten. Ein anderes Mal sind es eher die harmlosen Kulleraugen, die zum Kauf auffordern. Jaja, Sex sells, ich weiß.
Wer möchte schon mit einem kleinen Pummelchen durch die Wälder kraxeln, das an jedem zweiten Baum erst einmal verschnaufen will?

Das beste Beispiel für die fortschreitend reduzierte Weiblichkeit ist Dead or Alive Xtreme. In dem vermeintlichen Beachvolleyball-Spiel machte man im Grunde nichts anderes, als ein paar hübschen Frauen dabei zuzusehen, wie sie im Bikini durch die Luft hüpfen, sich betont lasziv bewegen und bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit auch noch wie ein naives, kleines Hündchen quieken. Anziehen konnte man sie natürlich auch, ganz viele lustige Sachen machen – aber mit Beachvolleyball hatte das nichts mehr zu tun und mit dem originalen ‚Dead or Alive‘ schon gar nicht. Trotzdem kam es bestens an.

Was ich damit sagen will? Ich als Frau will Mädels. Echte Mädels. Heldinnen, die sich nicht hinter einer Wespentaille verstecken müssen und endlich mal ein bisschen Charakter zeigen dürfen. Ob wir das jemals erleben werden? Immerhin darf man ja noch träumen …

Games Convetion 2006

Und wieder einmal geht die größte Spielemesse Europas zu Ende. Dieses Jahr fand ich das noch trauriger als letztes. Großartige Spiele wurden gezeigt – und vor allem: wir durften sie anspielen. Die absoluten Hightlights für mich waren natürlich Gothic 3, World of WarCraft: The Burning Crusade und Neverwinter Nights 2. Aber auch Simon the Sorcerer 4, Brothers in Arms und der Nintendo Wii hinterließen einen bleibenden Eindruck. Wie ihr auch die nächsten Tagen und Wochen sehen werdet, denn eine große Menge an Artikeln wird die Seite fluten.

Allgemein gibt es zu sagen, dass 2006 auch das erfolgreichste Jahr für die Games Convention selber war. Ein neuer Besucherrekord mit über 180.000 Interessierten wurde erreicht, zudem gab es noch die Veranstaltung von The Dome. Aber auch Journalisten und Aussteller zeigten einmal mehr gesteigertes Interesse. Obwohl es angeblich Probleme gegeben hat, von denen ich persönlich nichts mitbekommen habe. Die Babes waren so schön wie jedes Jahr und mehr bleibt mir eigentlich fast nicht mehr zu sagen.

Außer: Bewegt euch bloß im nächsten Jahr in den wunderschönen Osten Deutschlands und besucht mit voller Begeisterung das Messehighlight des Jahres. Für jeden wird es eine riesen Erfahrung sein an den Ständen mit anderen um Gimmicks zu kämpfen (des öfteren Hände, Füße und Hinterteile in meinem Gesicht gehabt), Spiele anzuspielen, die man sonst nur als Video im Internet sehen kann. Und die Partys rund um die Messe sind sowieso ungeschlagen – sowie dieses Jahr die mehr als großartige Sony-Veranstaltung am Samstagabend. Vielen Dank noch einmal an die Barkeeper die immer wieder ganz schnell neue Kästen frisches Bier angeschleppt haben.

Bis nächstes Jahr Leipzig, ich komme wieder und nächstes Jahr wird es noch besser, das weiß ich jetzt schon. Am 23. August 2007 gehts los!

In den nächsten Tage werden wir eine ganze Reihe an Artikeln über die interessantesten uns gezeigten Spiele präsentieren.

Töten, ja, aber bitte nur die Bösen

Knapp fünf Jahre sind seit dem Terroranschlag in den USA am 11. September 2001 inzwischen vergangen, erste Kinofilme beschäftigen sich dieser Tage mit dem Thema und wir fragen uns: Wo bleiben eigentlich die 9/11-Spiele? Rainbow Six: New York City, Grand Terrorist Attack, Command & Conquer: Afghanistan – hm?

Wo ist die Grenze?
Okay, nach diesem provokanten Einstieg rudern wir erst einmal schnell zurück: Natürlich wollen wir keine Spiele, die sich um den sinnlosen Mord an tausenden von Menschen drehen oder um die Folgen dieser Tat. Aber warum nicht? War der 11. September einfach zu grausam? Vielleicht, aber der Zweite Weltkrieg war zweifellos schrecklicher – und da reiht sich inzwischen in den Regalen ein Spiel ans andere. Ist es die Sinnlosigkeit der Anschläge, die uns zurückschrecken lässt? Vielleicht, aber das gilt auch für den Krieg in Vietnam, was die Entwickler nicht davon abgehalten hat, uns mit Titeln wie Vietcong zu beschenken. Ist noch nicht genügend Zeit seit den Anschlägen verstrichen? Vielleicht, aber ein Battlefield 2 hat auch den Krieg im Irak aufgegriffen, in dem noch heute täglich Menschen sterben. Und wer sagt überhaupt, dass es in so einem Spiel um das Töten von Menschen gehen müsste? Wie wäre es denn, wenn man Leben zur Abwechslung mal retten sollte? Sein eigenes zum Beispiel.

Pfui, lebende Menschen!
Ich kann den Aufschrei förmlich hören: "Leben retten? Das ist doch geschmacklos!" So ungefähr schrieb es zum Beispiel GameSpot, als man im Herbst 2004 erstmals von Survivor der deutschen Replay Studios hörte. In dem Spiel werden bekannte Tragödien wie der Untergang der Titanic, das Erdbeben in Mexiko City aus dem Jahre 1985 und eben auch der 11. September 2001 nachgestellt, aus denen der Spieler in einem Stück entkommen muss. "Warum würde jemand diese höllischen Ereignisse nachspielen wollen", kommentierte GameSpot damals. Schon richtig. Aber warum sollte man überhaupt etwas spielen wollen, das sich allein um das Töten dreht? Vielleicht, weil es sonst fast keine Spiele mehr gäbe?

Aufschneiden – find‘ ich gut
Dennoch ist das Retten von Leben unter den Spielern interessanterweise verpönt, während das Töten weitgehend als normal angesehen wird. Als Ende der 90er-Jahre das erste Emergency erschien, beklagte man sich darüber, dass man doch kein Strategiespiel über Unfälle machen könne. Ähnliches gilt für SOS: The Final Escape für die PlayStation 2, in welchem der Spieler einen Weg aus einer von einem Erdbeben zerstörten Stadt finden musste. Und sogar bei dem erst kürzlich erschienenen Trauma Center für Nintendos DS war zu hören, dass es doch reichlich geschmacklos sei, einen Arzt zu spielen, der Menschen operiert, um Leben zu retten. "Muss denn sowas sein?"

Hätten die Entwickler die Prämisse umgedreht, wären die Spiele wahrscheinlich nicht einmal aufgefallen. Unfälle planen? Klar, warum nicht: Das gibt Pluspunkte für schwarzen Humor. Nach einem Erdbeben eine Stadt von Zombies befreien? Sicher doch; Hauptsache, man hält eine Waffe in der Hand. Nur mit dem Aufschneiden von Menschen wird es dann etwas schwierig – aber dafür gibt es ja Spiele wie Dead Rising, welche bis ins kleinste Detail zeigen, was so unter der Haut steckt.

Töten, ja, aber bitte nur die Bösen
Es ist schon eine verquere Logik, die auf der einen Seite Millionen Tote mit dem Hinweis auf einen Krieg rechtfertigt und auf der anderen – ohne Frage tragische – Ereignisse mit ein paar tausend Opfern als widerwärtig ablehnt, weil es "Unschuldige" getroffen hat. Sterben in Kriegen keine Zivilisten? Sind Kriege nicht auch Schicksal? Und was würde passieren, wenn ein Entwickler auch mal die Gegenseite zeigen würde; zum Beispiel mit einem Ego-Shooter, in dem man ein Mitglied der irakischen Armee spielt? Oh, die Seele des braven Spielers würde kochen.

Um zum Punkt zu kommen: Vorstellungen von Moral und Ethik, so etwas wie ein Bewusstsein, dass man mit Spielen auch etwas aussagen kann, gibt es nicht – weder bei Entwicklern und Publishern, noch bei Presse und Spielern. Dass das Töten gutgeheißen und Retten verdammt wird, ist nur einer von vielen Belegen dafür. Was fehlt, ist vor allem eine klare Linie. Denn wenn man bei der Gewaltdiskussion regelmäßig damit argumentiert, dass die Spieler zwischen virtueller und realer Welt unterscheiden können, kann man nicht gegen Titel wie ‚Survivor‘ wettern, indem man auf die zu großen Parallelen zur Realität hinweist. Letztendlich lässt es sich aber wohl auf einen kleinen Nenner bringen: Was Geld macht, ist aus Prinzip gut.

Rollenspieler und Videospielumsetzungen

So „Microsoft-Tochter entwickelt Shadowrun-Videospiel!“, „Neue virtuelle Bewohner auf Dere erwartet – DSA Drakensang kommt“, „Dungeons nun online abräumbar – D&D Online ist da“ oder so ähnlich las sich in den vergangenen Monaten manche Neuigkeit aus dem PC- und Videospielmarkt und während Otto Normalkonsument dies wohl kaum graue Haare wachsen lässt, sind die Nachrichten geeignet, ganz anderen potenziellen Käufern echte Schlafprobleme zu bescheren: Den klassischen Rollenspielern.

Igitt, ein Rollenspieler!
Ihr wisst, welche Leute ich meine: So genannte Pen & Paper-Rollenspieler. Ewigbleiche Gestalten in dunklen Klamotten, die wöchentlich neue Sekten aus dem Boden heben und in düsteren Kellergewölben Satan durch Würfelorgien wieder auferstehen lassen wollen. Ähm, ja, soweit jedenfalls die klassischen Vorurteile. In Wirklichkeit sind wir – jawohl „wir“, denn der Autor dieses Beitrags zählt sich selbstverständlich zu dieser Gruppe – ein kontaktfreudiges, fröhliches Völkchen, dem Geselligkeit über alles geht, das gerne auch mal im Sommer draußen auf der Wiese seinem Hobby frönt und ungefähr genauso durchgeknallt ist wie der typische Videospieler oder Fußballfan. Pen & Paper-Rollenspieler zu sein, bedeutet nichts anderes, als sich in (un)regelmäßigen Abständen mit seinen Freunden zu treffen und gemeinsam Rollenspiele wie Shadowrun, DSA, LodlanD, D&D oder Degenesis zu spielen. Dabei erschaffen Spielleiter und Spieler durch Erzählungen lebendige Spielwelten, die allein durch ihre Fantasie und die Erzählkunst des Spielleiters begrenzt sind (eine ausführliche Erläuterung, was Pen&Paper-Rollenspiel ist, findet sich in der Wikipedia).

Aber … hier müsste eine Wäscherei sein und kein Supermarkt! Stümper!
Und genau hier liegt denn auch das Konfliktpotential in dieser Angelegenheit begraben: Pen & Paper-Rollenspieler spielen seit langen Zeiten, oft Jahren oder gar Jahrzehnten, regelmäßig ihre Abenteuer in einem Spieluniversum. Sie haben sich eine genaue Vorstellung davon erschaffen, „wie“ es in dieser Spielwelt aussieht. Dazu zählt nicht nur der Look, also wie beispielsweise der klassische Bewohner von Dere, der Spielwelt des Rollenspiels DSA, angezogen sein sollte und wie dort eine Burg auszusehen hat.

Nein, es ist mehr als das, denn es geht auch in den Bereich „Feel“: Wie verhalten sich die Menschen in dieser Spielwelt, was sind ihre Bräuche, wie würde ein Charakter in diesem Spieluniversum niemals handeln und was für Abenteuer sind dort möglich? Auf all diese Fragen geben für Rollenspieler genau zwei Dinge Antworten: Ihre eigene Erfahrung in der Spielwelt, geprägt durch oft jahrelanges Spiel, und zum anderen die Produkte, die „ihr“ Verlag zu diesem Pen & Paper-Rollenspiel veröffentlicht hat, also vor allem Bücher, aber zum Teil auch Miniaturen, Poster, besonders gestaltete Würfel, etc..

Und nun kommt ein Videospiel-Hersteller daher und gibt bekannt, dass man die Lizenz für die Spielwelt erworben habe und bereits mit der Entwicklung eines DSA/Shadowrun/D&D/…-Videospiels begonnen habe. Panik, meine lieben Leser. Pure Panik ist – glaubt man den einschlägigen Rollenspielforen und meinen persönlichen Erfahrungen – die vorherrschende Erstreaktion von Pen & Paper-Spielern auf diese Nachricht. Denn was kann im besten, aber auch wirklich allerbesten Fall passieren? Der Videospielentwickler berücksichtigt bei seinen Planungen die Erfahrungen der Pen & Paper-Rollenspieler, ihr Herzblut, das sie seit Jahren in dieses Spiel stecken und ihren unglaublichen Wissensschatz. Er bleibt eng am offiziellen Regelwerk, vermeidet Widersprüche mit den offiziellen Materialien zu diesem Rollenspiel und holt sich für die Entwicklung der Storyline seines Videospiels die Original-Autoren des Pen & Paper-Rollenspiels. Nur, wie realistisch ist das? Nicht allzu sehr, denn so „groß“ wir Rollenspieler unsere Community auch finden, so klein ist sie, wenn man sie ins Verhältnis stellt zu der Menschenmasse, mit der ein Videospielproduzent als potenzielle Käufer rechnet bzw. rechnen muss. Ein allein für Hardcore-Fans eines Pen & Paper-Rollenspiels produziertes Videospiel wird sich wirtschaftlich nicht darstellen lassen.

Von null auf unbeliebt in einer Ankündigung
Wie es vielmehr läuft, sehen wir gerade am Beispiel Shadowrun: FASA Studios, ein Videospielentwickler, der zu den Microsoft Game Studios gehört, hat im Mai bekannt gegeben, dass sie an einer Videospielumsetzung von Shadowrun für PC (Windows Vista) und Xbox 360 arbeiten, die Schätzungen zufolge im ersten Quartal 2007 veröffentlicht werden soll.

Und was bisher auf Shadowrun.com zu lesen oder zu sehen ist, lässt einem gestandenen Shadowrun-Pen & Paper-Spieler Schauer des Entsetzens den Rücken hinunter laufen. Da wird im Team-Blog der Entwickler ganz offen erzählt, dass man fast die komplette Timeline des Pen & Paper-Spiels ignorieren werde. Da zeigt ein Trailer, wie Charaktere per Magie wiederbelebt werden oder Teleportationsmagie eingesetzt wird, beides ist explizit von den Regeln des Shadowrun-Pen & Paper-Spiels ausgeschlossen. Und die Liste ließe sich über verdächtig unkompatibles Artwork und die Reduzierung eines Sci-Fi-Fantasy-Rollenspiels auf einen Teamshooter à la Counter-Strike beliebig fortsetzen. Der Respekt gegenüber dem Gewachsenen, den Vorstellungen und Wünschen der Spieler, die das Shadowrun-Universum besser kennen, als es einer der FASA-Studio-Entwickler je können wird? Sucht besser nicht danach.

Zahlen, Zahlen, ich brauche Zahlen!
Denn begeben wir uns mal auf die andere Seite und sehen das Ganze mit den Augen eines Betriebswirtschaftlers, angestellt bei einem Videospielhersteller, der sich gerade anschickt, aus einem Pen & Paper-Spiel ein Videospiel zu basteln. Seine Prämisse ist klar: Maximierung des Gewinns, der sich mit diesem Spiele-Franchise erzielen lässt. Nimmt man dies als Basis, zählt die geringe Zahl an Pen&Paper-Rollenspielern im Verhältnis zur klassischen Videospiel-Käufermenge hinzu und überlegt sich ferner noch, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit viele der Hardcore-Fans des Pen & Paper-Spiels sich das Videospiel trotz ihrer Bedenken dennoch kaufen werden (man will halt alles zu diesem Spiel haben bzw. mitreden können), warum sollte der Betriebswirtschaftler dann seinen Jungs raten, das Spiel möglichst an den Fans der Pen & Paper-Vorlage auszurichten?

Vielmehr wird das Videospiel auf Massentauglichkeit getrimmt, bei der lästige Regelvorgaben, Hintergründe und Weltdetails des Pen & Paper-Rollenspiels meist nur im Wege stehen. So kommt es dann, dass aus einem vielschichtigen Cyberpunk-Rollenspiel à la Shadowrun ein quietschbunter Counter-Strike-Abklatsch (wenn man den bisherigen Trailern dies so entnehmen kann) wird.

Und daher lässt sich auch nachvollziehen, warum auch die Meldung des neuen DSA-PC-Rollenspiels Drakensang nicht nur zu Jubel in der Pen & Paper-Gemeinde geführt hat. Als Pen & Paper-Rollenspieler hofft und bangt man, dass die Entwickler wenigstens halbwegs bei der gewohnten Spielwelt bleiben, sich die Widersprüche in Grenzen halten und befürchtet einen billigen Abklatsch, der so gar nicht zu dem passen will, was man selbst in jahrelangem Spiel an Vorstellungen und Bildern in seinem Kopf hat entstehen lassen.

Und, wie geht es uns denn heute?
Letztlich ist das Schlaueste, was man als Pen & Paper-Liebhaber machen kann: Die Videospielumsetzung wie einen Kinofilm zu seinem Lieblingsbuch zu nehmen – als eine nette Erfahrung, aber nichts, was das eigene, bereits vorhandene Bild im Kopf beeinflussen könnte. Also die Videospiele gelassener sehen und weniger Panik schieben. Denn sehen wir der Wahrheit ins Auge: Detailgetreue Umsetzungen unserer Lieblinge sind wirtschaftlich kaum machbar (größerer Aufwand = höhere Kosten = nicht vereinbar mit Grundgedanke einer Videospielindustrie) und daher unrealistisch zu erwarten. Außerdem würde es uns nichts nutzen, wenn es doch einmal ein Entwickler riskieren würde: Aller Wahrscheinlichkeit nach wäre das Spiel dann nur für eine so kleine Zielgruppe (nämlich uns) interessant, dass die Verkaufszahlen das Videospiel in kürzester Zeit beerdigt hätten. Dieses Rollenspiel-Franchise würde mit ziemlicher Sicherheit in den nächsten Jahren von keinem Videospielhersteller nach den negativen Erfahrungen mehr angefasst, womit uns auch nicht gedient wäre. Somit ist es letztlich ratsamer, massentaugliche Umsetzungen unserer geliebten Rollenspielwelten zu erwarten, sie als nette Nebenherunterhaltung zu nehmen und wenn doch mal eine gute Anregung aus einem derartigen Videospiel resultiert, diese mitzunehmen. Denn die wirklichen Abenteuer, die sich nie gleichen, deren Ausgang stets unvorhersehbar ist und die wir im gemeinsamen Spiel mit unseren Freunden erleben, werden wir weiterhin nur in unseren Pen & Paper-Rollenspielen haben und nicht in ihren Videospielumsetzungen. Aber ist das wirklich so schlimm?

Ein neues Zeitalter?

Anders als ich vor Tagen befürchtete, ist es mit der E3 nicht ganz vorbei. Sie wird nur neu. Keine 50.000-Mann Messe für alle, die glauben mit der Branche zu tun zu haben, sondern ein beschauliches Event nur für Entwickler, Händler und Publisher. In großen Hotel-Konferenzsälen soll sie stattfinde. Nicht mehr im Mai, sondern im Juni wird sie ausgetragen. Mancher jubelt, hofft auf eine bessere Messe – auf die guten Auswirkungen des Wegfalls von funkelnden Booths und Babes. Doch sehen wir uns das Ganze etwas genauer an.

Tom, wer hat die E3 nun eigentlich gekillt? Wennn wir es uns einfach machen, und darauf vergessen, dass eine solche zentrale Messe im Internetzeitalter vielleicht wirklich nicht mehr zeitgemäß ist, dann müssen wir den großen Playern die Schuld zuweisen. Die wollten ihren Wahnsinn einfach nicht mehr fortsetzen und die Millionen für überdimensionale Stände lieber in eigene bzw. kleinere aber spezifischere Events investieren. Prompt zogen sie ihre Unterstützung für das Mega-Spektakel zurück. Der Veranstalter springt natürlich sofort, wenn Sony & Co es wünschen.

Was bedeutet der Messetod für Entwickler? Wer große Publisher im Rücken hat, der braucht sich keine Sorgen zu machen. Die finanzkräftigen werden immer Wege finden, die Öffentlichkeit zu erreichen. Schwieriger wird es für kleine Teams – Indies und Start-Ups. Auf der E3 war einmal jährlich die ganze Spielewelt in Los Angeles und so konnten Journalisten, Publisher und Händerl auch mit der Nase auf die kleinen aber feinen Produkte gestoßen werden. Das fällt weg. Bitter ist das auch ganz einfach für europäische Produktionen, die in den USA ohnehin oft einen schweren Stand haben.

Und was machen Publisher? Auch hier: Große werden eigene Messen veranstalten, so wie Microsoft seine X, die einmal im Jahr stattfindet. Kleinere und Mittelgroße haben das Geld für solche Späße wohl nicht. Ihre Öffentlichkeitsarbeit wird erschwert. Es ist zu erwarten, dass sie versuchen die Presse bei kleinen Events zu versammeln und so in die Medien zu kommen. Spannend wird sein, ob die Schlüsselmedien es sich wirklich dauerhaft leisten wollen, auch bei nicht ganz so wesentlichen Herstellern zu hofieren. Meine Zweifel dürften für jeden zu wittern sein.

Wird die Games Convention nun wichtiger? Das wird abzuwarten sein. Natürlich gewinnt sie dank ihrer Größe nun an Bedeutung für die Öffentlichkeit. Andererseits ist schwer vorstellbar, dass Entwickler, die nun keine Ressourcen mehr für E3 Demos aufwänden müssen, sich zu viel antun werden, um in Leipzig ein Mordsspektakel abzuliefern. Die zeitliche Nähe zur neuen E3 könnte ebenfalls zum Problem werden. Wer 1-2 Monate zuvor doch etwas für Los Angeles gebaut hat, wird ziemlich sicher genau dasselbe auch auf der GC zeigen. Eine kleine Materialrecycling-Welle wäre möglich.

Und der Rest? Für den Rest der Branche wird es auch nicht toll sein, dass die E3 wegfällt. Wo zeigen nun Entwickler der Presse ihre Produkte? Müssen Magazine noch mehr umher reisen? Können sich die Kleineren das leisten (und vor allem die Europäischen)? Und was ist wiederum mit den US-Giganten wie Gamespot und IGN, bei denen ein Wesentlicher Grund für deren Bezahlservice (die geniale Coverage aus Los Angeles) nun zu versickern droht.

Was ist dein Fazit, Tom? Ach, das könnt ihr euch doch denken. Ich bin weder begeistert, noch überzeugt. Das Tolle an der alten E3 waren nicht die Fotos von den Babes, nicht die neuesten Videos von einem Hype-Spiel das man mittlerweile aus allen Perspektiven kennt. Die E3 war eine Veranstaltung die auch mal in Mainstreammedien erwähnt wurde und schon allein deshalb von immenser Bedeutung für die Branche. Dass es für die "Kleinen" nun noch schwerer wird, eine Öffentlichkeit für ihre Projekte zu erzeugen und Kontakte zu knüpfen, hinterlässt einen fahlen Nachgeschmack. Ich möchte hoffen, dass nun andere Events Aufmerksamkeit von Presse und Spielern geschenkt bekommen. Schon mal was vom <a href="http://www.igf.com/" target="_blank">Independent Games Festival</a> gehört? Nein? Zeit wirds…

Träger der Innovationen?

Es ist gut zwei Jahre her, dass ich diesen <a class="gross" href="http://gameswelt.de/pc/news/topnews_detail.php?item_id=41722" target="_blank" class="gross">Kommentar</a> schrieb mit dem Tenor „Spiele sind langweilig geworden.“ Seitdem hat sich einiges verändert: Nintendo hat den DS veröffentlicht und damit den Handheldmarkt umgekrempelt, einzigartige, innovative Titel wie Fahrenheit oder Katamari Damacy sind erschienen und mit dem Wii steht vielleicht bereits die nächste Revolution vor der Tür. Entscheidend für diese ersten Schritte hin zu einer besseren Spielewelt war aber wahrscheinlich etwas, das den so genannten Hardcore-Gamern eigentlich einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt: Der Mainstream.

Wer gegen wen?
Wie oft haben wir in den letzten Jahren lesen müssen, dass ein Spiel doch nicht die hohen Erwartungen der Fans erfüllen konnte, weil es „zu stark an den Massenmarkt angepasst“ wurde? Sei es ein Deus Ex: Invisible War, ein Prince of Persia: Warrior Within oder ein Jak 2 – sie alle haben eins gemeinsam: Um mehr Käufer zu finden, wurden sie vereinfacht, massenkompatibler gemacht, bis sie mit ihren Vorgängern nur noch wenig gemein hatten. Manchmal schlugen sich die Veränderungen in besseren Verkaufszahlen nieder, manchmal auch nicht. Eines steht jedoch fest: Der Mainstream ist verhasst. Zu sagen, ein Spiel würde sich mehr auf den Mainstream fokussieren, kommt heute schon fast einem Todesurteil gleich. Und doch…

Von EyeToy bis Animal Crossing
Auf der anderen Seite hat der Mainstream Spiele ermöglicht, deren Erfolg oder gar Entwicklung vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Sonys SingStar etwa, das sich den Pop- und Superstar-Rummel zu Nutze machte und eine ganz neue Art des kompetitiven Spiels auf die Konsole brachte. Oder EyeToy, dessen Spiele in Sachen Vielfalt und Abwechslung zwar sehr limitiert sind, aber auch Menschen vor den Fernseher holen, die beim Anblick eines Gamepads Ausschlag bekommen. Nicht zu vergessen Animal Crossing: Wild World, das wohl erste interessante Multiplayerspiel, bei dem es mal nicht um das Töten oder Besiegen möglichst vieler Kontrahenten geht, sondern um die Gemeinschaft, das gegenseitige Unterstützen. Oder Brain Age, dem die Kombination aus Lernprogramm und Spiel überraschend gut gelang. Die Liste ließe sich noch weiter führen.

Stillstand in alten Genres
Dem Mainstream und der vielfach verurteilten Konzentration auf den Casual Gamer ist es also gelungen, neue Spielideen zu verwirklichen, frischen Wind in die eintönigen virtuellen Welten zu bringen. Und gleichzeitig tritt der Hardcore-Markt nachwievor auf der Stelle. Ego-Shooter sind zwar realistischer, schöner und atmosphärischer geworden, doch neue Versuche wie etwa die Integration von Elementen aus anderen Genres schlugen weitgehend fehl. Ein SiN Episodes oder Half-Life 2 spielt sich nicht viel anders als die im letzten Jahrhundert erschienenen Vorgänger. In Echtzeit-Strategiespielen sammeln wir seit Dune 2 brav Ressourcen und von dem steinzeitlichen Gameplay der Point & Click-Adventures will ich gar nicht erst anfangen.

Kann es wirklich sein, dass viele Genres rund zwanzig Jahre nach ihrer Erfindung schon ihren kreativen Zenit überschritten haben? Haben die Entwickler bereits all ihre Ideen verschossen und ist Innovation wirklich nur noch dann möglich, wenn neue Zielgruppen erreicht werden sollen? Wenn man sich anschaut, mit welchen Spielen beispielsweise Microsoft seine Xbox 360 in den nächsten Monaten an die Spitze bringen will, dann muss man die Frage wohl mit „Ja“ beantworten. Einfallslose Shooter und Action-Rollenspiele in noch einfallsloseren Science-Fiction-Settings – das kann doch nicht alles sein!

Hardcore in die Nische?
Leider ist es das aber wohl, denn Kreativität wurde von den vermeindlich so pingeligen Hardcore-Gamern in der Vergangenheit immer wieder verschmäht. Die Handlungsfreiheit eines ‚Deus Ex‘ etwa würde für fast jedes Genre eine echte Bereicherung darstellen, kam aber nicht gut an und verschwand daher wieder in der Versenkung. Lustigerweise manövrieren sich die Hardcore-Gamer durch ihr Kaufverhalten allerdings in genau die Nische, in der sie einst die Gelegenheitsspieler, den Mainstream, gesehen haben. Und da wieder rauszukommen, dürfte schwierig werden, wenn man sich die Verkaufszahlen und den vergleichsweise geringen Entwicklungsaufwand der besagten Animal Crossing: Wild World, SingStar oder EyeToy ansieht.

Vielleicht wird es in nicht allzu ferner Zukunft also genau andersherum sein: Der Mainstream bestimmt den Markt, bestimmt, was entwickelt wird – und jammert möglicherweise sogar, wenn ein Spiel zu sehr auf Hardcore-Gamer abzielt. Eine spannende Entwicklung.

Mehr Einstein für alle!

Die werten Kollegen von Working-Title haben kürzlich einen Artikel mit Hinblick (<a href="http://www.working-title.de/artikel.php?artikel_id=87&page=1" target=“_blank“>hier zu finden</a>) auf die kommenden Physikbeschleuniger von AGEIA veröffentlicht. Ihem Urteil gehen wir im Folgendenen auf die Spur.

Natalie Maertens schreibt in ihrem Artikel "Das Spiel mit der Physik" folgendes Fazit: "Die Einsatzmöglichkeiten von Physik sind begrenzt und ein Spiel nur um ein paar Physikeffekte herumzubauen, dürfte unmöglich sein. Und so mag auch ein PhysX zwar hübschere Explosionen hervorbringen, bei einer realistischeren Darstellung von Nebel und Rauch mitwirken – aber zu einer Verbesserung der Spiele, zu neuen Möglichkeiten wird es nicht führen. ‚Oblivion‘ oder ‚GTA‘ zeigen, was virtuellen Welten Tiefe und Glaubwürdigkeit verleiht. Physik zählt nicht dazu."

Ich bin geneigt – ohne es böse zu meinen – ganz einfach "Falsch!" zu schreien. Die gute Frau Maertens sitzt einer zu engen Sichtweise auf. Die Physik ist für Spielwelten keineswegs nur eine nette Spielerei. Es ist viel mehr neben der KI einer der vielleicht letzten großen Bereiche in Spielen, die noch deutlich verbessert werden können und müssen.

Half-Life 2 mit seiner Phys-Gun, die fast alles in den Levels aufheben und realistisch umherschießen konnte, war doch nur ein kleiner, nahezu belangloser Ansatz für das, was wir in Zukunft noch erwarten dürfen. Gerade die positiven Beispiele, die meine Kollegin nennt, zeigen kurioserweise, was Spielen von heute noch abgeht. Und das ist in einem Wort "Interaktivität", die nunmal mit bisherigen Methoden nicht so einfach zu erreichen ist. Wie cool könnten die Welten von GTA noch werden, wenn man nicht nur ein paar Autos verschrotten und Passanten verdreschen könnte, sondern mit einem Sattelschlepper ganze Gebäude umreissen könnte? Heute endet die Reise von weltrettenden Helden und städtebeherrschenden Gangstern oft noch an simplen Holzzäunen, wenn die Entwickler nicht mühsam ein paar Planken mit eigenen Scripts versehen haben.

Zu behaupten, die Physik als Grundlage unseres täglichen Lebens würde nicht zur Verbesserung der Glaubwürdigkeit von Spielwelten beitragen, stößt bei mir auf Verwunderung. Tun zu können, was uns gerade einfällt, ist eine der größten Freuden die wir in Spielen erleben. Niemand kann mir erklären, er würde es nicht genießen, wenn man in Strategiespielen gegnerische Festungen mit mächtigen Steinschlägen vom nahestehenden Berg auslöschen könnte. Und bin ich der Einzige, dem bei der Vorstellung, dass virtuelles Wasser nicht nur toll aussehen, sondern sich auch realistisch verhalten könnte, ganze MMORPG-Konzepte einfallen, die darauf aufbauen?

Die Physik wird überall an Bedeutung gewinnen. Bei neuen Adventure-Rätseln, bei interaktiven Welten und der taktische Nutzung der Umwelt in Strategiespielen, Simulationen, MMORPGs, Sportspielen oder Shootern bis hin zu den kleinen Feinheiten realistischer Explosionen oder beschneite Berge hinabrollender Schneebrocken. Wenn der Minimalismus aus den Köpfen der Entwickler sich erstmal den großen, neuen Möglichkeiten geöffnet hat dürfen wir uns daran erfreuen. Und angesichts der breiten Unterstützung AGEIAs und anderer Konzepte durch Projekte wie der Unreal Engine 3 bis hin zu <a href="http://www.stokedrider.com" target="_blank">Stoked Rider</a>, ist das bereits absehbar.

Insgesamt lautet die Frage nicht, OB wir künftig mehr Physik in Spielwelten brauchen. Es würde von Kleingeist zeugen, sich darüber Gedanken zu machen. Entscheidend ist, WIE wir diese Verbesserung erreichen. Das kann zum Beispiel über Multicore-CPUs, Zusatz-Chips auf Grafikkarten oder eben eigene Physikkarten geschehen. Eigentlich ist völlig egal was sich durchsetzt. Niemand wird uns diese Leistungen schenken – die Spieler müssen zahlen. Aber dabei wie viel er zu zahlen bereit ist, müssen sich die Hersteller immer orientieren. Kein Grund zur Panik also. AGEIA ist einer der Pioniere auf diesem Hardwaregebiet. Als solcher kann man zerschmetternd scheitern oder famos triumphieren. Die Idee an sich hat längst gewonnen. Freuen wir uns auf das Neue.

<li>Link: <a href="http://forum.rebell.at/viewtopic.php?t=3839" target="_blank">Umfrage & Diskussion (keine Registrierung notwendig)</a></li>

Handlung wo bist du?

Man muss sie mit der Lupe suchen, Spiele mit einer guten und glaubwürdigen Hintergrundgeschichte. Dabei sind Spieler von Haus aus anspruchslos. Müssen sie auch. Gerade wer gerne zur virtuellen Waffe greift, kennt das Grauen nur zu gut. 2. Weltkrieg hier, abgedroschenes SciFi-Szenario da. Wenn es dann etwas mehr Originalität sein darf, wird’s meist arg gruselig. Mehr ist dann auch schon nicht drin.

Halt! Es gibt doch noch F.E.A.R., Condemned, Half-Life 2 oder die NOLF-Serie. Klar gibt es die. Nur kommen sie entweder von ein und demselben Entwickler (F.E.A.R., Condemned, NOLF-Serie), oder sie bewegen sich in den alt bekannten Handlungsschubladen. Außer Horror oder SciFi bietet dann nur noch NOLF ein komplett anderes Szenario. Eim bisschen wenig Auswahl innerhalb von drei Jahren, nicht wahr? Okay, gut erzählt und spannend sind die Geschichten aller vier Beispiele. Und uns als Spieler reicht so was ja schon einmal prinzipiell vollkommen aus. Wie gesagt, wir sind hart im Nehmen.

Aber wo bleiben die Innovationen? Wo wird man als Spieler heute noch richtig überrascht? Bis auf Psychonauts – bezeichnenderweise kein Egoshooter – fällt mir aktuell kein Titel ein, wo ich sowohl das Szenario als auch die Hintergrundgeschichte nicht schon in x-beliebig vielen Titeln vorher gesehen hab. Der Wow-Effekt war hier seit langem mal wieder zu spüren. Und nein, ich spreche hierbei nicht von grandiosen Effekten und ultrarealistisch nachgebildeten Spielwelten, sondern einfach von einer erfrischend neuen Hintergrundgeschichte.

Ego-Shooter sind übrigens beileibe nicht das einzige Genre, das von dieser Seuche befallen ist. Auch Echtzeitstrategen müssen mittlerweile sehr leidensfähig sein. Außer SciFi-Phantasien, Fantasy-Welten oder irgendwelchen mehr oder weniger historischen Kriegszenarien gibt’s kaum mehr Auswahl. Ebenso wie bei ihren Kläschbumm-Kollegen gibt’s auch hier gut gemachte Spiele (C&C Generals, Act of War, Schlacht um Mittelerde), richtig frische Ideen sucht man aber auch hier meist vergebens.

Wer will pickt sich dann einfach diese Rosinen raus und wird dann sicherlich bestens unterhalten. Wer jedoch mehr will, der muss meist in die Röhre schauen. Sozialkritische Elemente? Fehlanzeige! Nebencharaktere mit Profil? Eher die Ausnahme als die Regel! Überraschende Wendungen? Selten und wenn dann arg konstruiert.

Übrigens spreche ich hier die ganze Zeit von besseren Titeln ihrer Zunft. Wer sich durch den Einheitsbrei aus Shootern und RTS kämpft, weiß wovon ich rede. Da werden irgendwelche Supersoldaten erschaffen (Übersoldier), irgendwelche außerirdischen Mutanten bedrohen die zivilisierte Welt (Quake 4), oder man muss die Welt vorm atomaren Supergau retten (Hammer & Sichel). Meist präsentiert sich die Handlung dann in irgendwelchen uninspiriert zusammengeschusterten Zwischensequenzen, wo die Sprecher der einzelnen Figuren so viel Atmosphäre versprühen wie die durchschnittliche Verkaufstante bei HSE oder QVC. Hier nimmt das Übel dann seinen gewohnten Verlauf und gäbe es nicht ordentlich was zu Gucken, niemand würde so einen Dreck freiwillig bis zum bitteren Ende aushalten.

Nur wer ist Schuld an dieser Misere? Zum einen sicherlich die Industrie, die fehlende Originalität bei der Geschichte durch optische Orgien ausmerzen will, zum anderen aber auch der Konsument, der sich beim Kauf eher an der Grafik als an einer gut erzählten Hintergrundgeschichte orientiert. Es gibt auch hier wieder Ausnahmen, nur reichen ein paar Ausnahmen halt nicht, um einen Titel zu verkaufen. Da ist es schon Balsam für meine Wunden, wenn eine Firma wie Ascaron für ihren neuen Weltraumshooter eine Romanautorin für die Hintergrundgeschichte engagiert. Trotzdem ist es bezeichnend, dass ein Titel wie Indiana Jones and the Fate of Atlantis vor mehr als vierzehn Jahren mehr an Handlung bot, als es so manch einem Adventure heute vergönnt ist.

Bei der Präsentation mögen wir zwar im Industriezeitalter angekommen sein, die Handlung vieler Spiele scheint sich seit der Steinzeit allerdings kaum weiterentwickelt zu haben.

<li>Hat der Autor Recht oder gehören ihm ordentlich die Leviten gelesen? Platz für Meinungen bietet der <a href=“http://forum.rebell.at/viewtopic.php?p=103290″ target=“_blank“>passende Thread im Rebell.at-Forum.</a></li>

Schwierigkeitsgrade: Flexibel wie Beton.

Der dritte Level kostet mich Nerven. Mindestens zwanzig Minuten springe ich schon von Vorsprung zu Vorsprung, hangele mich zitternd an Klippen entlang, räume einen Gegner nach dem anderen aus dem Weg. Und dann das: Die Lebensenergieanzeige beginnt, bedrohlich rot zu blinken, weil ich eine Falle im Boden übersehen habe. Mein Held schleppt sich nur noch mit schweren Schritten voran. Der Ausgang ist nicht mehr fern, doch plötzlich stellt sich mir ein weiterer Feind in den Weg und landet den entscheidenden Treffer. Game over, ich muss von vorne beginnen. Frustriert werfe ich das Gamepad auf den Tisch und schalte die Konsole erst einmal aus. So schnell werde ich das nicht wieder versuchen.

Kein Herz für Anfänger
Situationen wie diese sind keine Ausnahme mehr: Immer häufiger verzweifle ich schon an den ersten Missionen, sterbe zig Tode, wiederhole etliche Passagen ein dutzend Mal. Und dabei halte ich mich mit meinen rund siebzehn Jahren Erfahrung eigentlich für keinen besonders schlechten Spieler. Wie muss es da erst einem Neuling gehen, der noch nicht so geübt, mit den gängigen Spielmechaniken noch nicht so vertraut ist? Denn selbst auf „Easy“, sofern diese Option überhaupt angeboten wird, arten viele Spiele heutzutage in Arbeit aus. Das mag früher nicht ganz anders gewesen sein, aber da war der typische Spieler auch ein anderer; Gelegenheitsspieler gab es kaum. Inzwischen aber versuchen viele Unternehmen gerade diese Gruppe zu erreichen – wäre es da nicht an der Zeit, dem Spieler mehr entgegegen zu kommen?

Flexibel wie Beton
So wenig die Spiele von heute mit den Klassikern von gestern gemein haben, so sehr ähnelt sich die Gestaltung des Schwierigkeitsgrads: Bei Actionspielen lässt sich die Treffsicherheit und Konstitution der Gegner normalerweise in drei bis fünf Stufen variieren, bei Sporttiteln das Geschick der Kontrahenten rauf- und runterschrauben, im Strategiegenre die Aggressivität des feindlichen Befehlshabers verändern. Um das etwaige Versagen des Spielers aufzufangen, gibt es Lebensenergie, Bonus-Leben und entweder Speicherpunkte oder die Möglichkeit des freien Speicherns. Alles keine besonders durchdachten Lösungen: Ständiges Speichern und Laden zerstört den Spielfluss, das manuelle Senken des Schwierigkeitsgrads kommt einer Demütigung gleich. Noch schlimmer sieht es aber bei Adventures aus: Wer da an einem Rätsel hängenbleibt, kann in der Regel nur auf eine Komplettlösung zurückgreifen, wenn er das Spiel nicht vorzeitig in den Schrank stellen oder bei eBay versteigern will. Das ist doch absurd.

Das Ganze gleich nochmal…
Die geringe Einflussnahme des Spielers auf den Schwierigkeitsgrad ist ein Problem, welches den Entwicklern vielmals aber nicht ganz ungelegen kommt: „Künstliche Spielzeitverlängerung“ wird das in Tests meistens genannt, wenn freies Speichern nicht möglich ist und Speicherpunkte geizig verteilt wurden. Indiana Jones und die Legende der Kaisergruft war so ein Fall: Die Arbeit einer halben Stunde konnte in Sekundenschnell bei dem kleinsten Fehler verlorengehen. Aber nicht nur dann, sondern auch wenn dem Spieler irgendwann im Laufe eines Levels die Lust oder Zeit ausging und er es vorzeitig beenden musste. Auf der anderen Seite stehen Beispiele wie Far Cry, bei dem Entwickler Crytek zu Beginn bewusst auf die Shooter-typische Quicksave-Funktion verzichtete, um die Spannung zu erhöhen und vorsichtiges Vorgehen zu fördern. Der Aufschrei der Spieler war so groß, dass schnell ein Patch nachgeschoben wurde, der Quicksave mit sich brachte.

Alternativen
Welche Möglichkeiten gäbe es also, den Schwierigkeitsgrad flexibler zu gestalten? Nun, das ist natürlich vom Genre abhängig. Bei Adventures etwa ist der vom Spieler gesteuerte Hauptcharakter doch sehr selten auf sich allein gestellt. Warum ist es dann nicht möglich, bei einem schwierigen Rätsel einen Begleiter persönlich oder etwa per Handy um Hilfe zu bitten? Oder zusätzliche Hinweise auf die Lösung einzubauen, welche den Spieler vielleicht den ein oder anderen Umweg kosten, ihm dafür aber letztendlich das Gefühl geben, es selbst geschafft zu haben? Verzweifelt man bei einem Action-Adventure oder Jump’n’Run immer wieder an ein und derselben Stelle, warum merkt das Programm das nicht und bietet für diesen Punkt seine Hilfe an? Ist es nicht auch möglich, festzustellen, wie „geschickt“ sich ein Spieler bewegt und unter Umständen zum Beispiel bei knappen Sprüngen ein Auge zuzudrücken, wenn er einen Fehler macht?

Wäre es bei einem Ego-Shooter nicht viel schöner, wenn sich die Gegner auf den Spieler einstellen würden und unterschiedlich agieren könnten? Wenn es nicht mehr „Easy“, „Normal“ und „Hard“ gäbe, sondern „wenig fordernd“, „fordernd“ sowie „sehr fordernd“ und der Grad der Herausforderung von dem Spieler abhinge? Ja, das wäre toll – und es würde Spiele so viel mehr voranbringen als sterbenslangweilige Physik-Effekte oder die x-te Pixel-Shader-Version.

Kopierschützer greift ins Klo

StarForce wäre ein hübscher Name für ein Weltraumspiel, ist aber der Name einer Kopierschutzfirma. Die hat ein Problem: während ein Großteil der Spiele-, Musik- und Filmindustrie allein terroristische Konsumenten für das kommerzielle Scheitern ihrer Produkte verantwortlich macht und so Firmen wie StarForce stärkt, zeigt das kleine Label Stardock, wie man Verkaufsrekorde bricht. Sein Spiel <a href="http://www.galciv2.com/" target="_blank">Galactic Civilizations II</a> besitzt keinen Kopierschutz, verkauft sich derzeit wie verrückt und rüttelt so auf deutliche Weise an der Daseinsberechtigung von StarForce. Jetzt hat ein StarForce-Mitarbeiter eine illegale Downloadquelle zu eben diesem Spiel verlinkt. Hallo Skandälchen!

StarForce war nie beliebt. Ihr Kopierschutz greift tief <a href="http://technohack.blogspot.com/2006/02/beware-of-starforce-copy-protection.html" target="_blank">ins Windows-System ein</a>, wird nicht automatisch wieder deinstalliert, kann angeblich <a href="http://www.alwaysbeta.com/2006/02/28/the-rootkit-of-all-evil/" target="_blank">DVD-Laufwerke töten</a> und angeblich die Onlinesicherheit des Rechners gefährden. Ich schreibe übrigens »angeblich«, weil ich so ungern <a href="http://www.heise.de/newsticker/meldung/69075" target="_blank">verklagt werde</a>.

Ein Nutzer im hauseigenen StarForce-Forum hat nun mit Bezug auf Galactic Civilizations II (kurz: GalCiv2) sachte darauf hingewiesen, dass »Spiele, die ohne Kopierschutz veröffentlicht werden, kein kommerzielles Desaster« darstellen. Diese für Kopierschützer welterschütternde Nachricht muss irgend etwas in Admin »JM« wachgerüttelt haben, womöglich den lange schlummernden Minderwertigkeitskomplex, denn seine Antwort darauf ist wie folgt:

"[…Link zu illegaler Torrent-Downloadquelle von GalCiv2…]
Jetzt im Moment laden mehrere Tausend Leute die raubkopierte Version von eben dieser Website herunter. Ist das gut für die Verkaufszahlen? Kaum. Ein gutes Spiel hätte hohe Verkaufszahlen sicher auch ohne Kopierschutz, aber nicht deswegen. Ein guter Schutz ist das Werkzeug, um den Absatz zu erhöhen.
" (<a href="http://www.star-force.com/forum/index.php?showtopic=670" target="_blank">StarForce-Forum</a>)

Hat der Kopierschützer also mal schnell ’ne Raubkopie verlinkt. Von einem zwar erfolgreichen, aber verdächtigerweise nicht kopiergeschützten Produkt. Kann man jetzt 1 und 2 zusammenzählen. Muss man nicht. Wie StarForce selber als Geschädigter auf so einen Fall reagiert hätte, möchte ich hier nicht öffentlich vermuten. Ich werde so ungern verklagt. Die Macher von GalCiv2 hingegen reagierten gelassen, <a href="http://forums.galciv2.com/index.aspx?forumid=161&aid=106741&c=1" target="_blank">gaben ein Statement ab</a> und schrieben mehrere Torrent-Sites an, die den betreffenden Link daraufhin entfernten.

Inzwischen hat sich StarForce bei Stardock <a href="http://www.star-force.com/forum/index.php?showtopic=670&st=60" target="_blank">öffentlich entschuldigt</a>, Entwickler Brad Wardell gibt ein <a href="http://www.gamespot.com/pages/news/story.php?sid=6145864&page=0" target="_blank">Interview auf GameSpot</a> und GalCiv2 führt die PC-Verkaufshitlisten an. Übrigens vollkommen zurecht. Das muss man mir jetzt einfach glauben. Bis zu unserer ausführlichen Rezension noch in dieser Woche jedenfalls.

Außerdem <a href="http://www.glop.org/starforce/" target="_blank">rufe ich nicht dazu auf</a>, Software mit StarForce-Schutz zu boykottieren und bezeichne ihren Kopierschutz weder als Virus noch als Rootkit. Nie im Leben! Ich werde so ungern verklagt.

"I think the most effective way of increasing sales is probably to make games people want to buy. But I’m an engineer, not a marketer so what do I know?" (<a href="http://forums.galciv2.com/index.aspx?forumid=161&aid=107193&c=1" target="_blank">Brad Wardell</a>)

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Anm.: Der Text von Matthias Oborski erschien <a href="http://d-frag.de/blog/2006/03/14/kopierschuetzer-greift-ins-klo" target="_blank">ursprünglich</a> unter der Creative Commons-Lizenz auf <a href="http://www.d-frag.de" target="_blank">d-frag.de</a>. Wir bedanken uns dafür, dass er uns die Worte aus dem Mund nimmt.

Was Spiele und One-Night-Stands gemeinsam haben.

Gute Charaktere sind das Salz in der Suppe einer interessanten Geschichte. Spiele wussten diese These schon früh zu beherzigen: Mit Guybrush Threepwood rätselten wir uns lachend durch ‚Monkey Island‘, mit der toughen Lara Croft erkundeten wir in ‚Tomb Raider‘ die düstersten Ruinen und mit dem Duke lehrten wir nicht nur fiesen Monstern sondern auch etwas zu freizügigen Frauen das Fürchten. Und heute? Da schlagen wir uns mit Langweilern wie Martin Holan in ‚Nibiru‘, 08/15-Figuren wie Sam Fisher oder gleich gänzlich namenlosen „Helden“ herum.

Doomguy oder Duke Nukem?
Natürlich gab es heute wie früher Ausnahmen: Die Ego-Shooter von id Software beispielsweise hatten viele Vorzüge, aber wen spielte man eigentlich in ‚Doom‘? Irgendeinen unbekannten Marine; den Doomguy eben. Auf der anderen Seite hat Quantic Dream erst im vergangenen Jahr mit Lucas Kane in ‚Fahrenheit‘ einen der besten Protagonisten der Spielegeschichte erschaffen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber im Großen und Ganzen lässt sich festhalten: Die interessanteren Charaktere hat das letzte Jahrtausend hervorgebracht. Wer weiß schon, dass der Held von ‚Medal of Honor: Pacific Assault‘ Tom Conlin hieß? Und selbst bei dem mehrfach als Spiel des Jahres 2005 ausgezeichneten ‚Resident Evil 4‘ kommt der Name nur schwer über die Lippen: Leon – aber weiter?

Spiele = One-Night-Stands?
Um sich mit einem Charakter identifizieren zu können, sich mit ihm anzufreunden, ihn zu mögen, muss man etwas über ihn erfahren. Der Spieler muss seine Stärken und Schwächen kennenlernen, sein Denken und Handeln verstehen. Was würde ich in dieser Situation machen, fragt man sich regelmäßig bei Filmen. Aber bei Spielen? Da bangt und zittert keiner um die Figuren; wenn ihnen etwas passieren sollte, sie vielleicht sogar sterben, dann ist das eben so. Kein Grund, um sie zu trauern, das nächste Level wartet ja schon. Weiter geht’s! Spiele haben dadurch ein bisschen etwas von einem One-Night-Stand. Kurze Begrüßung, ein bisschen miteinander spielen und dann am nächsten Morgen fragen: Wie hießt Du nochmal?

Kein Platz für Gefühle
Wenn die Identifikation schon schwerfällt, dann sollte der Charakter zumindest einprägsam sein – aber sogar Entwicklern wie Nintendo bereitet das inzwischen Probleme. Hat man früher innerhalb weniger Jahre Helden wie Mario, Link und Samus aus dem Ärmel geschüttelt, mussten wir uns zuletzt mit Figuren wie Captain Olimar aus ‚Pikmin‘ oder John Raimi aus ‚Geist‘ zufriedengeben. Eigentlich aber nur ein logischer Prozess: Wo vor fünfzehn Jahren noch Drei-Mann-Teams in ihren Zimmern hockten, sind heute unter Umständen hunderte an einer Entwicklung beteiligt. Dass dabei die Seele und die Liebe zum Detail verlorengeht, ist verständlich. Nur merkt man es bei den Charakteren noch deutlicher als bei vielen anderen Elementen eines Spiels. Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage: Will die Mehrheit der Spieler überhaupt vorgefertigte und einigermaßen glaubwürdige Charaktere? Solange die Geschichten im Wesentlichen nicht über das Niveau eines unterdurchschnittlichen Actionfilms hinauskommen, wirken vielschichtigere Figuren wohl deplatziert. Möchte ein Shooterspieler wirklich erfahren, ob sein Held beim Töten ein schlechtes Gewissen hat, ob ihm sein „Job“ auf die Psyche schlägt, ihn Albträume quälen? Vermutlich nicht.

Der eigene Wille
Noch wichtiger ist jedoch: Soll der Spieler eigentlich jemand anderen verkörpern als sich selbst? Titel wie ‚Die Sims‘ haben zweifelsohne auch deshalb so großen Erfolg, weil man seine eigene Familie im Spiel nachbauen kann. Und war nicht eines der coolsten Features von ‚Worms‘ immer, dass man den dem Tode geweihten Würmern Namen von verhassten Mitmenschen geben konnte? Wollen wir in Rollenspielen einen schleimig-strahlenden Helden spielen oder möchten wir selbst entscheiden, wie wir handeln?

Die Abkehr von starken und einprägsamen Charakteren muss nicht unbedingt etwas Schlechtes für die Spiele bedeuten – zumindest dann, wenn es die Entwickler bewusst machen und nicht bloß aus Faulheit oder mangelnder Kreativität auf die Ausarbeitung eines interessanten Protagonisten verzichten. Langfristig kann es sicher ein Ziel sein, dass wir in jedem Spiel uns selbst spielen. Heute metzele ich Monster, morgen löse ich einen Mordfall, übermorgen suche ich nach verschollenen Schätzen. Dann wird das Erzählen von guten Geschichten aber umso schwieriger.

Über den Sinn und Unsinn von Prozenten.

Zahlen sind Schall und Rauch, möchte man meinen. Und doch wird über nichts mehr diskutiert. Ob es die Fußballergebnisse vom letzten Wochenende sind, die gestrigen Fernsehquoten oder die aktuellen Preise – Zahlen stellen Gesprächsstoff dar. Auch bei Spielen lässt sich fast alles in Zahlen messen und festhalten. Wie oft wurde ein Titel verkauft, wie alt sind die Spieler im Schnitt, wieviel haben sie dafür bezahlt, wie schnell ist ihr PC? Nur eines kann man nicht mit Zahlen erfassen: Den Spielspaß. Doch ausgerechnet der stellt das Thema Nummer eins dar, wenn Spieler über Zahlen reden.

Der Kampf um die Prozente
Verschiedenste Wertungssystem haben sich schon daran versucht, Spielspaß allgemein und für jeden Spieler gültig in Zahlen zu verpacken. Angefangen hat es mit dem noch heute populärsten Prozentsystem, das theoretisch 101 Abstufungen zulässt, um die Einschätzung eines Spiels wiederzugeben. In der Praxis werden davon aber nur rund 20 Prozent auch tatsächlich genutzt; nämlich der Bereich zwischen 70 und 90 Prozent. Alles was darunter ist, wird gegenwärtig gemeinhin als Schrott bezeichnet, alles was sich darüber befindet, verdient die Umschreibung „Ausnahmetitel“.

Müssen in einen Bereich von 20 Prozentpunkten monatlich im Schnitt plattformübergreifend um die 20 Spiele gequetscht werden, verwundert es nicht, dass es zu Ungereimtheiten kommt: „Warum hat Spiel X zwei Punkte mehr bekommen als Spiel Y?“, das ist die Frage, welche sich ein Redakteur wahrscheinlich am häufigsten anhören muss. In den meisten Fällen kann der sie aber selbst nicht beantworten – weil er Spiel Y unter Umständen gar nicht gespielt hat oder seit dem Release ein Jahr vergangen ist und er sich schlicht nicht mehr genau daran erinnert. Und, wenn Spiel Y tatsächlich schon ein paar Monate auf dem Buckel hat, ist es überhaupt noch zeitgemäß? Altert der Spielspaß mit?

91 weniger
Einfacher machen es sich einige Magazin vor allem in Großbritannien, die nicht 101 sondern nur 10 Abstufungen vornehmen – und vielmals dennoch über ein breiteres Wertungsspektrum verfügen als die meisten „Prozent-Magazine“. Denn bei Edge, EuroGamer & Co. steht eine 5 wirklich für ein durchschnittliches Spiel, während in Deutschland irgendetwas zwischen 75 und 80 als Durchschnitt gilt. Verantwortlich dafür sind aber nicht etwa nur die Redakteure der Spielemagazine sondern gleichermaßen ihre Leser: Die wollen auf den ersten Blick sehen, wie gut ein Titel gegenüber der Konkurrenz abschneidet und ob ihr geliebtes Hypespiel die Erwartungen auch tatsächlich erfüllt.

Die Faulheit ist ein ganz wesentlicher Punkt, warum das uralte Prozentsystem noch immer das Maß der Dinge darstellt: Man stelle sich nur vor, die PC Games würde ihre Wertungssystem umstellen und ‚Star Wars: Empire at War‘ sowie ‚Die Schlacht um Mittelerde 2‘ würden beide eine 8 bekommen. Da müsste man ja den Text lesen, um zu wissen, welches Spiel nun welche Vorzüge hat!

100 Gramm Spielspaß bitte!
Wie weit sich die Magazine von ihren Lesern treiben lassen (müssen), hat die GameStar eindrucksvoll bewiesen: Da werden die Spiele seit einer Weile fein säuberlich in kleine Häppchen zerstückelt, jedes wird einzeln gewogen und dann bewertet. Nachher baut man das Ganze wieder zusammen und, tada, schon hat man die Endwertung. Dass sich mit so einem System der Spielspaß nicht im Geringsten wiedergeben lässt, scheint egal zu sein. Denn letztendlich leiden darunter vor allem die Spiele, die technisch nicht auf der Höhe der Zeit sind oder etwas Neues ausprobieren – und somit sowieso nur einen Bruchteil der Leser interessieren.

Kein Platz für Ausnahmen
Man stelle sich mal vor, ein ganz einfach spaßiges Spiel wie ‚Katamari Damacy‘ würde von der GameStar auseinandergenommen. Grafik? Wenige Details, schlechte Texturen, macht 2 Punkte. Sound? Zu japanisch, wenig Abwechslung, macht 3 Punkte. Story? Zu japanisch, schlecht präsentiert, 2 Punkte. KI? Nicht vorhanden, 0 Punkte. Das Spiel würde wahrscheinlich auf keine 50 Prozent kommen. Und doch macht es vielen mehr Spaß als so mancher vermeindlich „sehr guter“ Titel.

Nur ein Beispiel von vielen, die zeigen, wie unsinnig nicht nur die Wertungssysteme sondern auch die Wertungen an sich sind. Für wen nämlich gilt eine Wertung überhaupt? Um bei dem Beispiel der beiden Echtzeit-Strategiespiele zu bleiben: Mag ‚Die Schlacht um Mittelerde 2‘ auch jemand, der mit Fantasy im Allgemeinen und ‚Der Herr der Ringe‘ im Speziellen überhaupt nichts anfangen kann? Begeistert ‚Star Wars: Empire at War‘ auch einen Strategiespieler, der eigentlich ‚Star Trek‘-Fan ist? Gelten die 90 Prozent von ‚Half-Life 2‘ auch für Adventureliebhaber? Und wenn nicht, warum bekommt ein ‚Still Life‘ dann nicht auch 90 Prozent, wenn es für viele Rätselfreunde doch das beste Adventure des Jahres ist? Objektive und allgemeingültige Wertungen kann und wird es nie geben.

Realität gegen Erwartungshaltung
Magazine verteilen daher die Wertungen, welche die Leser von ihnen erwarten. Man erinnere sich an das Beispiel ‚Black & White‘, dem die GameStar mutigerweise nach einem monatelangem Hype, in dem sie das Spiel in jedem Preview mit Vorschusslorbeeren bedachte, auf einmal nur 84 Prozent gab. Die Leser fühlten sich betrogen, die Welle der Entrüstung war unvergleichbar. Dass ‚Black & White‘ letztendlich tatsächlich nicht das überragende Spiel war, das sich alle erhofft hatten, spielte dabei keine Rolle: Die GameStar hatte ihren Lesern ein Topspiel versprochen, also hätten sie es auch bekommen sollen.

Dass man seine Glaubwürdigkeit auch andersrum verspielen kann, musste unter anderem die GamePro im Falle des Actionrennspiels ‚DRIV3R‘ erfahren. Während der Titel aufgrund seiner vielen Schwächen in den USA zu recht mit niedrigen Wertungen abgestraft wurde, hielt die GamePro an ihrem Kurs aus den Preview fest und gab brav eine Wertung im 80er-Bereich. Die Leser waren zufrieden – bis sie ‚DRIV3R‘ dann schließlich selbst in den Händen hielten und häufig kein gutes Haar an dem Spiel ließen. Gleichzeitig stellte man die Seriösität der Zeitschrift in Frage, zumal in Großbritannien ein Gerücht über eine von Atari gekaufte Wertung die Runde machte.

Sowohl im Falle der GameStar als auch in dem der GamePro waren also lustigerweise jene Artikel an der Verärgerung der Kunden Schuld, in denen eben keine echte Wertung abgegeben wurde. Muss man seine Einschätzung also möglicherweise revidieren? Lesen die Spieler vielleicht doch ganze Artikel und schielen nicht nur auf Wertung sowie Pro & Contra-Kasten? Und sollten die großen Magazine mit ihrer Macht auf den Markt nicht viel vorsichtiger umgehen? Nun, das ist ein anderes Thema.

Erste Versuche
Fest steht hingegen, dass Spielspaß immer subjektiv ist. Die PC Powerplay hat das als einziges mir bekanntes Test-Magazin in Deutschland erkannt und lässt jeden Redakteur eine eigene Wertung für ein Spiel abgeben – nur um daraus dann am Ende doch wieder einen Durchschnitt als Gesamtwertung zu bilden und die eigentlich sehr gute Idee ad absurdum zu führen. Schlussendlich ist die Frage, wohin die Presselandschaft will: Wollen Spiele irgendwann eine ähnliche Bedeutung wie Filme oder Bücher erreichen? Dann sollte schleunigst ein Umdenken stattfinden, weg von vermeindlich objektiven Tests hin zu offen subjektiven Rezensionen. Wenn nicht, dann kann man natürlich so weitermachen wie in den letzten 20 Jahren.

Ein Blick in die Glaskugel

Haltet ein! Saturn ist im Steigen, die Venus ist im Feuerzeichen Widder und ich, der unglaubliche Scott R. Krol (jetzt auch für Geburtstagsparties und Firmenfeiern verfügbar), habe die erquickende Gabe, eine fantastische Zukunft vorauszusagen! Ich trank das Blut des Drachen, badete im blassen Licht des Mondes und tanzte mit den Nymphen des Waldes hinter dem Parkplatz von Galeria Kaufhof – und das alles um EUCH, liebe Leser, mit den Top-Ten-Prophezeihungen für die Welt der Computerspiele 2006 zu versorgen. So versammelt euch um meine Kristallkugel der Weissagung und kommt mit mir auf die mystische Reise zu den …

… zehn Computerspiel-Prophezeihungen 2006!

1. Es wird noch mehr WW2-Shooter geben, aber es ist immer noch kein Shooter in Sicht, der den <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Berchtesgaden" target="_blank">Salzkrieg von 1611</a> als Story beinhaltet.

2. In Egoshootern wird es Kisten geben, und in diesen Kisten werden Items sein.

3. Ein Spielemagazin und/oder eine Spielewebsite wird einen Artikel darüber schreiben, wie die Konsolenspiele gegenüber den üblichen PC-Titeln die Aufholjagd langsam aber sicher gewinnen werden. Das selbe Magazin und/oder die selbe Website wird zeitgleich eine Menge Werbung für Konsolenspiele schalten.

4. <a href="http://www.3drealms.com/duke4/" target="_blank">Duke Nukem Forever</a> wird nicht veröffentlicht.

5. Kriegsstrategietitel werden den Markt dermaßen dominieren, dass sogar heiße, halbnackte Mädels Operation Uberkrieg, der Sturm der elften SS-Panzerdivision spielen wollen, um ihre umzingelten Kameraden bei Arnswalde zu befreien. (Halt, wartet – Das kommt eher in meinen Zehn Computerspiel-Fantasien für 2006-Blog)

6. <a href="http://www.boll-kg.de/" target="_blank">Uwe Boll</a> wird auch weiterhin Filme, die auf Computerspielen basieren, machen. Er wird sich die Rechte für einen Tetris-Film kaufen und diesen zu einem der besten Filme, die jemals gemacht wurden, deklarieren. Sogar besser als <a href="http://www.imdb.com/title/tt0115683/" target="_blank">Bio-Dome</a> und <a href="http://www.imdb.com/title/tt0033467/" target="_blank">Citizen Kane</a>.

7. Irgendein Idiot, der irgendein PC-Spiel besitzt, wird irgendwas blödes machen und das Parlament, <a href="http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/19/0,1872,2211475,00.html" target="_blank">selbsternannte Experten und die Medien</a> werden die Spieleindustrie dafür verantwortlich machen.

8. Grand Theft Auto: Chocolate City

9. Osteuropäische Echtzeitstrategiespiele werden auch weiterhin die Anzahl der Einheiten, die ein Spieler kontrollieren kann, erhöhen. Und zwar solange, bis alle ‚Oh mein Gott! Eine Million Einheiten am Bildschirm!!‘ brüllen. Leider sieht diese Menge an Einheiten am Bildschirm wie ein gigantisches 17-Zoll-Pixel aus.

10. Einge Leute werden immer noch dämliche Voraussagen über das kommende Jahr machen. Hmm wartet – Die Prophezeihung hat sich erfüllt!!!

Dieser Text wurde mit freundlicher Genehmigung von Scott R. Krol und <a href="http://www.shrapnelcommunity.com/blog/2006/01/19/in-the-year-2006/" target="_blank">Shrapnel Games</a> ins Deutsche übersetzt.